Montag, 6. Mai 2013

Schiffe bewegen mit Maschinengewehren

In diesem Artikel wird es darum gehen, was passiert, wenn man auf einem schwimmenden Schiff Kugeln aus einem Gewehr auf eine Wand feuert, die sich wiederum auf dem Schiff befindet.
Dabei will ich kein neuartiges Konzept eines Antriebes vorstellen, sondern vielmehr ein paar Gedankenexperimente anstellen, die für das Verständnis eines späteren Artikels von Vorteil sein werden.


Also gut.
Stellt dir vor, du stehst auf einem Schiff, welches in Ruhe an der Wasseroberfläche verweilt. Du nimmst - aus welchem Grund auch immer (mir würde kein guter einfallen) - dein Gewehr in die Hand und feuerst auf eine Wand des Schiffes.
Schematisch gezeichnetes Schiff.
Auf der einen Seite werden Kugeln mit variabel einstellbarer Feuerrate abgeschossen, welche
auf der anderen Seite von einer Wand des Schiffes wieder vollständig abgebremst werden.*

Immer wenn eine Kugel abgefeuert wird, bekommt das Schiff einen Impuls nach links. Einfach deshalb, weil es einen Rückstoß durch das Abfeuern erfährt. Es bewegt sich dann so lange ein klein wenig nach links, bis die Kugel auf der anderen Seite auf die Wand trifft. Nun erleidet das Schiff einen entgegengesetzten Impuls durch die Kugel. Unter Idealbedingungen (vollkommen inelastischer Stoß mit der Wand, usw...) stoppt das Schiff dabei.
So lange die Kugel also in der Luft ist, bewegt sich das Schiff ein bisschen nach links. Danach wird es wieder angehalten.

Ist die Feuerrate sehr klein, so wird sich das Schiff in kleinen Schritten Stück für Stück nach links bewegen.

Doch was geschieht, wenn du die Feuerrate genau so einstellst, dass genau dann, wenn eine Kugel auf die hintere Wand trifft, eine neue Kugel abgefeuert wird? - Nun wird sich das Schiff mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit fortbewegen: Zuerst erhält es einen Rückstoß nach links und es beginnt sich zu bewegen. Sobald die Kugel auf die Wand prallt, wird eine neue abgefeuert. Der Effekt, dass das Schiff stoppt, sobald eine Kugel die Wand erreicht, wird also durch das Abfeuern einer neuen Kugel aufgehoben. Was immer noch übrig bleibt, ist der Impuls, den das Schiff von der ersten Kugel erhalten hat. Und durch diesen ersten Impuls angetrieben, bewegt es sich immer noch konstant weiter. Hört man mit dem Ballern wieder auf, so stoppt die letzte Kugel das Schiff wieder ab, weil ja keine neue Kugel mehr das Abbremsen ausgleicht.

Erhöht man die Feuerrate weiter, so wird man bemerken, dass sich das Schiff wiederum "sprunghaft", also in Schritten, bewegt. Denn wenn man eine neue Kugel früher abfeuert, hat es die vorherige noch nicht zur Wand geschafft. Das Schiff beschleunigt also noch etwas mehr, so lange bis es die vorherige Kugel wieder auf "Normalgeschwindigkeit" bringt.

Für den Fall, dass man sehr "feuerfreudig" ist und immer eine neue Kugel abfeuert, wenn die vorherige genau in der Mitte des Schiffes ist, wird man bald wieder eine gleichmäßige Bewegung des Schiffes beobachten: Die erste Kugel gibt dem Schiff einen der Feuerrichtung entgegengesetzten Impuls - ebenso die zweite. Der Rückstoß der dritten Kugel wird allerdings wieder dadurch ausgeglichen, dass die erste auf die Wand trifft und dabei das Schiff abbremst. Das Schiff wird also durch die ersten zwei abgefeuerten Kugeln angetrieben, die restlichen Schüsse werden alle durch andere Kugeln kompensiert. Hört man zu schießen auf, so bleibt das Schiff wiederum stehen, wenn alle Kugeln auf die Wand getroffen sind.

Man kann die Feuerrate gedanklich natürlich beliebig weit erhöhen.

Für den - zugegebenermaßen unrealistischen - Fall einer unendlich hohen Feuerrate (also kein Abstand zwischen den abgefeuerten Kugeln) wird sich das Schiff nicht in Schritten bewegen. Es wird stets eine Kugel da sein, die die entgegengesetzte Kraft einer anderen ausgleicht.

Für eben diesen Fall einer unendlich hohen Feuerrate kann man schon eher von einem Fluss reden (vgl. eine strömende Flüssigkeit). Die Argumentation des diskreten Falls der Gewehrkugeln lässt sich aber leicht übertragen.
Stellt euch eine Duschvorrichtung vor, wie sie im folgenden Bild gezeichnet ist.
Ein Wassertank ist mit einem Duschkopf verbunden.
Wenn das Rohr zwischen A und B gleichmäßig mit fließendem Wasser gefüllt ist,
heben einander alle nach links und rechts gerichteten Kräfte auf.*

Egal wie die Flussrate des Wassers aus dem Tank ist, man wird (im Gleichgewichtszustand = nach einiger Zeit) keine schrittweise Bewegung des Tanks beobachten können. (Dass das Wasser aus kleinen Molekülen besteht und es sich auf kleiner Ebene nicht um einen kontinuierlichen Fluss handelt, ist für unsere Gedankenexperimente nicht relevant. Wir betrachten größere Skalen!)

Was passiert beim Einschalten der Dusche?
Wie beim Abfeuern der ersten Kugel erfährt der Tank eine Kraft nach links (denn das Wasser bewegt sich ab A ja plötzlich nach rechts und die Impulserhaltung muss gelten). Sobald das Wasser den Duschkopf bei B erreicht, gleichen einander die Kräfte auf den Tank wieder aus. Doch es bleibt immer noch der erste nach links gerichtete Impuls übrig. Dieser wird erst wieder aufgehoben, wenn das Wasser abgedreht wird und der letzte Tropfen den Tank im Punkt B ein bisschen "nach rechts gedrückt" hat. Denn kurz nach dem Abdrehen fließt in A kein Wasser mehr nach rechts (= kein Impuls mehr nach links), doch das Wasser drückt in B immer noch nach rechts.



Diese Gedankenexperimente werden jetzt niemanden von euch vor Begeisterung umhauen, das ist mir klar. (Ich finde sie amüsant, aber eine größere innere Befriedigung geben sie mir auch nicht.) Ich wollte sie nur deshalb in einem Blogartikel durchführen, weil ich diese Argumentation in einem meiner späteren Artikel brauchen werde. Damit der zukünftige Text nicht allzu lang wird, soll dieser hier als Vorbereitung dienen. ;-)




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Bildquellen: Alejandro Jenkins (2004). "An elementary treatment of the reverse sprinkler". American Journal of Physics 72 (10): 1276–1282. arXiv:physics/0312087. Bibcode:2004AmJPh..72.1276J. doi:10.1119/1.1761063.



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