tag:blogger.com,1999:blog-46388408204650106192024-03-13T03:17:29.527+01:00Erstaunliches aus unserer sichtbaren Blase des UniversumsEin Blog über die physikalische Umwelt von Sebastian TemplAnonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.comBlogger104125tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-52267145593006857232015-10-22T18:01:00.000+02:002015-10-22T19:22:32.328+02:00Die Quantenmechanik ist schuld am Klimawandel!<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-ybrHtJFMLr4/VikIuzwYYSI/AAAAAAAABvI/gHsRej3YrQw/s1600/Venera13Camera2-1680x459.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="174" src="http://4.bp.blogspot.com/-ybrHtJFMLr4/VikIuzwYYSI/AAAAAAAABvI/gHsRej3YrQw/s640/Venera13Camera2-1680x459.jpg" width="640" /></a></div>
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So ‒ nun da ich dank dieses catchy Titels eure Aufmerksamkeit habe, kann ich ja gleich mit der Tür ins Haus fallen und eines klarstellen: Die gute Quantenmechanik hat in Wahrheit überhaupt keine Schuld am Klimawandel. Diese liegt ausschließlich bei uns Menschen, egal wie man es dreht. Allerdings ‒ und da kann sich die Physik der atomaren und subatomaren Teilchen nicht hinausreden ‒ hat die Quantenmechanik beim Prozess der globalen Erwärmung ganz deutlich ihre Finger im Spiel. (Merkspruch: “Gäb’ es kein Quant, wär’n mehr Gletscher bekannt.”)<br />
Warum der weltweite Klimawandel eine Erscheinung ist, die durch die Quantenmechanik hervorgerufen wird, und warum das vielleicht verwunderlich erscheinen mag, werde ich im folgenden Text illustrieren.<br />
<br />
Bevor wir uns aber in die faszinierende Quantenwelt begeben: Regenbogen!<br />
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<b><i><a href="http://www.kirtag.org/die-quantenmechanik-ist-schuld-klimawandel/" target="_blank">Weiter auf kirtag.org »</a></i></b><br />
<b style="background-color: #fafafa; color: #222222; font-family: Arial, Tahoma, Helvetica, FreeSans, sans-serif; font-size: 14.3px; line-height: 20.02px;"><br /></b>
<b style="background-color: #fafafa; color: #222222; font-family: Arial, Tahoma, Helvetica, FreeSans, sans-serif; font-size: 14.3px; line-height: 20.02px;"><br /></b>
<span style="color: #222222; font-family: Arial, Tahoma, Helvetica, FreeSans, sans-serif; font-size: xx-small;"><span style="background-color: #fafafa; line-height: 20.02px;"><i>(Headerbild-Credit: NASA History Office)</i></span></span>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-69069582091774744922015-09-24T11:41:00.000+02:002015-09-24T11:41:36.987+02:00Heute schon ein Universum erschaffen?<b>Habt ihr schon einmal versucht, ein Universum zu erschaffen? - Nicht? Dann ist es höchste Zeit dafür!</b><br />
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<div>
Gehen wir es also an! Was wir zur Verfügung haben, sind einige fundamentale Parameter, an denen wir schrauben können, wodurch sich die physikalischen Gesetze ändern.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-nJrfaqCntm0/Vf6uSexQzFI/AAAAAAAABuI/OwLlazVItnA/s1600/millenniumsim_universe.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="260" src="http://4.bp.blogspot.com/-nJrfaqCntm0/Vf6uSexQzFI/AAAAAAAABuI/OwLlazVItnA/s640/millenniumsim_universe.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">So sieht unser Universum auf richtig großen Skalen aus (Bildausschnitt aus der "Millennium Simulation").<br />
Wäre doch super, wenn wir heute gedanklich auch ein solches Universum kreieren könnten - also ein Universum mit innerer Struktur, Sternen und Galaxien.<br />
(Credit: Max Planck Institute for Astrophysics)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<b>Versuch 1:</b> <i>Bang! - Wir zünden einen Urknall. Unser Universum beginnt zu existieren und bläht sich auf, angetrieben durch eine Art “negative, repulsive Gravitation”, welche durch einen hohen Wert des für die kosmische Inflation verantwortlichen “Inflaton-Feldes” verursacht wird. Masse in Form von Teilchen entsteht. Doch auf einen Schlag hört die Expansion der soeben in Erscheinung getretenen Raumzeit auf, unser Universum kollabiert in sich selbst und ist futsch.</i><br />
<br />
Was ist schiefgelaufen? Nun, da das Universum verschwunden ist, ist das schwer zu eruieren. Möglicherweise wurde zu viel Materie produziert oder wir haben die Stärke der Gravitationkraft zu hoch gewählt, sodass all die im Universum befindliche Masse die Expansion abgebremst und eine Kontraktion eingeleitet hat.<br />
<br />
Wie auch immer, probieren wir es einfach noch einmal!<br />
<a name='more'></a><br />
<br />
<b>Versuch 2:</b> <i>BANG! - Jetzt bin ich mir momentan nicht sicher: War dieser Urknall lauter als der vorherige? Ich habe jedoch keine Zeit, über diese Frage nachzudenken, weil mir unser neues Universum gerade um die Ohren fliegt. So viel Raum hast du in so kurzer Zeit noch nie entstehen sehen! Dort und da schwirren ein paar Wasserstoffatome umher, doch sie können ihresgleichen nicht finden, da die kosmische Expansion alles auseinanderzieht. Somit entstehen keine schweren Elemente durch Fusion, das Universum ist leer, kalt und langweilig. Schade, denn ich hätte dieses Mal gerne ein paar Sterne zusammengebracht.</i><br />
<br />
Was hat uns dieses Universum verdorben? Nun ja, ich könnte mir vorstellen, dass wir etwa den Wert der kosmologischen Konstante zu hoch gewählt haben und die "Dunkle Energie" unser Universum schneller aufgeblasen hat als beabsichtigt. Aber woher sollen wir auch wissen, dass dieser Wert nicht viel größer als winzige 10<sup>-122</sup> sein darf? Die Naturgesetze kommen schließlich ohne Handbuch.<br />
<br />
<br />
<b>Versuch 3:</b> <i>Bang! - Dieses Mal entwickelt sich unser Universum eigentlich ganz gut. Es kollabiert nicht sofort und auch die Expansion läuft nicht völlig aus dem Ruder. Die vorhandene Materie entkoppelt schließlich von der allgegenwärtigen Strahlung und es wird vorerst finster im Universum. (Das ist ein gutes Zeichen, weil dies möglicherweise der Beginn der Bildung von Galaxie-Strukturen ist!) Doch selbst nach hunderttausendejahrelangem Warten ist es immer noch stockdunkel. Kein Stern taucht auf, nichts will fusionieren und das All erleuchten. All die schweren Elemente, die wir für vertrautes Leben brauchen, können nicht entstehen.</i><br />
<br />
Oh verflucht, jetzt hat's schon wieder nicht geklappt! Irgendwie halten unsere Nukleonen, also die Atomkern-Bausteine, nicht zusammen. Die Anfangsparameter wurden schon wieder falsch gewählt und nun ist es nicht möglich, die Nukleonen nachträglich irgendwie zusammenzukleben. Wir haben ein Universum ohne Gaffer-Tape erschaffen.<br />
<br />
<br />
<b>Versuch 4:</b> ...Ach, ich habe jetzt keine Lust mehr dazu...<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-jl3fdcrVVos/Vf60T8u7K8I/AAAAAAAABuY/u7KaIUW3LYs/s1600/major_in_the_universe.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="248" src="http://2.bp.blogspot.com/-jl3fdcrVVos/Vf60T8u7K8I/AAAAAAAABuY/u7KaIUW3LYs/s640/major_in_the_universe.png" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">(Credit: <a href="http://xkcd.com/863/" target="_blank">xkcd.com</a>)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Ihr seht schon, es ist verdammt schwierig, ein Universum zu erschaffen, das unserem ähnelt und Leben ermöglichen kann. Tatsächlich stellt sich heraus, dass all die Parameter und Naturkonstanten in unserem Universum unglaublich präzise aufeinander abgestimmt sind. Nimmt man nur kleine Änderungen an manchen von ihnen vor, spielen die physikalischen Gesetze verrückt und ein Universum, wie wir sie kennen, kann nicht mehr existieren. Diese Tatsache ist als "Feinabstimmung" oder "<i>fine-tuning</i>" des Universums bekannt. Nach wie vor ist es ein völliges Rätsel, warum die Naturgesetze so sind, wie sie eben sind, denn es gibt bislang keine Erklärung für dieses nahezu perfekte Zusammenspiel der Naturkonstanten, ohne welches uns vertrautes Leben unmöglich wäre.<br />
<br />
Natürlich gibt es einige Erklärungsversuche für das <i>fine-tuning</i>-Problem.<br />
