Dieses scheinbare Mysterium kann man mit Hilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie auflösen. Das tolle daran: Die Argumentation lässt sich anschaulich und schlüssig ganz ohne Mathematik erklären und verstehen.
Doch vorerst müssen wir uns über folgende Begriffe und Eigenschaften einig sein:
- Licht kann man als eine Vielzahl kleiner Lichtteilchen sehen. Die kleinsten Energiepakete nennt man Photonen.
- Photonen haben ein paar wenige Eigenschaften - z. B. eine bestimmte Frequenz. Die Frequenz bestimmt z. B. die Energie oder die Farbe des Photons/Lichts. Unsere Augen sind jedoch nur für einen sehr kleinen Teil aller möglichen Frequenzen empfindlich und können nur Licht in einem Bereich von etwa 790 bis 380 THz (Terahertz) sehen. Doch wir spüren auch ein paar andere Frequenzen, z. B. als Sonnenbrand oder Wärmestrahlung.
- Atome haben ganz charakteristische Emissions- bzw. Absorptionsspektren und somit auch die Materie, die sie aufbauen. Mittels Spektralanalyse kann man deshalb die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre eines möglicherweise sehr weit entfernten Sterns analysieren. Wie dies funktioniert, habe ich in einer älteren Artikelserie beschrieben (Teil 3: Chemische Zusammensetzung). Die Kurzfassung: Im Spektrum eines von einem Stern abgestrahlten Lichts findet man dunkle Linien (Fraunhoferlinien). Diese entstehen, weil die Atome in der Sternatmosphäre ganz bestimmte Frequenzen absorbieren (und wieder in eine ganz andere Richtung abstrahlen, die nicht der unseren entspricht). Der gleiche Effekt erzeugt übrigens unseren gewohnten blauen Himmel abseits der Sonne. Sind diese Linien im Vergleich zu den Linien eines im Labor erzeugten, vergleichbaren Spektrums verschoben, deutet dies auf eine relative Bewegung zwischen Lichtquelle und Empfänger hin. (Edwin Hubble entdeckte mit dieser Methode, dass sich fast alle Objekte im Universum von uns wegbewegen (Rotverschiebung), woraus man ein so abstraktes Modell wie das Urknallmodell postulieren kann, welches sich als richtig herausgestellt hat.)
Die Sonne mit Sonnenflecken. Die zwei kleinen Sonnenflecken in der Mitte haben ungefähr den gleichen Durchmesser wie unser Planet Erde.1 |
Nun beobachtet man beim Sonnenlicht also eine Verschiebung der Fraunhoferlinien in Richtung des roten Bereichs des Spektrums.
Der Abstand zwischen Sonne und Erde hat sich in der Zeit der Messung praktisch nicht verändert. Somit kann die oben beschriebene Rotverschiebung aufgrund des Doppler-Effekts nicht der Grund dafür sein.
Auch die Kosmischen Rotverschiebung, die ich in einem früheren Artikel kurz erklärt habe, kommt für diese Beobachtung nicht in Frage.
Was steckt also dann dahinter?
Auflösen lässt sich dieses Rätsel wiegesagt mit der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART).
Setzt euch hin und lasst dieses Stückchen von Einsteins Theorie auf euch wirken!
Generell geht man in der Relativitätstheorie davon aus, dass es keine ausgezeichneten Bezugssysteme in der Raumzeit des Universums gibt. Z.B. kann man genau so gut sagen, dass man ruhig in einem Zug sitzt, während sich die Erde unter einem fortbewegt, obwohl wahrscheinlich jeder Mensch das Gegenteil behaupten würde: Der Zug fährt auf der ruhenden Erde. Fakt ist jedoch, dass alle Bezugssysteme gleichberechtigt sind. Daraus folgt aber auch, dass man zu gleichen physikalischen Aussagen gelangen muss, egal in welchem Bezugssystem man sich befindet. (Zur Veranschaulichung: Der Fahrgast und der am Bahnübergang Wartende müssen z. B. die gleiche Geschwindigkeit zwischen Zug und Erde sehen.)
Setzt euch hin und lasst dieses Stückchen von Einsteins Theorie auf euch wirken!
Albert Einstein, 1920.2 |
Generell geht man in der Relativitätstheorie davon aus, dass es keine ausgezeichneten Bezugssysteme in der Raumzeit des Universums gibt. Z.B. kann man genau so gut sagen, dass man ruhig in einem Zug sitzt, während sich die Erde unter einem fortbewegt, obwohl wahrscheinlich jeder Mensch das Gegenteil behaupten würde: Der Zug fährt auf der ruhenden Erde. Fakt ist jedoch, dass alle Bezugssysteme gleichberechtigt sind. Daraus folgt aber auch, dass man zu gleichen physikalischen Aussagen gelangen muss, egal in welchem Bezugssystem man sich befindet. (Zur Veranschaulichung: Der Fahrgast und der am Bahnübergang Wartende müssen z. B. die gleiche Geschwindigkeit zwischen Zug und Erde sehen.)
