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Im Bohr'schen Atommodell (Niels Bohr, 1885-1962) umkreist ein Elektron den Atomkern, z.B. ein Proton (Wasserstoffatom).
Masse des Elektrons...me
Geschwindigkeit des Elektrons...v
Radius der Elektron-Kreisbahn...r
Kernmasse (allgemein)...mK
Kernladung (allgemein)...+Z·e (Kernladungszahl Z mal Elementarladung e)
Anstatt die physikalisch realistische Situation zu behandeln, in der sowohl Elektron als auch Kern um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, macht man sich das Leben einfacher und trifft eine übliche Näherung: Man beschreibt das System durch die Bewegung eines Teilchens mit der "reduzierten Masse" μ = me·mK / (me+mK) ≈ me um das Zentrum des Coulombpotentials im Kern bei r = 0. (Der Kern ruht also und das Elektron mit einer reduzierten Masse μ bewegt sich um ihn herum.)
Die radial zum Zentrum des Kraftfeldes wirkende Kraft (Zentripetalkraft) ist die Coulombkraft.
Also: Zentripetalkraft = Coulombkraft. Oder:
Diese Gleichung nach r umgeformt ergibt den Radius der Kreisbahn (des "Orbitals"):
Dieser Radius kann jeder beliebige sein, weil es für die Energie μv2/2 des Elektrons bislang keine Einschränkung gibt.
Doch wir beschreiben unser Elektron jetzt durch eine Materiewelle ψ. Wir fordern dabei, dass das Elektron das Atom nicht verlassen bzw. nicht in den Kern stürzen darf. Also fragen wir nach den stationären (= zeitunabhängigen) Zuständen des Atoms. Solche Zustände können nur durch stehende Wellen realisiert werden, wie ich im Hauptartikel zum Bohr'schen Atommodell bereits zu erklären versucht habe!
Unsere Bedingung an die Kreisbahnen lautet also: Der Umfang einer Elektron-Kreisbahn muss ein ganzzahliges Vielfaches der de Broglie-Wellenlänge λD sein.
Mathematisch formuliert sieht unsere Forderung so aus:
Das n steht dabei für "ganzzahliges Vielfaches" und kann deshalb nur eine natürliche Zahl (1,2,3,...) sein!
Die de Broglie-Wellenlänge lautet λD = h/(μ·v). Man kann diese Wellenlänge in die eben angeführte Forderung 2π·r = n·λD einsetzen und sich die Geschwindigkeit v des Elektrons ausdrücken:
Wir setzen dieses v in die obere Gleichung für den Radius r ein und erhalten nach abermaligem Umformen:
Der Radius ist also irgendein konstanter Wert a0 mal n2/Z.
Der sogenannte Bohr'sche Radius lautet
und ist der kleinstmögliche Radius (n=1) für die Elektron-Bahn im Wasserstoffatom (Z=1).
Doch hoppla - da ist ja ein n in unserer Formel für den Radius! Was bedeutet das?
Naja...was hier passiert ist, ist eine Quantelung der möglichen Elektron-Bahnen. Dieses n stammt ursprünglich aus unserer Forderung, dass nur diejenigen Bahnen möglich sind, auf denen sich stehende (Materie-)Wellen bilden können, und hat sich bis zum Ende durchgezogen. n kann nur diskrete Werte (1,2,3,...) annehmen, also keine Werte "dazwischen". Daraus ergeben sich somit diskrete Radien r, die wiederum keine "Werte dazwischen" annehmen können.
Die möglichen Bahnradien r sind also gequantelt!
Auch die verschiedenen Energien des Elektrons sind gequantelt!