So besagt das "anthropische Prinzip" etwa, dass es nicht verwunderlich ist, dass wir in einem solch fein abgestimmten Universum leben, denn wäre das nicht der Fall, so würden wir nicht existieren und fähig sein, solche Fragen zu stellen. Das erscheint zwar auf den ersten Blick logisch und plausibel, doch ist dieses anthropische Prinzip zur Erklärung der kosmischen Feinabstimmung bei zahlreichen Personen verschiedener Fachbereiche umstritten. So formuliert John Leslie das anthropische Prinzip etwa als “jedes intelligente Lebenwesen, welches ist, kann sich selbst nur dort vorfinden, wo intelligentes Leben möglich ist” und betrachtet es als eine Tautologie.<br />
Ich persönlich argumentiere ebenfalls nur ungern mit diesem Prinzip. Es könnte zwar sein, dass wir nie eine wirkliche Erklärung für das <i>fine-tuning</i> finden werden und “es ist so, wie es ist, denn wäre es anders, könnten wir nicht sein” die beste Interpretation sein wird, doch widerspricht eine Weltdeutung mit Hilfe des anthropischen Prinzips meiner Meinung nach dem neugierigen Geist der Wissenschaft, indem es entmutigt, weitere und tiefergreifende Fragen zu stellen. Das anthropische Prinzip ist zwar ein interessantes Konzept und hat durchaus verdient diskutiert zu werden, doch sollte man sich - so denke ich - davon nicht abhalten lassen, weiterhin neugierig und systematisch die Welt zu betrachten, um vielleicht letztendlich doch noch eine befriedigendere Erklärung für unsere Existenz zu finden.<br />
<br />
Eine andere Möglichkeit zur Erklärung des <i>fine-tunings</i> wäre, dass unser Universum nur eines von vielen ist. In diesem Multiversums-Szenario würden zahlreiche (unendlich viele?) Universen entstanden sein und entstehen - jedes mit einem anderen Satz von Naturkonstanten und Parametern und somit anderen physikalischen Gesetzen. Gibt es unzählige verschiedene Universen, ist es plötzlich nicht mehr verwunderlich, dass auch zufällig eines dabei ist, in dem die Naturgesetze so perfekt auf kohlenstoffbasiertes Leben abgestimmt sind wie in unserem. Diese Überlegungen klingen für Nicht-Kosmologen wahrscheinlich sehr gekünstelt und absurd, doch gibt es in der Tat einige physikalische Modelle, die das Konzept des Multiversums nahelegen und in ihrem Rahmen plausible erscheinen lassen. Tatsächlich gefunden haben wir andere Universen allerdings noch nicht, was an dieser Stelle zu erwähnen wahrscheinlich überflüssig ist.<br />
<br />
All diese Erklärungsversuche sind zwar “<i>educated</i> guesses”, aber dennoch nur “guesses”. Das schwierige an diesen Konzepten ist vor allem die Tatsache, dass sie bislang keine falsifizierbaren Vorhersagen machen und somit streng genommen nicht in den Bereich der Wissenschaft fallen. (Nichtsdestotrotz bieten sie Stoff für höchst interessante philosophische Diskussionen.)<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-x3U86qPm9Do/VgAoqIbehsI/AAAAAAAABuo/FTs-WqWvxJs/s1600/Water_at_Boil.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="512" src="http://3.bp.blogspot.com/-x3U86qPm9Do/VgAoqIbehsI/AAAAAAAABuo/FTs-WqWvxJs/s640/Water_at_Boil.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Wie sieht ein Multiversum aus? Hat es Ähnlichkeiten zu kochendem Wasser, in welchem an Inhomogenitäten ständig Dampfblasen entstehen, wobei viele von ihnen nicht die kritische Größe erreichen und sofort wieder kollabieren, während das Wachstum derjenigen Blasen, die die kritische Größe übersteigen, nicht mehr aufzuhalten ist?<br />
(Credit: Angelsharum, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Um das kosmische <i>fine-tuning</i> allerdings wahrhaftig wertschätzen zu können, möchte ich ein Beispiel dafür geben - nämlich den sogenannten "Triple-Alpha-Prozess", der im Inneren von Sternen auftritt und dafür verantwortlich ist, dass genug Kohlenstoff und Sauerstoff im Universum entstanden ist, um unser Leben zu ermöglichen. Für mich als eine Sauerstoff atmende Ansammlung <i>von </i>und kuriose Konstruktion <i>aus </i>Kohlenstoff ist es außerordentlich faszinierend, welch (wortwörtlich) kosmische Auswirkungen ein so kleiner Effekt im Rahmen der in Sternen stattfindenden Kernfusionen auf Leben im Universum hat.<br />
<br />
Was es mit dem Triple-Alpha-Prozess nun aber auf sich hat, werde ich im nächsten Beitrag erklären. Wir haben heute schon mehrere Universen erschaffen und wieder kaputt gemacht - lasst uns besser nochmals durchatmen, bevor wir dann etwas tiefer in die Teilchenphysik eindringen!</div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-34873362594839777542015-09-03T11:29:00.001+02:002015-09-21T17:49:48.542+02:00Wo war der Urknall? - Oder: Warum sich die Welt vielleicht doch um dich dreht<blockquote class="tr_bq">
"The universe has many different centers as there are living beings in it."<br />
<i>("Das Universum hat viele verschiedenen Mittelpunkte, gibt es doch lebendige Wesen darin.")</i></blockquote>
Diesen Satz formulierte Alexander Solzhenitsyn vermutlich zwar eher basierend auf gesellschaftlichen oder psychologischen Gesichtspunkten, aber warum sollten wir nicht tatsächlich die Frage stellen: <b>Wo ist der Mittelpunkt des Universums? Wo hat der Urknall stattgefunden?</b> Die Antwort wird überraschend sein!<br />
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-HayRpDm2aY8/VdR0hXKrv8I/AAAAAAAABtE/sDc01gK5FD4/s1600/einstein_quote.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="http://3.bp.blogspot.com/-HayRpDm2aY8/VdR0hXKrv8I/AAAAAAAABtE/sDc01gK5FD4/s400/einstein_quote.jpg" width="268" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">"Akzeptiert man erst das Universum als etwas, das in ein<br />
unendliches Nichts expandiert, welches wiederum etwas ist,<br />
fällt einem das Tragen von Gestreiftem mit Kariertem leicht."<br />
<i>- A. Einstein</i></td></tr>
</tbody></table>
Das Universum hat ja mit dem Urknall begonnen und dehnt sich seither aus. Da es im Allgemeinen nun selten Sinn macht, entweder nur einen Zeitpunkt und keinen Ort anzusprechen oder umgekehrt (Sätze, wie z.B. <i>"Ich war gestern um 10 Uhr."</i> sind ohne zusätzliche Angaben immerhin sehr entbehrlich!), drängt sich natürlich die Frage auf, <i>wo</i> der Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren stattgefunden hat. Passierte er irgendwo in den Tiefen des Alls, völlig fern von jedem Ort, an den ein Mensch schon jemals ein Auge geworfen hat? Oder war bei der Entstehung des Kosmos doch irgendein christliches Element im Spiel und es entsprang dem Sternbild Jungfrau? Oder hat Solzhenitsyn vielleicht Recht und der Urknall fand in jedem Einzelnen von uns statt?<br />
<br />
Faszinierenderweise lautet die Antwort "ja" - und zwar auf alle soeben gestellten Fragen!<br />
In Kürze werde ich verständlich machen, wie das möglich ist (ich habe ein paar verdeutlichende Grafiken erstellt), doch vorerst müssen wir uns kurz erinnern, woher wir eigentlich wissen, dass das Universum einen Anfang hat.<br />
<a name='more'></a><br />
<br />
Im Jahr 1929 stellte Edwin Hubble <a class="tooltip" href="https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=4638840820465010619#" title="Hubble wird meist als der alleinige Finder des "Hubble-Gesetzes" bezeichnet, obwohl Georges Lemaître bereits 1927 die besagte Proportionalität zwischen Rezessionsgeschwindigkeit und Abstand von der Erde gefunden hatte."><span title="">(1)</span></a> fest, dass sich fast alle Galaxien von uns entfernen. Herausfinden konnte er das mit Hilfe von spektroskopischen Messungen am Licht entfernter Galaxien durch die <a href="http://sebastiantempl.blogspot.com/2013/08/sternenlicht-lesen-iii-chemische.html" target="_blank">Verschiebung der Spektrallinien aufgrund des Doppler-Effekts</a>. Noch verrückter: Je weiter entfernt Galaxien sind, desto schneller entfernen sie sich von uns.<br />
<b>Die Abstände zwischen Galaxien bzw. Galaxienhaufen werden im Universum also immer größer - das Universum dehnt sich aus.</b><br />
<br />