Das heißt doch allerdings auch, dass das Photon, welches von der Sonnenoberfläche zur Erde "fliegt", zu den gleichen Aussagen (bezüglich der von uns beobachteten Rotverschiebung) kommen muss wie wir, die auf der Erde "ruhen". Anstatt "Rotverschiebung" sagen wir jetzt "verminderte Frequenz", was ja das gleiche bedeutet.
Wir behandeln die Situation zuerst aus der Sicht der Erde:
Das Photon muss auf dem Weg von der Sonnenoberfläche zur Erde gegen die "Anziehung" der Sonne ankämpfen. So wie sich jedes Objekt auf der Erde von selbst zum Erdkern bewegt und man Energie aufwenden muss, um es vom Erdzentrum zu entfernen, so braucht das Photon Energie, um der Sonne entkommen zu können. Physikalisch gesprochen: Bewegt sich das Photon von der Sonne weg, steigt seine potentielle Energie. Da die Gesamtenergie allerdings konstant bleiben muss, wird dieser Energiegewinn durch einen Verlust seiner "Photonenenergie" E=h*f kompensiert. Da das h in dieser Gleichung eine Konstante ist (das Planck'sche Wirkungsquantum), muss sich das f - die Frequenz - vermindern. Die Geschwindigkeit des Lichts (also schlampig gesprochen seine "kinetische" Energie) kann nicht kleiner werden, da die Lichtgeschwindigkeit c immer und überall konstant ist. Also: Frequenzverminderung = Rotverschiebung.
Wir sind nun allerdings das Photon und behaupten, wir sind in Ruhe. Das heißt soviel, dass sich unsere Eigenschaften (= die Frequenz) im Laufe der Zeit nicht ändern, denn sonst wäre unser System durch irgendeinen äußeren Effekt beeinflusst worden. Hier ist die Geschichte aus der Sicht des Lichts:
Die ART besagt unter anderem, dass die Zeit in der Nähe von Massen langsamer vergeht als in größerer Entfernung. Menschen, die besonders oft fliegen, altern also langsamer im Vergleich zu den auf der Erdoberfläche Verweilenden. Hier ist der Effekt allerdings unglaublich klein, da die Erde nun auch nicht soo groß ist und der Höhenunterschied zwischen Flugbahn und Oberfläche im Vergleich zum Erdradius winzig ist.
Die Sonne ist allerdings eine größere Masse und die 150 Millionen Kilometer zwischen Sonne und Erde sind gar nicht so wenig. Wenn das Photon die Sonnenoberfläche mit einer bestimmten Frequenz verlässt (welche es auf dem ganzen Weg behält), bemerkt es, dass die Zeit auf der Erde schneller zu vergehen scheint als auf der Sonnenoberfläche. Denn man kann natürlich genauso gut sagen, dass die Zeit bei der Sonne die "normale" ist und die Zeit in weiterer Entfernung zur Masse (= Sonne) schneller vergeht. Wenn das Photon also mit unveränderter Frequenz auf der Erde ankommt und in unseren Messapparat saust, bewegt es sich in einen Bereich der Raumzeit, in dem die Uhren schneller ticken. Frequenz sind ja z. B. Schwingungen pro Sekunde - und wenn die Sekunden schneller vergehen, haben in den einzelnen Sekunden "weniger Schwingungen Platz". Die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde ist also kleiner. Das ist gleichbedeutend mit "die Frequenz ist kleiner", was wiederum genau den beobachteten Effekt der Rotverschiebung der Sonne erklärt.
Wir haben nun also ein Problem aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und sind trotz unterschiedlicher Argumentation auf die gleichen physikalischen Aussagen gekommen. Das ist sehr erstaunlich und faszinierend! Und darin liegt unter anderem der Reiz an der Relativitätstheorie, finde ich! Die Welt (im Sinne von allem für uns Erlebbaren) muss nicht so sein, wie wir sie mit unseren Sinnen erfassen und wie wir sie aus dem Alltag kennen. Wie sich herausgestellt hat, verhält sie sich oft grundlegend anders. Doch wir versuchen trotzdem, sie zu verstehen und haben dabei bereits enorme Erkenntnisse erlangt!
__________
1 By NASA (http://solarscience.msfc.nasa.gov/surface.shtml) [Public domain], via Wikimedia Commons
2 By unknown photographer. Scientific Monthly doesn't give photographer credit; the caption reads just "Professor Albert Einstein, University of Berlin" [Public domain], via Wikimedia Commons
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen