Doppelspalt-Experiment (Credit: Koantum, svg version by Trutz Behn) |
Wir haben gedanklich bereits makroskopische Teilchen (Farbtröpfchen) und Licht (in Form von Photonen) durch einen Doppelspalt geschickt. Dabei wurde hoffentlich der Unterschied zwischen der Intensitätsverteilung klassischer Teilchen hinter dem Spalt und der Intensitätsverteilung quantenmechanischer Teilchen (in unserem Fall Photonen) deutlich.
Die Intensitäten der Teilchenstrahlen durch die einzelnen Spalten werden im klassischen Fall einfach zusammengezählt und ergeben somit ganz intuitiv die Gesamtintensität. Man könnte auch sagen: |ψ(x=D, y)|2 = |ψ1|2 + |ψ2|2. (Das ψ bedeutet die Wellenfunktion, mit der wir die Teilchen beschreiben. Es handelt sich hierbei um eine Wahrscheinlichkeitsdichte. Im klassischen Fall kann man statt dieser etwas komplizierten Schreibweise einfach ganz normal die Intensitäten der Teilchen durch die einzelnen Spalte addieren: Igesamt = I1 + I2.)
Im Falle von einzelnen Photonen beobachten wir Interferenzen, wenn beide Spalte offen sind! Die Intensität ist plötzlich vom Winkel abhängig, wie man aus dieser Gleichung - durch den Kosinus - ablesen kann (mehr dazu im vorhergehenden Artikel!):
|ψ(x=D, y)|2 = |ψ1+ψ2|2 = |ψ1|2 + |ψ2|2 + (A2/r2)·cos k(r1-r2)
Sobald einer der beiden Spalte geschlossen wird, beobachten wir wieder die klassische Intensitätsverteilung.
Die folgenden zwei Abbildungen sollen den Unterschied noch einmal verdeutlichen:
Intesitätsverteilung für klassische Teilchen hinter dem Doppelspalt
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Intensitätsverteilung von Licht - beide Spalte offen - hinter dem Doppelspalt (Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Slit_double_57_8.svg) |
Das Bisherige habe ich ja bereits im letzten Artikel erzählt. Wem das hier zu schnell gegangen ist, der kann dort nachschlagen.
* * *
Elektronen
Nun gut. Wir tauschen unsere Lichtquelle gegen eine Elektronenquelle und unsere Photoplatte gegen einen geeigneten Elektronendetektor.Übrigens: Elektronenquellen sind oft nur ein heißer Draht, aus dem die Elektronen aufgrund der thermischen Energie emittiert werden, die dann durch eine elektrische Spannung in die gewünschte Richtung bewegt werden. Oft steckt prinzipiell gar nicht so viel Technik dahinter, wie man vermuten könnte, stimmt's? ;-)Wir skalieren Spaltbreite, Spaltabstand und Entfernung zwischen Doppelspalt und Detektor im Verhältnis von Lichtwellenlänge λ zu de Broglie-Wellenlänge λD. Also vereinfacht gesagt: Man muss die Abstände im Experiment ein bisschen ändern, wenn man es mit Elektronen anstatt von Photonen macht, um optimale Resultate zu erhalten.
Ist dies geschehen und schalten wir unsere Elektronenquelle ein, so beobachten wir völlig analoge Erscheinungen wie im Fall des Lichts. Die Intensitätsverteilung sieht derjenigen von Photonen also völlig ähnlich, obwohl wir Elektronen verwendet haben.
Intensitätsverteilung von Elektronen hinter dem Doppelspalt (Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Slit_double_57_8.svg) |
Wir sehen hier also abermals einen starken Hinweis darauf, dass sich Materie durch Wellenfunktionen beschreiben lässt!
Doch es drängt sich wieder die Frage auf: Durch welchen Spalt ist denn das jeweilige Elektron gegangen? Da es nicht teilbar ist, muss es ja durch den ersten oder durch den zweiten Spalt gegangen sein, oder?