<b>Das heißt aber gleichzeitig, dass, wenn man in der Zeit gedanklich rückwärts geht, das Universum immer kleiner wird.</b> Je weiter man in die Vergangenheit reist, desto kleiner wird es; bis man schließlich an einem Zeitpunkt angelangt ist, an dem sich das gesamte Universum in einem winzigen Punkt befindet. Wir sind nun an einem Zeitpunkt angelangt, der 13,8 Milliarden Jahre in der Vegangenheit liegt - der Zeitpunkt des Urknalls <a class="tooltip" href="https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=4638840820465010619#" title="Hubbles Beobachtung und diese Überlegungen reichen streng genommen nicht aus, um daraus auf den Urknall schließen zu können. Es könnte ja auch sein, dass sich all die Materie vor 13,8 Gigajahren zwar in einem sehr kleinen "Volumen" befand, sich aber nicht in einem "Punkt" traf, wie es für den Urknall, wie wir ihn kennen, notwendig gewesen wäre. Doch die Hubble-Expansion des Universums legt das Urknall-Modell nahe und es gibt zahlreiche andere Beobachtungen, welche jeden Zweifel am Urknall als Anfangszustand des Universum praktisch beseitigen (z. B. die kosmische Hintergrundstrahlung oder die Häufigkeiten der Elemente im Universum,...)."><span title="">(2)</span></a>.<br />
<br />
Wir schauen also ins Weltall hinaus und sehen, dass sich das meiste Zeug von uns wegbewegt, und schließen daraus auf den Urknall. <b>Aber warte mal, wenn sich alles von mir wegbewegt, heißt das dann etwa, dass der Urknall direkt <i>bei mir</i> stattgefunden hat? Bin ich der Mittelpunkt des Universums?</b><br />
Nun ja, was soll ich sagen... - Scheint so, oder?<br />
<br />
Doch was, wenn ich dir versichere, dass <i>auch ich</i> alles im Universum sich von mir entfernen sehe? Und was würdest du sagen, wenn wir unser Experiment in einem halben Jahr wiederholten, wenn die Erde sich Millionen von Kilometern weiterbewegt hat, und wir beide jeweils wieder das Gleiche feststellten - nämlich, dass wiederum jeder von uns sich selbst als den Mittelpunkt des Universums bezeichnen würde? Wie kann <i>jeder</i>, egal wo er sich im Universum befindet, in den Himmel schauen und messen, dass sich alles von ihm wegbewegt? <b>Kann jeder immer und überall am Ort des Urknalls sein?</b><br />
<br />
Vielleicht mag das alles noch verwirrend und unmöglich erscheinen, doch die Widersprüche werden sich bald auflösen! Die Erklärung ist erstaunlich simpel.<br />
<br />
Um wirklich sehen zu können, an welchem Ort der Urknall stattgefunden hat, müssten wir uns außerhalb des dreidimensionalen Raums begeben - ganz ähnlich wie beim Suchen des Zentrums eines Luftballons, wo wir auf der Gummioberfläche auch niemals fündig werden würden <a class="tooltip" href="https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=4638840820465010619#" title="Tatsächlich gibt es eine weit verbreitete Methode zur Beantwortung unserer Urknall-Frage, die einen Luftballon als Analogie nimmt. Ich werde hier aber eine andere Erklärung geben, die, meiner Meinung nach, viel eindrucksvoller ist."><span title="">(3)</span></a>. Sich aus dem dreidimensionalen Raum hinauszubefördern, geht leider nicht - nicht einmal gedanklich. (Wir können es uns einfach nicht vorstellen.)<br />
<b>Doch können wir uns einfach ein niederdimensionaleres Beispiel zurechtlegen, das wir dann auf unser 3D-Universum übertragen können: Eine <i>zwei</i>dimensionale Fläche, die wir von außen betrachten.</b><br />
<br />
Zur Veranschaulichung habe ich ein paar Grafiken erstellt. Im folgenden Bild sehen wir Punkte, die regelmäßig über unsere zweidimensionale Fläche verteilt sind. (Die Regelmäßigkeit ist durchaus repräsentativ für das Universum, da dieses <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kosmologisches_Prinzip" target="_blank">auf großen Skalen äußerst homogen</a> ist.) Die Punkte stellen Objekte im Universum dar, z.B. Galaxien. Dabei zeigt die linke Hälfte unser 2D-Universum zu einem Zeitpunkt t<sub>1</sub>, die rechte zu einem Zeitpunkt t<sub>2</sub>, wobei t<sub>2</sub> größer ("später") ist als t<sub>1</sub>. Man sieht deutlich, dass sich dieses Universum im Laufe der Zeit ausgedehnt hat. Alle Entfernungen zwischen Punkten haben zugenommen.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-MancPmm7DR0/VdOs82JhnqI/AAAAAAAABsY/w6Lz9rXA9Kc/s1600/dots_expansion_schematic_seperated.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="http://1.bp.blogspot.com/-MancPmm7DR0/VdOs82JhnqI/AAAAAAAABsY/w6Lz9rXA9Kc/s640/dots_expansion_schematic_seperated.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein zweidimensionales, modellhaftes Universum (links).<br />
Die rechte Hälfte stellt einen Schnappschuss dieses expandierenden Universums zu einem <i>späteren </i>Zeitpunkt dar.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Um die Dynamik besser sichtbar zu machen, legen wir nun die rechte Hälfte über die linke. Die schwarzen Punkte existieren nach wie vor zum Zeitpunkt t<sub>1</sub> (z.B. "jetzt"), die weißen zu t<sub>2</sub> ("in der Zukunft"). Wir nehmen an, dass die Bewohner des <i>Planiversums </i>am zentralen Punkt wohnen. Für sie ändert sich lokal mit der Zeit nichts. Also platzieren wir die rechte Bildhälfte so, dass die mittleren Punkte deckungsgleich sind. <b>Wie erwartet sehen die Bewohner des zentralen Punktes alle anderen Punkte sich entfernen.</b><br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-JIdjCGDAQDY/VdOs7RR4NAI/AAAAAAAABsk/uTYMxdm0zhs/s1600/dots_expansion_schematic_overlay_focus-center.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="http://1.bp.blogspot.com/-JIdjCGDAQDY/VdOs7RR4NAI/AAAAAAAABsk/uTYMxdm0zhs/s640/dots_expansion_schematic_overlay_focus-center.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Übereinandergelegte Schnappschüsse des 2D-Universums zu verschiedenen Zeiten aus der Sicht des zentralen Punktes.<br />
(Schwarze Punkte existieren in der Gegenwart, weiße in der Zukunft.)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Doch was beobachten die Bewohner eines anderen Punktes im selben Universum? Das lässt sich einfach veranschaulichen - verschieben wir einfach die Ebene der weißen Punkte, wobei die Abstände zwichen den Punkten gleich bleiben:<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-WG_3-CFOusM/VdOs7ewMuvI/AAAAAAAABsU/-5IO1vCbgxM/s1600/dots_expansion_schematic_overlay_focus-left.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="http://3.bp.blogspot.com/-WG_3-CFOusM/VdOs7ewMuvI/AAAAAAAABsU/-5IO1vCbgxM/s640/dots_expansion_schematic_overlay_focus-left.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Übereinandergelegte Schnappschüsse des 2D-Universums zu verschiedenen Zeiten aus der Sicht eines anderen Punktes.<br />
(Schwarze Punkte existieren in der Gegenwart, weiße in der Zukunft.)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<b><i>Oha!</i> - Auch die anderen Bewohner sehen ein Universum, das sich von der eigenen Perspektive aus gesehen gleichmäßig ausdehnt, wobei das Zentrum der Ausdehnung am eigenen Ort zu sein scheint.</b><br />
<br />
Weil es Spaß macht, habe ich noch ein paar andere Möglichkeiten durchgespielt. Seht selbst:<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://3.bp.blogspot.com/-FBnUlrEVYMw/VdOs8PClhmI/AAAAAAAABsc/IWVcgR9xt1s/s1600/dots_expansion_schematic_overlay_focus-right.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="http://3.bp.blogspot.com/-FBnUlrEVYMw/VdOs8PClhmI/AAAAAAAABsc/IWVcgR9xt1s/s400/dots_expansion_schematic_overlay_focus-right.jpg" width="400" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://3.bp.blogspot.com/-lUIoWjXkm0U/VdOs7dKPTAI/AAAAAAAABsE/lGRU3XHYmKA/s1600/dots_expansion_schematic_overlay_focus-bottom.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="http://3.bp.blogspot.com/-lUIoWjXkm0U/VdOs7dKPTAI/AAAAAAAABsE/lGRU3XHYmKA/s400/dots_expansion_schematic_overlay_focus-bottom.jpg" width="400" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://2.bp.blogspot.com/-S9nTz-lDDQU/VdOs8XTwTsI/AAAAAAAABsg/8nd9NViLUGw/s1600/dots_expansion_schematic_overlay_focus-top.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="http://2.bp.blogspot.com/-S9nTz-lDDQU/VdOs8XTwTsI/AAAAAAAABsg/8nd9NViLUGw/s400/dots_expansion_schematic_overlay_focus-top.jpg" width="400" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<b>Das Zentrum der Ausdehnung und somit der Ort, an dem der Urknall passierte, ist also an <i>jedem</i> Ort im Universum zu jeder Zeit. Das gilt analog für unser dreidimensionales Universum!</b><br />
<br />
