Sonntag, 25. Mai 2014

Wie schnell müsste man auf eine rote Ampel zufahren, damit diese grün wird? (Whiteboard-Skizze II)

Werner Heisenberg wird von einem Polizisten aufgehalten, weil er mit seinem Auto zu schnell unterwegs war.
Der Polizist: "Mein lieber Herr, wissen Sie eigentlich, wie schnell sie gefahren sind?"
Heisenberg: "Nein, denn es ist mir wichtiger zu wissen, 'wo' ich bin."
Zu diesem mehr oder weniger bekannten Physiker-Witz, der auf die Heisenberg'sche Unbestimmtheitsrelation anspielt, kommt heute eine weitere physikalische "Ausrede" für Verletzungen der Straßenverkehrsordnung, für die Polizisten vermutlich auch kein offenes Ohr haben - berechtigterweise.

Ihr kennt doch sicher alle das Phänomen, bei dem das Folgetonhorn eines Polizeifahrzeugs viel höher klingt, wenn es sich auf einen zubewegt, und vergleichsweise tief, wenn sich das Auto wieder entfernt. Diesem Effekt hat man den Namen "Doppler-Effekt" gegeben.
Beim vorbeiflitzenden Polizeiauto handelt es sich um den akustischen Doppler-Effekt, denn es sind ja Schallwellen, die in Bewegungsrichtung gestaucht und entgegen der Bewegungsrichtung gedehnt werden und somit den in jedem Fall mit der gleichen Frequenz ausgesandten Ton in unterschiedlichen Frequenzen/Wellenlängen ankommen lassen. Höhere Frequenzen bzw. kleinere Wellenlängen bedeuten dabei einen höheren Ton in unseren Ohren.

Diesen Doppler-Effekt gibt es aber nicht nur für Schallwellen, sondern auch für Licht. Bleibt man im sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums, so sind elektromagnetische Schwingungen niedriger Frequenz rotes Licht und Schwingungen hoher Frequenz blaues Licht. (Die Wellenlängen sind umgekehrt proportional, d.h. große Wellenlängen bedeuten rotes Licht, kleine blaues Licht.)

Jede Art von Relativbewegung zwischen Licht-Sender und -Empfänger bewirkt eine Doppler-Verschiebung:
Bewegen sich Sender und Empfänger aufeinander zu, so werden die Lichtwellen "gestaucht" und "bläulicher" empfangen als sie beim Wegschicken vom Sender waren. Im Falle von sich jeweils entfernenden Sendern bzw. Empfängern kommen die Wellen "gedehnt" und "rötlicher" an.

Das elektromagnetische Spektrum.
Herausgehoben ist der für den Menschen sichtbare Bereich zwischen Wellenlängen von etwa 400 bis 700 Nanometer.
(Credit: Horst Frank, Phrood, Anony. Via Wikimedia Commons)

(Es ist übrigens ebendieser Doppler-Effekt, der starke experimentelle Hinweise auf das Ausdehnen des Universums lieferte: Man beobachtete, dass das Licht fast aller weit entfernten Sterne/Galaxien etwas "gedehnt" auf der Erde ankommt und somit in den roten Bereich des elektromagnetischen Spektrums verschoben ist. Daraus kann man schlussfolgern, dass all diese Objekte auseinanderdriften bzw. - allgemeiner formuliert - sich das gesamte Universum an sich ausdehnt. Diese Tatsache meint man, wenn man von der "kosmologischen Rotverschiebung" spricht. Dass die Sonne rötlicher aussieht als sie wirklich ist, hat aber übrigens wiederum mit einer anderen Art der Rotverschiebung zu tun, nämlich der "gravitativen Rotverschiebung", über welche ich hier schon einmal geschrieben habe.)

Bewegt man sich allerdings auf eine Lichtquelle zu, so empfängt man ihr Licht höherfrequenter. Rotes Licht wird also irgendwann gelb, dann grün, dann blau, dann violett,...
Warum sollen wir uns also nicht die folgende Frage stellen:

Wie schnell müsste man auf eine rote Verkehrsampel zufahren, damit sie grün erscheint?

Kleiner Spoiler: Das hier skizzierte Auto wird sich schwer tun, so schnell auf die rote Ampel zuzurasen, dass diese grün erscheint.

Eine kurze Rechnung, bei welcher man sich der Formel für den relativistischen (longitudinalen) Doppler-Effekt bedient, zeigt, dass man sein Fahrzeug auf wahnsinnige 49655 Kilometer pro Sekunde hinaufjagen müsste. Eine rote Ampel würde bei dieser Geschwindigkeit für einen selbst tatsächlich grün aussehen!

(Würde es einem gelingen, den Polizisten davon zu überzeugen, dass die Ampel aus der eigenen Perspektive wirklich grün war, so kann man vermutlich eine saftige Geldstrafe für zu schnelles Fahren erwarten. Und ob dieser dann noch willig ist, über Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation zu diskutieren, würde ich hier stark bezweifeln.)


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Übrigens: Wer wissen möchte, warum man (eventuell) seinen Rückspiegel nicht mehr braucht, wenn man ultraschnell fährt, weil man dann ohne Hilfsmittel Dinge sieht, die sich tatsächlich hinter einem selbst befinden, der sollte meinen älteren Arikel "Wie man um Ecken sehen kann" lesen.


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