Kann man das Experiment nicht irgendwie austricksen und herausfinden, welche Wege von den Teilchen genommen werden, bevor sie beim Detektor ankommen?
Versuchen wir es!
Dazu nehmen wir eine kleine Modifikation an unserem experimentellen Aufbau vor: Wir stellen einen Detektor hinter den Spalt 1 (natürlich würde das auch umgekehrt am zweiten Spalt funktionieren), der registrieren soll, wenn sich ein Elektron durch diesen Spalt bewegt. Dabei soll es das Elektron so wenig wie möglich daran hindern, weiter in Richtung des Detektors zu fliegen.
Wir erwarten uns also vom Experiment, dass wir nach Einschalten der Elektronenquelle ein Interferenzmuster erhalten und zusätzlich zu jedem einzelnen Elektron die Information "Detektor am Spalt 1 spricht an" oder "Detektor am Spalt 1 spricht nicht an" bekommen. Spricht der Detektor am Spalt 1 an (z. B. indem ein Lämpchen aufleuchtet, sobald ein Elektronendurchgang registriert wurde), wissen wir, dass das Elektron durch den ersten Spalt gewandert ist. Spricht der Detektor nicht an, muss das Elektron durch den zweiten Spalt gewandert sein.
Aus dieser zusätzlichen Information erhoffen wir dann weitere Klarheiten zum genauen Verhalten der Elektronen im Doppelspaltexperiment.
Naja... so kann man sich täuschen! Nach dem Einschalten der Elektronenquelle zischen die Elektronen durch die verschiedenen Spalte, der Detektor blinkt in ca. der Hälfte der Fälle auf, in der anderen Hälfte der Fälle nicht, doch wir können kein Interferenzmuster mehr sehen. Die einzelnen Elektronen "halten" sich also nicht mehr an die interferierenden Wahrscheinlichkeiten, die herrschten, als kein zusätzlicher Detektor im Spiel war. Aber wenn ein Elektron durch Spalt 2 geht, wo sich ja bekanntlich kein Detektor befindet, woher "weiß" es dann, dass beim anderen Spalt ein Detektor angebracht ist? Da gibt es nämlich folgendes Problem: Das typische Interferenzmuster am hinteren Schirm hat ja gewisse Stellen, an denen kein Elektron ankommen darf (an den Stellen destruktiver Interferenz). Diese Stellen gibt es bei der Intensitätsverteilung hinter nur einem Spalt nicht.
Wenn ein Elektron durch Spalt 2 geht (kein Detektor!), muss es also irgendwie "wissen", ob am anderen Spalt ein Detektor ist oder nicht - denn dadurch werden ja seine Auftreffpunkte am Schirm bestimmt und eingeschränkt. Wie kann das Elektron durch Spalt 2 "wissen", was am anderen Spalt passiert, wenn es dort ja "nicht vorbeikommt"?
Tja... die klassische Physik kommt da wirklich in Erklärungsnot, wie man sieht!
In der Quantenmechanik erscheint das Problem allerdings relativ logisch:
Die Wellenfunktion des Elektrons geht im Normalfall (kein Detektor am Spalt) ja durch beide Spalte durch und interferiert dahinter mit sich selbst. Da die Wellenfunktion allerdings nur eine Wahrscheinlichkeitsdichte-Funktion darstellt, gibt sie nur an, wie wahrscheinlich es ist, Elektronen an bestimmten Orten zu finden. "Je höher die Wellenfunktion an einem Ort, desto wahrscheinlicher ist dort das Antreffen eines Elektrons." Die Auftreffpunkte einzelner Elektronen sind tatsächlich zufällig! Doch die Zufälle sind mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten versehen, welche erst sichtbar werden, wenn man das Experiment oftmals durchführt. Aus den einzelnen zufälligen Auftreffpunkten wird letztendlich ein Interferenzmuster. Folgende Abbildung zeigt dies recht eindrucksvoll (auch diese Abbildung ist im vorhergehenden Artikel bereits vorgekommen):
Elektronen werden durch einen Doppelspalt geschickt - mit der Zeit bildet sich ein deutliches Interferenzmuster.
Elektronenanzahl: 11 (a), 200 (b), 6000 (c), 40000 (d), 140000 (e).
(Credit: Dr. Tomonura. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Double-slit_experiment_results_Tanamura_2.jpg)
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Wenn man nun allerdings einen Detektor am Spalt 1 anbringt, ändert sich alles!
Aber wenn man in Wellenfunktionen denkt, erscheinen einem die experimentellen Ergebnisse relativ einleuchtend. Gut, dann schalten wir die Elektronenquelle wieder ein:
Die Wellenfunktion des Elektrons nähert sich dem Spalt, geht irgendwie durch (wie genau, wissen wir noch nicht), und letztendlich finden wir an einem Punkt am hinteren Schirm das Elektron. In den vorherigen Experimenten konnten wir nicht sicher sagen, durch welchen Spalt es gegangen ist. Wir konnten nur Wahrscheinlichkeits-Aussagen treffen. Doch dieses Mal brauchen wir ja nur auf unseren Detektor am Spalt 1 schauen - hat er das Elektron registriert oder nicht?
- Ja, der Detektor meldet einen Elektronendurchgang. Wir wissen nun also, dass das Elektron durch den ersten Spalt gegangen ist.
- Nein, der Detektor macht keinen Mucks. Das Elektron muss folglich durch den zweiten Spalt gegangen sein.
In beiden Fällen erhalten wir allerdings eine klassische Intensitätsverteilung hinter dem Spalt (also keine Interferenzen!) - das gleiche Ergebnis wie im Fall der periodisch abwechselnden Verdeckung einer der beiden Spalte (siehe vorheriger Artikel):
Intensitätsverteilung für Elektronen hinter dem Doppelspalt, wenn ein Detektor an einem Spalt angebracht ist
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Der Detektor am ersten Spalt wirkt bereits wie eine Messung, bei der die Wellenfunktion "zerstört" wird. Dadurch, dass wir nach der Information fragen, durch welchen Spalt das Elektron geht, schränken wir die Wellenfunktion derart ein, sodass sie tatsächlich nur mehr durch einen Spalt geht. Und eine Welle, die durch einen Spalt geht, kann ganz einfach keine Interferenzen mehr hervorrufen - egal, ob Wasserwelle, Wahrscheinlichkeitsdichte-Welle etc.!
Eine weitere Interpretation der experimentellen Ergebnisse lautet wie folgt:
Bevor sich ein Elektron am Schirm hinter dem Doppelspalt "materialisiert", nimmt es alle möglichen Wege gleichzeitig. Es befindet sich dann in einer Superposition aller möglichen Wege. Diese Wege können miteinander interferieren und bilden auf diese Weise das Interferenzmuster. Befindet sich allerdings ein Detektor am Spalt 1, so wird diese Superposition vernichtet. Wird das Teilchen am Spalt 1 detektiert, so kann es nicht mehr in einer Überlagerung aller Wege sein, denn es ist ja zu diesem Zeitpunkt bereits beim ersten Spalt. Zeigt der Detektor keinen Elektronendurchgang an, funktioniert die Argumentation völlig analog: Das Elektron kann nun nicht mehr durch den ersten Spalt gegangen sein, sondern nur mehr durch den zweiten. Wiederum wird die Superposition zerstört und es lässt sich hinter dem Spalt nur mehr eine klassische Verteilung beobachten.
Mathamtisch kann man ganze auch schön verdeutlichen (ist auch gar nicht so schwierig, keine Angst!):
Wie wir bereits gesehen haben, lautet die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen hinter einem Doppelspalt (ohne dazwischengeschalteten Detektor) folgendermaßen:
|ψ|2 = |ψ1+ψ2|2 = |ψ1|2 + |ψ2|2 + ψ1*ψ2 + ψ1ψ2*.
Die Sternchen bedeuten hierbei "konjugiert-komplex", was für uns allerdings nicht weiter von Bedeutung ist. Die gesamte Wellenfunktion ψ setzt sich also aus der Wellenfunktion ψ1, dass das Elektronen durch den ersten Spalt gegangen ist, und aus der Wellenfunktion ψ2, dass das Elektron durch den zweiten Spalt gegangen ist, zusammen. Will man die Wahrscheinlichkeit wissen, muss man das Absolutquadrat |...|2 bilden. Die Mathematik sagt dann, dass eben dieser obere Ausdruck herauskommt, in dem die beiden Terme ψ1*ψ2 + ψ1ψ2* für die Interferenz verantwortlich sind.
Untersuchen wir nun die beiden Fälle, dass der Detektor einen Elektronendurchgang am Spalt 1 registriert bzw. dass er keinen registriert:
- Detektor registriert einen Elektronendurchgang am Spalt 1: Damit wissen wir, dass ψ2 gleich Null sein muss, denn das Elektron kann somit nicht durch den zweiten Spalt gehen.
Aus |ψ|2 = |ψ1+ψ2|2 wird also |ψ|2 = |ψ1|2. Alle Interferenzterme sind weggefallen - die Intensitätsverteilung sieht genauso aus wie im Fall, dass nur der erste Spalt offen ist - ganz interferenzlos. - Detektor registriert keinen Elektronendurchgang am Spalt 1: In diesem Fall muss ψ1 gleich Null sein.
Aus |ψ|2 = |ψ1+ψ2|2 wird also |ψ|2 = |ψ2|2. Wir erhalten die gleiche Intensitätsverteilung wie hinter einem einzigen Spalt (in diesem Fall Spalt 2).
Man kann auch durch andere raffinierte experimentelle Aufbauen versuchen herauszufinden, auf welchen Wegen sich die Elektronen/Photonen/etc. bewegen. Doch immer wieder erhält man das gleiche Ergebnis:
Sobald irgendeine Information über den genauen Weg eines Teilchens existiert, verwischt das Interferenzmuster und man erhält eine klassische Verteilung. Interferenzerscheinungen rühren deshalb her von der prinzipiellen Unkenntnis des genauen Weges durch die Interferenzanordnung.
Sobald man etwas über den Weg eines Teilchens herausfindet, gleicht dies einer Messung. Diese Messung zerstört die Wellenfunktion (im Sinne der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik spricht man hier vom "Kollaps der Wellenfunktion") und verändert deren zukünftige räumliche und zeitliche Entwicklung. Jeder Messprozess ändert also den Zustand des zu messenden Systems! Er zerstört die zuvor bestehende Superposition aller möglichen Zustände.
(Aus diesen Überlegungen entstehen die Überlegungen mit Schrödingers Katze. Obwohl Schrödinger bedeutend zur Entwicklung der Quantenmechanik beigetragen hat und seine Forschung viele dieser grundlegenden Ergebnisse erzeugt hat, wollte er selbst teilweise nicht glauben, dass die Quantenmechanik sich so stark von unserer Alltagserfahrung unterscheidet. Aus diesem Grund dachte er sich diese "Schrödingers Katze" aus - er wollte damit zeigen, wie absurd die Quantenmechanik im Bezug auf unsere makroskopische Welt erscheint. Schrödinger glaubte, dass eines Tages eine andere Interpretation diese "anfänglichen Interpretationsschwierigkeiten der Quantenmechanik" beheben konnte.)
Auch heute gibt es zur abschließenden Auflockerung wieder ein Video, nämlich eines von MinutePhysics zum Thema Schrödinger's Katze:
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