Grund für dieses kuriose Phänomen ist die Tatsache, dass beim Urknall Zeit und Raum <i>an sich</i> entstanden sind. Diese Raumzeit war anfangs in einem winzigen Punkt vereint und hat sich im Laufe der Evolution des Universums aufgeblasen. Die Frage, <i>wo</i> der Urknall stattgefunden hat, ist also relativ sinnlos, da es vor dem Urknall keinen Raum und keine Zeit gegeben hat. <b>Da der gesamte dreidimensionale Raum am Anfang in einem einzigen <i>Punkt</i> vereint war, kann man durchaus behaupten, der Urknall habe <i>überall</i> im Universum stattgefunden.</b> Genauso könnte man aber auch sagen, der Urknall habe <i>nirgends</i> stattgefunden. Es macht für praktische Zwecke keinen Unterschied.<br />
<br />
Wenn ihr euch das nächste Mal klein und unbedeutend fühlt, schaut in den Himmel und ruft euch in Erinnerung, dass ihr (zumindest für euch) der Mittelpunkt des Universums seid.<br />
Und solltet ihr in Zukunft jemandem begegnen, der sich zu sehr so benimmt, als würde sich die Welt um ihn drehen, zieht in Betracht, dass dieser das Konzept der Hubble-Expansion vielleicht nicht vollständig verstanden hat, und verweist ihn auf meinen Blog!<br />
<br />
<br />
<hr />
<i><br /></i>
<i>Bemerkung: Die hier beschriebene Hubble-Expansion hat in erster Linie noch nichts mit der beschleunigten Expansion des Universums zu tun, die vor nicht allzu langer Zeit eingesetzt hat und mit der "<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Energie" target="_blank">Dunklen Energie</a>" in Verbindung gebracht wird.<br />Außerdem: Der Ausdruck "Mittelpunkt des Universums" bezieht sich in diesem Artikel auf das Zentrum des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Beobachtbares_Universum" target="_blank">"sichtbaren Universums"</a>, welches nicht notwendigerweise mit jenem des gesamten Universums identisch sein muss.</i><br />
<i><br /></i>
Fußnoten:<br />
<span style="font-size: x-small;">(1) Hubble wird meist als der alleinige Finder des "<a href="http://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/hubble-gesetz/187" target="_blank">Hubble-Gesetzes</a>" bezeichnet, obwohl Georges Lemaître bereits 1927 die besagte Proportionalität zwischen Rezessionsgeschwindigkeit und Abstand von der Erde gefunden hatte.</span><br />
<span style="font-size: x-small;"><br /></span>
<span style="font-size: x-small;">(2) Hubbles Beobachtung und diese Überlegungen reichen streng genommen nicht aus, um daraus auf den Urknall schließen zu können. Es könnte ja auch sein, dass sich all die Materie vor 13,8 Gigajahren zwar in einem sehr kleinen "Volumen" befand, sich aber nicht in einem "Punkt" traf, wie es für den Urknall, wie wir ihn kennen, notwendig gewesen wäre. Doch die Hubble-Expansion des Universums legt das Urknall-Modell nahe und es gibt zahlreiche andere Beobachtungen, welche jeden Zweifel am Urknall als Anfangszustand des Universum praktisch beseitigen (z. B. die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hintergrundstrahlung" target="_blank">kosmische Hintergrundstrahlung</a> oder die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_H%C3%A4ufigkeiten_chemischer_Elemente" target="_blank">Häufigkeiten der Elemente im Universum</a>,...).</span><br />
<span style="font-size: x-small;"><br /></span>
<span style="font-size: x-small;">(3) Tatsächlich gibt es eine weit verbreitete Methode zur Beantwortung unserer Urknall-Frage, die einen <a href="http://scienceblogs.com/startswithabang/files/2012/08/expanding.jpg" target="_blank">Luftballon als Analogie</a> nimmt. Ich werde hier aber eine andere Erklärung geben, die, meiner Meinung nach, viel eindrucksvoller ist.</span>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-631712954577945582015-08-16T12:50:00.000+02:002015-08-16T12:56:24.802+02:00Das hat euch besonders gefallen + status quo dieses BlogsIn diesem Blog ist es ja leider meinerseits etwas ruhig geworden. Der Grund für meine wenigen Beiträge in der letzten Zeit besteht ganz einfach darin, dass ich immer seltener Zeit finde zu schreiben. Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, fließt in meine Artikel meistens viel Denkarbeit und Vorbereitungszeit. Es kann dabei schon vorkommen, dass ein Beitrag mehrere Wochen entwurfartig in meinem Kopf umhergeistert, bevor ich ihn in Realität umsetze - ein Prozess, in dem sich die Struktur und der Inhalt des Textes oft mehrmals ändern. In einer solchen Entstehungsphase ist es für mich natürlich dann immer wieder mal notwendig, dass ich vom Alltag Abstand nehmen und mich gedanklich ausreichend dem Grübeln über zukünftige Blogartikel widmen kann.<br />
Leider war es in den letzten Monaten nur selten möglich, meinen Kopf für diese Art des Grübelns freizumachen, da vor allem mein Studium enorme Mengen an geistiger Hingabe erforderte.<br />
<br />
<b>Wie dem auch sei...</b><br />
...der Grund für diesen kurzen Eintrag ist der folgende: Ich habe mein Blog-Projekt <i>nicht </i>auf Eis gelegt und es wird sich für euch weiterhin lohnen, in Zukunft immer wieder vorbeizuschauen. Die Frequenz, mit der ich Beiträge veröffentliche, ist zwar im Moment sehr unregelmäßig, doch das wird sich hoffentlich wieder einpendeln.<br />
<br />
<b>An dieser Stelle möchte ich bereits jetzt schon einen meiner nächsten Artikel ankündigen</b>, für welchen ich erneut ein Beispiel aus der Welt der Physik gefunden habe, das die Naturgesetze der kleinsten Skalen mit Phänomenen unserer makroskopischen Welt verbindet. Konkret wird es um einen Zusammenhang zwischen Quantenmechanik und Weltklima gehen. Hoffentlich kann ich euch mit meiner Begeisterung für solche auf den ersten Blick undenkbare Verbindungen anstecken!<br />
Der Text wird im Online-Magazin <a href="http://www.kirtag.org/" target="_blank">KIRTAG</a> erscheinen (und natürlich auch hier im Blog verlinkt werden!). Er ist bereits abgeschickt und wartet auf seine Veröffentlichung.<br />
<br />
Für alle, die nicht mehr länger auf den nächsten Post warten wollen, habe ich eine gute Nachricht: <b>Ab sofort gibt es eine Übersicht über die beliebtesten Beiträge der letzten Jahre.</b> Ihr findet sie in der Menüleiste bzw. gleich hier im Anschluss.<br />
Jeweils für das Jahr 2013 und 2014 habe ich die Archive durchsucht und die fünf beliebtesten und meistgelesenen Artikel hervorgeholt. Zusätzlich gibt es für jedes Jahr fünf weitere Artikel, die ich persönlich empfehlen und noch einmal hochleben lassen möchte, bevor sie irgendwann endgültig in den Tiefen des Archivs verschwinden.<br />
Viel Spaß beim Schmökern in diesen früheren Texten! Ich bin sicher, ihr findet den einen oder anderen Eintrag, den ihr bislang noch nicht kanntet!<br />
<br />
<ul>
<li><a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/p/beliebteste-beitrage-2013.html" target="_blank"><b>Beliebteste Beiträge 2013</b></a></li>
<li><a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/p/beliebteste-beitrage-2014.html" target="_blank"><b>Beliebteste Beiträge 2014</b></a></li>
</ul>
<div>
<br /></div>
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<b>Habt ihr außerdem Anregungen, Fragen, Kritikpunkte zu bestimmten Artikeln oder wollt ihr in Zukunft etwas über ein spezielles Thema lesen? Lasst es mich wissen - am besten durch ein Kommentar im Blog!</b> Gerne könnt ihr mich natürlich auch auf anderen Wegen kontaktieren, Möglichkeiten gibt es ja genügend.<br />
<br />
Wir lesen dann voneinander! Bleibt neugierig!<br />
<br /></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-50299805847628197542015-04-23T19:26:00.000+02:002015-04-24T21:05:35.786+02:00Die Suche nach der Weltformel lohnt sich! - Meine Antwort auf Prof. Taschners Presse-Beitrag<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<div dir="ltr" style="line-height: 1.38; margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
</div>
<span style="font-size: large;"><b><br /> Sehr geehrter Herr Taschner!</b></span><br />
<div style="line-height: 1.38;">
<span style="background-color: transparent; color: black; font-family: Arial; font-size: 15px; font-style: normal; font-variant: normal; font-weight: normal; text-decoration: none; vertical-align: baseline; white-space: pre-wrap;"><br class="kix-line-break" /></span>
</div>
Von der Überschrift “Die Suche nach der Weltformel ist keinen Groschen Einsatz wert” neugierig gemacht, habe ich Ihren <a href="http://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/rudolftaschner/4703983/Die-Suche-nach-der-Weltformel-ist-keinen-Groschen-Einsatz-wert">Presse-Beitrag vom 8.4.2015</a> gelesen, in welchem Sie behaupten, die physikalischen Experimente am CERN hätten “nichts mit der Welt zu tun, in die wir hineingeboren wurden” und würden zu große Mengen an Steuergeldern verschlingen, ohne der Bevölkerung etwas zurückgeben zu können. Anstatt Geld “an den [sic] CERN zu verschleudern”, müsse Ihrer Meinung nach in “Physik mit Hand und Fuß” investiert werden - in Lehre und Forschung, die sich “mit Phänomenen auseinandersetzt, die uns wirklich betreffen”.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="line-height: 1.38; margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-3jQH__yiwtA/VTknNXHqUeI/AAAAAAAABkc/NIxw92qrM6A/s1600/cms_detector_rdax_1200x800.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-3jQH__yiwtA/VTknNXHqUeI/AAAAAAAABkc/NIxw92qrM6A/s1600/cms_detector_rdax_1200x800.jpg" height="266" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der CMS-Detektor am Kernforschungszentrum CERN - eines jener<br />
Forschungsprojekte, an dem Österreich stark beteiligt ist und dadurch beispielsweise<br />
wesentlich zur Entdeckung des Higgs-Teilchens im Jahr 2012 beigetragen hat.<br />
(Credit: CERN)</td></tr>
</tbody></table>
</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
Ich muss zugeben, nach dem Lesen Ihrer so klaren Worte war ich - gelinde formuliert - völlig verblüfft. Selten hört man eine solch scharfe und allumfassende Kritik an moderner Wissenschaft von einem renommierten Mathematikprofessor der Technischen Universität Wien. Noch seltener aber kommt es vor, dass - wie im Fall Ihres Presse-Artikels - eine solche Kritik auf so vielen Ebenen so fehl am Platz, zum Teil falsch und zutiefst besorgniserregend ist. Mit Ihren Aussagen greifen Sie nämlich nicht nur die “Physiker am CERN”, sondern vielmehr den gesamten Geist der Naturwissenschaften an. Einen derartigen Rundumschlag und Frontalangriff auf die Physik und all ihre benachbarten Disziplinen angemessen und in der notwendigen Ausführlichkeit zu kommentieren, ist in dieser kurzen Form unmöglich. Ich kann es aber nicht unversucht lassen!<br />
<a name='more'></a></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
Die Gründung des europäischen Kernforschungszentrums CERN liegt bereits mehr als 60 Jahre in der Vergangenheit. Seither ist die Liste an Entdeckungen, die dort gemacht wurden, gewachsen und enthält prominente Funde, wie z. B. die W- und Z-Bosonen (Vermittlerteilchen der <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Schwache_Wechselwirkung"><i>Schwachen Wechselwirkung</i></a>) oder das erst 2012 nachgewiesene <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Higgs-Boson">Higgs-Boson</a>. Alle hier genannten Teilchen sind Vertreter des “Standardmodells der Teilchenphysik”, das Modell, das erfolgreich den Aufbau und die Wechselwirkungen der uns aufbauenden und umgebenden Materie beschreibt. Obwohl das Standardmodell der Teilchenphysik “nur” 5 Prozent des Materie- und Energieanteils des gesamten Universums zu beschreiben vermag, behaupten Sie, es gäbe nun nichts mehr Lohnenswertes zu entdecken.<br />
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<span style="color: black; font-family: Arial;"><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-egzNDWRoalA/VTkbTzt8Q1I/AAAAAAAABkA/oImTyirttm4/s1600/me-content_universe.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-egzNDWRoalA/VTkbTzt8Q1I/AAAAAAAABkA/oImTyirttm4/s1600/me-content_universe.jpg" height="211" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Materie- bzw. Energieanteil des heutigen Universums.<br />
Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt die<br />
hier mit "Atome" bezeichneten 4,9 Prozent.</td></tr>
</tbody></table>
</span>Sie werfen den Physikern vor, dass ihre Forschung nichts mehr mit der Realität zu tun hätte, und stellen (zu meiner Verblüffung) den Geist der modernen Suche nach <i>Physik jenseits des Standardmodells</i> jenem der Entdeckung der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik gegenüber - ganz so, als würden sich die anfänglichen Motivationen zur Erforschung dieser Theorien unterscheiden. Eine solche Unterscheidung gibt es aber nicht!<br />
<br />
Immer, wenn Physiker auf ein Phänomen stoßen, das sich nicht mit Hilfe der bekannten Modelle erklären lässt, versuchen sie, ein besseres Modell bzw. eine bessere Theorie zu finden, welche sowohl alle bisherigen als auch die neue Beobachtung zu beschreiben vermag. Aus dem Versuch, die Strahlung eines schwarzen Körpers zu verstehen, entstand (wie Sie bereits angemerkt haben) die Quantenmechanik. Aus den theoretischen Überlegungen Einsteins entstanden die beiden Relativitätstheorien, die nicht nur eine elegante Lösung für die damalige Ätherproblematik darstellen, sondern auch eine Vielzahl alter und neuer Phänomene mit erstaunlicher Präzision beschreiben. Der “Aufbruch ins Dunkle Universum” ist - ganz im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrem Text behaupten - gleichermaßen motiviert: So beobachten wir etwa Rotationen von Galaxienhaufen, <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/08/das-universum-im-duschwasser.html">die ganz und gar nicht durch unsere bestehenden Modelle erklärt werden können</a>. Nach gründlicher Untersuchung mussten wir schlussfolgern, dass die plausibelste Erklärung für die Rotationsanomalien die Existenz einer neuen Form von Materie (der sog. "Dunklen Materie") darstellt. Genaue Analysen der Lichtspektren weit entfernter Sterne zeigen, dass das Universum beschleunigt (!) expandiert, was am einfachsten durch das Einführen einer “kosmologischen Konstante” in Einsteins Feldgleichungen charakterisiert wird. All diese Beobachtungen und Konzepte ließen uns etwa das <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Lambda-CDM-Modell"><i>Lambda-CDM-Modell</i></a> formulieren. Dieses “Standardmodell der Kosmologie” beschreibt die Entwicklung des Universums seit dem Urknall mit beeindruckender Genauigkeit. Dabei können wir sogar viele Aussagen über die Eigenschaften des “Dunklen Universums” machen, obwohl uns dieses experimentell bislang unzugänglich ist. Beispielsweise hat Dunkle Materie grundlegend zur Strukturbildung im frühen Universum beigetragen - ohne Dunkle Materie würden wir alle vermutlich nicht existieren und ich würde mich nicht so sehr über Ihre Aussage ärgern, die moderne Physik hätte nichts mit der Wirklichkeit zu tun.</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div style="line-height: 1.38;">
</div>
Im Laufe der Jahrhunderte haben die Ergebnisse unserer systematischen Untersuchung der Natur immer und immer wieder unsere Weltbilder zerschmettert und uns zum radikalen Umdenken gezwungen. Es war ein langer Weg von jener Welt, die für uns geschaffen worden zu sein und im Mittelpunkt des Kosmos’ zu ruhen schien, zu dieser Welt, deren Winzigkeit und Irrelevanz in Anbetracht der Enormität des Universums zu übertreiben schier unmöglich erscheint. Dabei wurden wir unzählige Male aufgrund neuer Erkenntnisse und der überwältigenden experimentellen Beweislage zum Umdenken gezwungen. Wenn uns die Geschichte in dieser Hinsicht etwas gelehrt hat, dann die Tatsache, dass uns der Hausverstand und unser Wunschdenken bei der Erforschung unserer Welt fast immer im Wege stehen.<br />
<div style="line-height: 1.38;">
<b style="font-weight: normal;"><br /></b>
</div>
Ließen unsere Theorien die Existenz mehrerer Universen nicht so plausibel erscheinen, würden wir Physiker diese Idee wohl nicht so laut verkünden. Wissen wir, ob es tatsächlich mehrere Universen gibt? - Nein. Wissen <i>Sie</i>, ob es mehrere Universen gibt? - Nein! Also wie können Sie so sicher sein, diese Möglichkeit hätte bestimmt nichts mit der Realität zu tun?<br />
Sie könnten natürlich Recht behalten, sollte eines Tages ein Experiment diese Theorie widerlegen. Doch bis dahin sollte sich niemand anmaßen, etablierte physikalische Theorien und Konzepte aufgrund persönlicher Vorlieben als unrealistisch, falsch oder nicht erforschenswert zu bezeichnen. Bei allem Respekt, das sollten auch Sie nicht, Herr Taschner!<br />
Es ist mir völlig unverständlich, wie Sie modernen physikalischen Experimenten (wie eben z. B. jenen am CERN) den Realitätsbezug absprechen können. Was sind solche Experimente, wenn nicht die Konfrontation der Theorie mit der Wirklichkeit? Was sind sie, wenn nicht der ultimative “Realitäts-Check” für wilde und spekulative Ideen? Die Behauptung, wir sollten uns mit den bekannten fünf Prozent unseres Universums zufrieden geben und alles andere sei “abstract nonsense”, grenzt an Arroganz.<br />
<br />
Gegen Ende Ihres Beitrages schreiben Sie, dass es “Physik mit Hand und Fuß, die sich mit Phänomenen auseinandersetzt, die uns wirklich betreffen, die den Ingenieuren dienlich ist”, sein soll, die finanzielle Förderung erhält. Was Sie hier in schönen Worten sagen, ist, dass wir aufhören, in Grundlagenforschung zu investieren, und die finanziellen Mittel stattdessen in angewandte, zweckorientierte Forschung stecken sollten. Während letztgenannte Art der Forschung an sich natürlich überhaupt nichts Schlechtes ist, ist Ihre Position zu diesem Thema dennoch eine höchst besorgniserregende!</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<div style="line-height: 1.38;">
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; line-height: 1.38; margin-right: 1em;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-oSEqAQ6oLHU/VTkjwNg7ymI/AAAAAAAABkQ/7vSxt1xJ9oI/s1600/KAEST-20140217-020-022_HDR_300.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-oSEqAQ6oLHU/VTkjwNg7ymI/AAAAAAAABkQ/7vSxt1xJ9oI/s1600/KAEST-20140217-020-022_HDR_300.jpg" height="186" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Synchrotron am MedAustron, einem der modernsten Zentren<br />
für Ionentherapie in Wiener Neustadt. Hier (u.a.) kommen<br />
Technik und Know-how aus der Teilchenphysik und<br />
dem CERN direkt der Bevölkerung zu Gute.<br />
(Credit: MedAustron)</td></tr>
</tbody></table>
</div>
Behaupten Sie, was Sie wollen, aber keine Grundlagenforschung zu betreiben, bedeutet über kurz oder lang Stillstand - technologischen und wirtschaftlichen. Auch Ihre Sorge, die zahlende Bevölkerung hätte keine Vorteile von der Grundlagenforschung, ist unbegründet. Vor allem Grundlagenforschung im Bereich der Teilchenphysik, wo Wissenschaftler und Ingenieure tagtäglich an die Grenzen des technisch Machbaren stoßen, <a href="https://youtu.be/5UxBFWPJKeI">erfordert und fördert Innovationen, die unmittelbar wieder der Gesellschaft zukommen</a>. Eines der wohl meistzitierten Beispiele hierfür ist die Technik, die im medizinischen Bereich (z. B. Magnetresonanztomographie (MRI), <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2013/10/protonenkanonen-in-wiener-neustadt-oder.html">Bestrahlungstherapie</a>, u.v.m.) zum Einsatz kommt und deutlich die Lebensqualität eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung erhöht. Die Liste an ähnlichen Beispielen ist nahezu endlos lang.<br />
Fest steht, dass Grundlagenforschung und Teilchenphysik für die Gesellschaft wichtig sind, wie Ihnen unter anderem <a href="https://www.youtube.com/playlist?list=PLVuf4hejm7rWnVsRcULB6wlrW3k6klOes">jedes dieser Kurzvideos des <i>Symmetry Magazine</i></a><a href="https://www.youtube.com/playlist?list=PLVuf4hejm7rWnVsRcULB6wlrW3k6klOes">s</a> versichern wird.</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br />
Leider hat es den Anschein, dass Ihre Kritik bei der Teilchenphysik nicht Halt macht, sondern es sich, wie bereits weiter oben angesprochen, um einen Frontalangriff auf die gesamte Physik, die gesamten Naturwissenschaften und die gesamte Grundlagenforschung handelt. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn ein “Nicht-Experte” über einen Fachbereich urteilt, in welchem er nicht aktiv arbeitet - vor allem dann, wenn er eine Position als bekannter Akademiker innehat. Sie kennen sich im Bereich der Physik unzweifelhaft besser aus als der Durchschnittsbürger, aber Sie würden sich nicht als Experte in diesem Gebiet bezeichnen können.<br />
Ich selbst bekomme aufgrund meines Studiums Einblicke in die Welt der Mathematik, die weitaus tiefgründiger sind als jene des durchschnittlichen Steuerzahlers. Natürlich würde ich mich niemals als Mathematik-Experte bezeichnen. Im Gegensatz zu Ihnen würde ich aber auch niemals Grundlagenforschung im Bereich der Mathematik verteufeln, obwohl man - klischeehaft gesprochen - besonders den Mathematikern oft Realitätsferne vorwerfen könnte. (Mir ist an dieser Stelle durchaus bewusst, dass das Ziel der Mathematik nicht, wie im Fall der Physik, die Beschreibung der Natur ist.) Es gibt auch im Bereich der Mathematik zahlreiche Beispiele für die späte Anwendung anfänglich rein abstrakter Forschung, ohne die unser Alltag anders aussehen würde - eben genauso wie in der Physik.</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br />
<div style="line-height: 1.38;">
</div>
Nun würde mich Eines interessieren, Herr Taschner: Soll Ihrer Meinung nach Grundlagenforschung im Bereich Mathematik aufhören? Nach allem, was Sie in Ihrem Beitrag geschrieben haben, müssen Sie diese Frage unausweichlich mit “ja” beantworten. Doch wäre das nicht eine überaus unzufriedenstellende, nicht akzeptable Antwort?<br />
<br />
Ich komme nun zu meinem letzten und für mich stärksten Argument gegen Ihre Forderungen.<br />
Was wären wir für Menschen, wenn wir aufhörten, Fragen über unsere Welt zu stellen, und wenn wir wirtschaftliches Denken Fragen, wie “Woher kommen wir und alles andere im Universum?”, “Wie ist das Universum, in dem wir leben, beschaffen?” oder “Wird es eines Tages enden?”, voranstellten? Welches Bild von der Welt sollten wir uns in diesem Fall machen? (Sollten wir wieder in eine Welt zurückkehren, in der wir uns von Autoritäten oder religiösen Institutionen vorschreiben lassen, was “wahr” und was “falsch” ist?) Es sind die fundamentalen Fragen, die uns Menschen seit jeher antreiben. Es sind diese Fragen, die Menschen wie mich letztendlich motivieren, jeden Tag aufzustehen und etwas zu schaffen.<br />
Kinder fragen unaufhörlich, und sie wollen Antworten. Nicht selten sind es Antworten, die auch heute noch an vorderster Forschungsfront mit höchstem Einsatz gesucht werden. Erwachsene haben in vielen Fällen aufgehört, aktiv nach Antworten auf die fundamentalen Fragen zu suchen, doch das Interesse an der Beschaffenheit der Realität ist dennoch tief in ihnen verwurzelt, wie ich in vielen Situationen selbst erlebt habe.<br />
Wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit, in der wir viele dieser Fragen zwar nicht (wie Sie richtig bemerkt haben) mit <i>absoluter</i> Sicherheit beantworten können, aber Modelle und Konzepte der Welt erstellen können, deren Wahrheitsgehalt und Realitätsnähe in der Tat <i>höchst plausibel</i> sind. Keine andere Disziplin neben der Physik vermag, dies in einem solch beachtlichen Ausmaß zu tun!</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br />
Abschließend bleibt mir nur noch festzuhalten, dass ich aufrichtig hoffe, dass Sie Ihre Meinung zum Thema Grundlagenforschung (v.a. in der Physik) noch einmal überdenken. Wir dürfen nicht aufhören, neugierig zu sein, und die Welt mit einem offenen und kritischen Geist zu erkunden - oder in anderen Worten: Grundlagenforschung zu betreiben! Hören wir damit auf, stirbt einer unserer wohl menschlichsten Züge. Über kurz oder lang würde dies nicht nur Stillstand bedeuten, sondern vielmehr sogar gewaltige gesellschaftliche Rückschritte.</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
Und am Anfang all dieser Entwicklungen würde ein harmlos erscheinender Gedanke stehen - nämlich der Gedanke, wir wüssten schon genug über die Welt und ihre weitere Erforschung würde sich nicht lohnen.</div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
<br /></div>
<div dir="ltr" style="margin-bottom: 0pt; margin-top: 0pt;">
Mit freundlichen Grüßen,<br />
Sebastian Templ<br />
<br /></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-3924174398911848212015-01-30T12:36:00.000+01:002015-02-04T00:42:59.821+01:00Quantenverschränkung und spukhafte Fernwirkung<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-WwHd-wNksnA/VMrPgoxyVYI/AAAAAAAABhE/zfT2_z0VMG8/s1600/zeilinger.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-WwHd-wNksnA/VMrPgoxyVYI/AAAAAAAABhE/zfT2_z0VMG8/s1600/zeilinger.jpg" height="213" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Prof. Anton Zeilinger aka "Mr. Beam".<br />
Ihm und seinem Team gelang 1977 erstmals<br />
die Teleportation von Quantenzuständen.<br />
(Credit: Jaqueline Godany)</td></tr>
</tbody></table>
Verglichen mit meinen bisherigen Blogartikeln ist der heutige anderer Natur.<br />
<div>
Anstelle von langen Texten, in denen ich versuche, Phänomene und Erkenntnisse aus dem Bereich der Physik <i>mit Worten</i> zu beschreiben und verständlich darzustellen, tritt heute ein Video. (Allerdings biete ich dabei etwas mehr als nur ein schnell hier eingebettetes Video.)</div>
<div>
<br /></div>
<div>
Ich wollte immer schon über diesen einen kuriosen Effekt der <i>quantenmechanischen Verschränkung</i> schreiben - ein Phänomen, das man nutzen kann, um Quantenzustände zu teleportieren, Quantenkryptografie zu betreiben oder vielleicht sogar irgendwann einmal dazu, Quantencomputer zu bauen -, hatte jedoch nie Zeit, die nötigen grafischen Hilfsmittel zu erstellen, ohne die meine Erklärungen mit Sicherheit zu kompliziert geworden wären.</div>
<div>
<b>Nun hat in der Zwischenzeit Derek Muller vom YouTube-Kanal <a href="https://www.youtube.com/user/1veritasium" target="_blank">Veritasium</a> ein Video veröffentlicht, in welchem er genau diesen Effekt der Quantenverschränkung erklärt</b> - und das auf eine Weise, die ich in ihrer Klarheit und Einfachheit wohl nie in einem textbasierten Blogartikel übertreffen kann. Warum also noch darüber schreiben, wenn ich stattdessen auf das Video verweisen kann?</div>
<div>
<br /></div>
<div>
Da es sich bei meinem Blog um einen deutschsprachigen handelt und Dereks Erklärungen auf Englisch sind, habe ich übrigens Vorarbeit geleistet und diese auf Deutsch übersetzt. <b>Falls gewünscht, könnt ihr bei diesem Video also ab sofort deutsche Untertitel einschalten.</b> (Die Untertiteloptionen befinden sich im rechten Abschnitt der unteren Video-Menüleiste.)</div>
<div>
<br /></div>
<div>
Nun möchte ich euch aber nicht mehr länger vom Schauen dieses großartigen Videos abhalten.</div>
<div>
Viel Vergnügen beim Kennenlernen eines äußerst verrückten, allerdings realen Quanteneffektes! Sagt mir danach, was ihr darüber denkt!</div>
<div>
<br /></div>
<div>
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<b><a href="http://youtu.be/ZuvK-od647c" target="_blank">"Quantum Entanglement & Spooky Action at a Distance" von Veritasium:</a></b></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<iframe allowfullscreen="" class="YOUTUBE-iframe-video" data-thumbnail-src="https://ytimg.googleusercontent.com/vi/ZuvK-od647c/0.jpg" frameborder="0" height="450" src="http://www.youtube.com/embed/ZuvK-od647c?feature=player_embedded" width="650"></iframe></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-65926129302616426242015-01-18T10:00:00.000+01:002015-01-30T13:07:48.085+01:00Dunkle Materie - ein herausragendes Porträt<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-at8KULgvlwM/VLErDVDd_lI/AAAAAAAABf8/s4lL3LONZLY/s1600/moleculeman.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-at8KULgvlwM/VLErDVDd_lI/AAAAAAAABf8/s4lL3LONZLY/s1600/moleculeman.jpg" height="400" width="266" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">"Molecule Man" (Berlin, 2013)<br />
(Credit: <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Avda" target="_blank">Avda</a>, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<i>Alles, was wir jeden Tag um uns herum sehen, mag auf den ersten Blick unglaublich vielseitig und verschieden aussehen. Die Straße unterscheidet sich deutlich vom nächsten Mitmenschen, der auf ihr geht. Das Gebäude nebenan sieht so ganz anders aus als die Sonne. Dein elektronisches Gerät, das diesen Text soeben darstellt, scheint in erster Linie gar nichts mit der umgebenden Luft, die es zur Kühlung verwendet, zu tun zu haben.</i><br />
<br />
Obwohl in unserer makroskopischen Welt natürlich grundverschieden, so sind all diese Dinge auf der kleinsten Ebene nicht wirklich unterschiedlich - sie alle bestehen aus den subatomaren Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik. Die Protonen und Neutronen in den Atomkernen werden aus drei noch kleineren Teilchen aufgebaut, den sog. "Quarks" <a href="#" class="tooltip" title="Protonen bestehen jeweils aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark, Neutronen jeweils aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks. Neben Up- und Down-Quarks gibt es außerdem die schwereren Quark-Versionen des Charm- bzw. Strange-Quarks und des Top- bzw. Bottom-Quarks."><span title="">(1)</span></a>. Neben den Quarks gibt es noch die sog. Leptonen, deren wohl berühmtester Vertreter das Elektron ist - jener Atombestandteil, der wesentlich die physikalischen und chemischen Eigenschaften von all dem Zeug in der Welt bestimmt. Quarks und Leptonen müssen noch durch jene Teilchen, die die vier Grundkräfte der Natur <a href="#" class="tooltip" title="elektromagnetische Wechselwirkung, schwache WW, starke WW, Gravitation"><span title="">(2)</span></a> kommunizieren, und durch das Higgs-Teilchen <a href="#" class="tooltip" title="eine Art Selbstanregung des Higgs-Feldes, welches mit bestimmten Teilchen interagiert und diesen dadurch Masse verleiht"><span title="">(3)</span></a> erweitert werden, um das soeben erwähnte Standardmodell der Teilchenphysik zu bilden. Zählt man dessen Teilchen erst einmal ab, kommt man auf insgesamt 61 Stück <a href="#" class="tooltip" title="Zusätzlich zu Typ und Generation eines Elementarteilchens sind beim Abzählen noch Antiteilchen und eine weitere fundamentale Eigenschaft namens “Farbladung” zu beachten. So gibt es z.B. drei Generationen von Quarks zu jeweils zwei Typen (Up+Down, Charm+Strange, Top+Bottom), welche jeweils Antiteilchen besitzen und in drei “Farben” kommen. (3×2 Teilchen + 3×2 Antiteilchen) × 3 Farben = 36 Quarks."><span title="">(4)</span></a>. Das klingt einerseits nach einer großen Menge Teilchen, andererseits ist es doch erstaunlich, dass es uns gelungen ist, die gesamte uns bekannte, materielle Welt auf diese paar Teilchen zu reduzieren. <i>(Falls jemand von dieser Kurzzusammenfassung des Standardmodells eben nichts verstanden hat, macht das nichts. Ab jetzt wirds schon wieder einfacher!)</i><br />
<br />
Obwohl wir alles, was wir im Universum sehen können, nun zumindest im Prinzip kennen, können wir uns wohl kaum auf unserem Erfolg ausruhen, denn wir wissen heute, dass die physikalischen Modelle nur etwa 4,9 Prozent seines gesamten Materie- bzw. Energieanteils zu beschreiben vermögen.<br />
<a name='more'></a><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-yNAsPHLBmhQ/VLErmk3cdaI/AAAAAAAABgE/hxaQ1GVonO8/s1600/sm_particlephysics.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-yNAsPHLBmhQ/VLErmk3cdaI/AAAAAAAABgE/hxaQ1GVonO8/s1600/sm_particlephysics.png" height="383" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das Standardmodell der Teilchenphysik<br />
(Credit: <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/User:MissMJ" target="_blank">MissMJ</a>, derivative work: <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Polluks" target="_blank">Polluks</a>, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
<b>Woraus bestehen die restlichen 95 % des Universums?</b><br />
<br />
Wirklich wissen tut das niemand, zugegebenermaßen. Das kommt mitunter dadurch zum Ausdruck, dass wir diesen Teil als das "Dunkle Universum" bezeichnen. Immerhin wir können heute aber mit großer Sicherheit sagen, dass 26,8% des Materie-Energie-Gehalts des Universums aus Dunkler Materie und 68,3% aus Dunkler Energie bestehen. Wir können weder Dunkle Materie noch Dunkle Energie direkt sehen, dennoch gibt es zahlreiche handfeste und überzeugende Hinweise auf ihre Existenz <a href="#" class="tooltip" title="Ein Indiz für das Vorhandensein Dunkler Energie ist etwa die beschleunigte Expansion des Universums. In diesem Text möchte ich mich jedoch vorwiegend auf Dunkle Materie konzentrieren."><span title="">(5)</span></a>.<br />