Wenn man an der ersten Gleichung dieses Artikels (Zentripetalkraft = Coulombkraft) ein bisschen bastelt, kann man die kinetische Energie des Elektrons herausfinden. Man formt die Gleichung einfach so um, dass auf der linken Seite μv2/2 steht, also die kinetische Energie. Damit erhält man durch die andere Seite der Gleichung:
Die kinetische Energie ist also auch gleich der negativen Hälfte der potentiellen Energie. (Man braucht wohl ein bisschen physikalisch-mathematische Übung, um sofort erkennen zu können, dass im Ausdruck auf der anderen Seite die potentielle Energie steckt. Ansonsten steckt kein großes Geheimnis dahinter.)
Wir basteln uns die Gesamtenergie:
Setzen wir nun für r wieder unsere erlaubten Kreisbahnen ein, also
(das haben wir weiter oben schon einmal ausgedrückt), so wird unsere Gesamtenergie plötzlich wieder von n abhängig und lautet
Die vielen konstanten Größen kann man wieder bequem zu einer einzigen Konstanten zusammenfassen - der sog. Rydbergkonstanten Ry*.
Wiederum haben wir als Ergebnis bekommen, dass etwas gequantelt ist - und zwar dieses mal die Energie (aufgrund des n, für das man ja beliebige, ganzzahlige Werte einsetzen kann). Das Elektron, welches um den Atomkern kreist, kann also nur ganz bestimmte, diskrete Energiewerte annehmen und keine Werte dazwischen.
Diese Energiewerte kann man ganz unkompliziert durchnummerieren, indem man für n irgendwelche natürlichen Zahlen einsetzt (n = 1,2,3,...).
Bei diesem n handelt es sich um eine Quantenzahl - und zwar die "Energiequantenzahl", die die Anzahl der Perioden der stehenden de Broglie-Welle auf dem Kreisumfang angibt.
Die Randbedingung, dass die de Broglie-Welle um den Kern eine stehende Welle sein muss, kann man übrigens genauso ersetzen durch eine andere Bedingung - nämlich die, dass der Drehimpuls des Elektrons quantisiert ist.
(Dazu multipliziert man die Gleichung
einfach mit μ·r. Auf der linken Seite erhält man dadurch r·μv, was nichts anderes als der Betrag L des Drehimpulses ist. Die rechte Seite ergibt n·h/(2π), was man schreiben kann als n·ħ.
Also: Der Betrag des Drehimpulses des Elektrons ist ebenfalls quantisiert und kann nur in ganzzahligen Vielfachen von ħ vorkommen. L=n·ħ.)
Übrigens - dass ich wenigstens noch ganz am Ende ein paar konkrete Zahlenwerte anführe, falls die jemandem abgegangen sind: Die tiefste Energie (n = 1) für das Elektron im Wasserstoffatom (Z = 1) ist E1 = -Ry* = -13,6 eV = -Eion. Um das Elektron des Wasserstoffatoms aus dem Grundzustand ins Unendliche (also in der Realität: "weit weg vom Atom") zu befördern, benötigt man 13,6 eV an Energie. Dieser Vorgang heißt Ionisierung und dementsprechend heißt auch die Energie "Ionisierungsenergie".
Es gäbe noch viele weitere mathematische Spielereien (z. B. die Herleitung der Balmer-Formel für das Wasserstoffspektrum oder die Herleitung des Bohr-Radius' aus der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation, ...), aber irgendwo muss ich auch wieder aufhören. ;-)
Ich hoffe, diese mehr oder weniger mathematische Beschreibung des Bohr-Modells war nicht allzu verwirrend! Falls doch - auch nicht schlimm. Vielleicht konntet ihr auch in diesem Fall ein bisschen etwas mitnehmen. Meiner Meinung nach geht es bei Physik eh nicht immer darum, alles bis ins Detail zu verstehen, sondern es reicht oft schon, gewisse Eindrücke von Theorien, Modellen und der Natur zu bekommen, sodass man neugierig weitere Fragen stellen kann. Das Wichtigste ist, wenn man sagen kann (so wie Ines Lalowa vor kurzem zu mir sagte): "...ich staune so gern!".
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