Samstag, 6. Juli 2013

Ein Physiker geht duschen...

...und macht sich Gedanken zu einem schwerwiegenden Problem: Der kalte Duschvorhang bewegt sich während des Duschens, wenn das angenehm warme Wasser von oben über den eigenen Körper plätschert, langsam ins Innere der Duschkabine, bis er sich im schlimmsten Fall auf den Duschenden klebt. Brrr!

Mir passiert dies zwar selten (weil kein Duschvorhang), doch zur Genüge kennen dürfte dieses Problem Prof. Dr. Harald Lesch. In einer Ausgabe von "Leschs Kosmos" erläutert er das "Mysterium des Duschvorhangs" auf sehr anschauliche und humorvolle Weise. Dieses Video werde ich später verlinken - es soll auch der Schwerpunkt dieses Artikels sein.

Harald Lesch erwähnt im folgenden Video mehrmals einen gewissen "Bernoulli-Effekt", welcher besagt, dass der statische Druck in einem Gebiet strömender Flüssigkeiten abnimmt, je schneller sich die Flüssigkeit bewegt. Dieser Effekt kann z. B. auch die Bananenflanke beim Fußball erklären, bei welcher der Ball in der Luft eine gekrümmte Bahn zurücklegt, nachdem er "mit Effet getreten" wurde. Über diesen Magnus-Effekt (im Zusammenhang mit "Fußball-Boomeranging") hab ich sogar schon einmal gebloggt.

Dieses Bernoulli-Gesetz stellt jedoch nur den Spezialfall einer viel umfangreicheren Gleichung dar, welche die Bewegung von Fluiden präzise zu beschreiben vermag - die Navier-Stokes-Gleichung (nach Claude Louis Marie Henri Navier und George Gabriel Stokes). Diese Gleichung berücksichtigt Effekte, wie z. B. die innere Reibung (Viskosität) von Flüssigkeiten oder die Kompressibilität etc.
Der Vollständigkeit halber führe ich diese Gleichung hier an - nicht unbedingt mit der Absicht, dass sie jeder zu analysieren und zu verstehen probiert, sondern eher deshalb, weil es sehr erstaunlich ist, dass die Kombination von ein paar Größen (Dichte ρ, Druck p, Geschwindigkeit eines Teilchens v, Volumenkraftdichte f) in Verbindung mit wenigen Konstanten (λ und μ) beispielsweise dazu führten, dass Passagierflugzeuge in der heutigen Zeit ein relativ sicheres Transportmittel geworden sind, Formel-1-Autos trotz hoher Geschwindigkeiten auf dem Boden bleiben, Leben gerettet werden, weil man den Blutfluss im Körper einigermaßen versteht oder das globale Klima (mit gewissen Wahrscheinlichkeiten verbunden) vorhergesagt werden kann. Nicht zuletzt führte diese Gleichung dazu, dass ein großer Teil der Menschen, wenn man über "die Erde" spricht, eher an unseren Heimatplaneten denkt als an den Bestandteil des natürlichen Bodens.

Simulation eines Jetstreams (für Animation klicken!)

Hier ist sie - die Navier-Stokes-Gleichung:

Für den Fall einer inkompressiblen Flüssigkeit (wenn man recht klug reden möchte, kann man auch sagen: "Für den Fall der Divergenzfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes, also ∇·v=0") wird die Gleichung, die sich nun wunderbar für z. B. Wasser verwenden lässt, zu

Diese Formel für bestimmte Fälle analytisch (d. h. "ohne Näherungsverfahren") zu lösen, ist aus verschiedenen Gründen nahezu unmöglich. Man weiß noch nicht einmal, ob es garantiert ist, dass Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung existieren, die für alle zukünftigen Zeiten gelten. (Wer diese Frage beantwortet, bekommt viel Ruhm und Geld - das kann ich euch versprechen!) Aus diesem Grund ist man gezwungen, auf Näherungsmethoden zurückzugreifen und sich mit numerischen Lösungen zu begnügen. Früher war das ein großes Problem! Doch heutzutage, in einer Zeit, in der Computer ziemlich schnell geworden sind, lassen sich numerische Lösungen, die für praktische Zwecke völlig ausreichend sind, mit Hilfe von Computern problemlos und vergleichsweise schnell finden.
Das Gebiet der CFD ("Computational Fluid Dynamics") ist mittlerweile ein großes und wichtiges geworden. Man kann auf "real life"-Simulationen mit Modellen in Windkanälen oft verzichten. Das hat nicht nur finanzielle Vorteile, sondern man ist auch viel flexibler am Computer, wenn man sich beispielsweise überlegt, wie einfach es am Computer sein kann, die Form oder Bauweise eines Modells schnell zu verändern und anschließend wieder in die Simulation zu werfen. Simulationen, die Überschallgeschwindigkeiten beinhalten, können sowieso nur mit CFD wirklich gut simuliert werden.
Wie bereits oben erwähnt, lässt sich auch der Blutfluss in den menschlichen Gefäßen mit der Navier-Stokes-Gleichung verstehen. Es ist schon schwierig, den genauen Fluss eines Fluids in starren Körpern zu berechnen, doch es ist ungemein schwieriger, wenn die Wände des flüssigkeitleitenden Körpers dehn- und verformbar sind (wie unsere Adern). Der Blutfluss beeinflusst die Form der Gefäßwände, doch gleichzeitig beeinflusst die Form der Wände auch den Blutfluss. Diese Situation zu simulieren, erfordert enorme Rechenleistung, die nur moderne Computer aufbringen können.
Oft ist es nützlich, den Blutfluss vorhersagen zu können - etwa bei einer Bypass-Operation, bei der eine Blutgefäßbrücke eine Verengung (oder einen Verschluss) einer Arterie umgehen soll, sodass das dahinterliegende Organ ausreichend mit Blut versorgt werden kann.


Doch nun genug zur Navier-Stokes-Gleichung - die kommt in Leschs Video ohnehin nicht vor (deshalb habe ich ja darüber geschrieben)!

Viel Vergnügen beim folgenden Video, in welchem Harald Lesch das "Mysterium des Duschvorhangs" erklärt!






Abschließend möchte ich mich noch bei Detlef Breitenbach, einem empfehlenswerten Twitter-User, bedanken! Durch ihn bin ich auf dieses nette Video aufmerksam geworden.



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