<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/08/das-universum-im-duschwasser.html" target="_blank">Einen experimentellen Hinweis auf Dunkle Materie habe ich in einem früheren Artikel beschrieben</a>, in welchem ich den Wasserwirbel über dem Abfluss mit dem Rotationsverhalten von Galaxien verglichen habe. Diesen Text zusammenfassend kann man in etwa sagen, dass Galaxien und ganze Haufen von Galaxien <i>zu schnell</i> rotieren, um nicht auseinandergerissen zu werden. Oder in anderen Worten: Die sichtbare Materie in den Galaxien und Galaxienhaufen reicht nicht aus, um die schnell rotierende Materie zusammenhalten zu können. Eine plausible Erklärung dafür: Es gibt <i>mehr</i> Materie in diesen kosmischen Gebilden, als wir sehen können - die Dunkle Materie. Sie ist relativ gleichmäßig um die Galaxien verteilt und bildet <a href="http://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File%3AArtist%E2%80%99s_impression_of_the_expected_dark_matter_distribution_around_the_Milky_Way.ogv" target="_blank">einen Halo der ca. zehnfachen Galaxiengröße</a>.<br />
<br />
Dunkle Materie wechselwirkt mit unserer sichtbaren ("Standardmodell-")Materie <i>nicht</i> elektromagnetisch (das ist der Grund für ihre Unsichtbarkeit - denn Licht ist immerhin nichts anderes als eine elektromagnetische Welle), aber sie interagiert sehr wohl gravitativ! Somit ziehen "normale" und Dunkle Materie einander durch die Gravitation an, jedoch spürt letztere nichts von der (vergleichsweise viel stärkeren) elektromagnetischen Wechselwirkung. Diese Tatsache ist von entscheidender Bedeutung für die Erklärung des folgenden Bildes, welches einen weiteren und gleichzeitig einen der stärksten Hinweise auf die Existenz Dunkler Materie darstellt. Vielleicht seid ihr nach der folgenden Bildbeschreibung genauso fasziniert wie ich von der Tatsache, <i>wie viel</i> wir bereits über etwas, das wir nicht einmal sehen können, zu sagen vermögen.<br />
<br />
<br />
<b>Einer der überzeugendsten Hinweise auf Dunkle Materie: Der Bullet-Cluster.</b><br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-AhIEO2ntS-c/VLEsNWEUCqI/AAAAAAAABgQ/wPANuzlAm68/s1600/bulletcluster.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-AhIEO2ntS-c/VLEsNWEUCqI/AAAAAAAABgQ/wPANuzlAm68/s1600/bulletcluster.jpg" height="462" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Einer der überzeugendsten bisher gefundenen Hinweise auf Dunkle Materie: der Bullet-Cluster (Montage aus verschiedenen Aufnahmen).<br />
(blau: Dunkle Materie, rot: Standardmodell-Materie)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Das Bild zeigt den Bullet-Cluster. Es handelt sich dabei um zwei Galaxien, die gerade eine Kollision hinter sich haben - sich also<a href="http://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File%3AAndromeda_and_Milky_Way_collision.ogg" target="_blank"> jeweils durch die andere Galaxie bewegt haben und sich nun wieder voneinander entfernen</a>. Besonders interessant bei dieser Konstellation sind die Verteilungen von "normaler" und Dunkler Materie! Das, was im Bild rötlich hervorgehoben ist, stellt die "normale", sichtbare Materie dar. Die blauen Bereiche sind Abschätzungen der Verteilung der Dunklen Materie. Es ist alles andere als einfach, die Aufenthaltsorte der Dunklen Materie zu identifizieren - sie ist ja unsichtbar. Man muss sich also indirekter Beobachtungen bedienen und auf diese Art Rückschlüsse auf ihre Verteilung ziehen. Eine dieser Methoden ist jene der Beobachtung von Gravitationslinseneffekten, <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/12/finden-was-man-nicht-sehen-kann-mit.html" target="_blank">welche ich in meinem letzten Artikel ausführlicher beschrieben habe</a>. Kurz gesagt betrachtet man die Umgebung einer großen Masseansammlung (wie z.B. die des Bullet-Clusters) und sucht nach "Verschmierungen" der umgebenden Galaxien und Sterne. Diese "Verschmierungen" rühren daher, dass das Licht dieser Hintergrundobjekte auf dem Weg zur Erde durch die Raumzeit-Krümmung, die vom massiven Objekt hervorgerufen wird, etwas abgelenkt wird und das Bild des eigentlich punktförmig erscheinenden Sterns bzw. der elliptischen Galaxie leicht verzerrt auf der Erde ankommt. Je massiver das Objekt, desto stärker ist die Verzerrung der umliegenden Sterne und Galaxien. <a href="#" class="tooltip" title="In Fällen extrem massereicher Objekte kann es unter Umständen zu dramatischen Verformungen kommen. Es kann sein, dass man Galaxien, die sich hinter dem "beugenden" Objekt befinden, mehrmals oder gar als Ring sieht. Im Fall eines schwarzen Lochs nehmen die Gravitationslinseneffekte nahezu bizarre Ausmaße an, wie wohl jeder bestätigen kann, der das Schwarze Loch im Film "Interstellar" von Christopher Nolan gesehen hat."><span title="">(6)</span></a> Die Beobachtungen von Gravitationslinseneffekten lassen also unter anderem auf die blau eingezeichnete Verteilung Dunkler Materie im Bullet-Cluster schließen.<br />
<br />
<b>Das wirklich interessante und spannende an dieser Aufnahme ist jedoch die spezielle Anordnung der “normalen” und Dunklen Materie.</b> Normalerweise wabert die Dunkle Materie als riesiger Halo <i>um</i> eine Galaxie herum. <b>Im Bullet Cluster hingegen hat offensichtlich eine Separation der beiden Materiesorten stattgefunden</b> - die blauen und roten Bereiche sind immerhin deutlich getrennt. <i>Wie kann das sein?</i><br />
<br />
Nun ja, im Grunde ist die Antwort gar nicht mehr so schwer mit all dem Wissen, das wir bis hierher gesammelt haben. Wir erinnern uns, dass Dunkle Materie im Unterschied zur “normalen” <i>nicht elektromagnetisch wechselwirkt</i>. Im Falle der Dunklen Materie steht also, einfach gesagt, <i>eine</i> Wechselwirkung bzw. Interaktionsmöglichkeit mit der anderen Kollisionspartner-Galaxie <i>weniger</i> zur Verfügung, verglichen mit “normaler” Materie. Die zwei Galaxien, die einander im Bullet-Cluster durchwanderten, erlebten <i>also deshalb</i> eine Trennung der “normalen” von der Dunklen Materie, weil die “normale” Materie zusätzlich zur Gravitation (die ja beide Typen von Materie gleichermaßen betrifft) noch die elektromagnetischen Kräfte des Kollisonspartners spürte. Der Dunklen Materie waren letztere Kräfte völlig egal und sie konnte die jeweils andere Galaxie viel ungehinderter durchqueren als die “normale”, sichtbare Materie.<br />
Oder anders formuliert: Die Wechselwirkungen der <i>Dunklen</i> Materie mit der anderen Galaxie unterscheiden sich von den Wechselwirkungen der <i>normalen</i> Materie mit der anderen Galaxie. Somit müssen Dunkle und “normale” Materie nach der Kollision unterschiedliche Energien (Geschwindigkeiten) haben und es findet eine Trennung der beiden Materiesorten statt. Im Falle des Bullet Clusters hat die Dunkle Materie nach der Kollision eine größere Geschwindigkeit als die "normale" Materie.<br />
<br />
<br />
Es ist doch spannend und faszinierend, wie viel Unerwartetes oft in einem einzigen Bild steckt, oder? (Und ist es darüber hinaus nicht <i>noch </i>aufregender, wie viel Unerwartetes offenbar in einem einzigen <i>Universum</i> zu stecken scheint?)<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-rdWfDu8VaoA/VLEurjxPv5I/AAAAAAAABgc/gih8eVgs0JM/s1600/Doesnt-Matter.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-rdWfDu8VaoA/VLEurjxPv5I/AAAAAAAABgc/gih8eVgs0JM/s1600/Doesnt-Matter.jpg" height="640" width="458" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption">(Credit: The 5th Wave)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
__________<br />
<i>Fußnoten:</i><br />
<span style="font-size: x-small;">(1) Protonen bestehen jeweils aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark, Neutronen jeweils aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks. Neben Up- und Down-Quarks gibt es außerdem die schwereren Quark-Versionen des Charm- bzw. Strange-Quarks und des Top- bzw. Bottom-Quarks.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(2) elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung, starke Wechselwirkung, Gravitation</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(3) eine Art Selbstanregung des Higgs-Feldes, welches mit bestimmten Teilchen interagiert und diesen dadurch Masse verleiht</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(4) Zusätzlich zu Typ und Generation eines Elementarteilchens sind beim Abzählen noch Antiteilchen und eine weitere fundamentale Eigenschaft namens “Farbladung” zu beachten. So gibt es z.B. drei Generationen von Quarks zu jeweils zwei Typen (Up+Down, Charm+Strange, Top+Bottom), welche jeweils Antiteilchen besitzen und in drei “Farben” kommen. (3×2 Teilchen + 3×2 Antiteilchen) × 3 Farben = 36 Quarks.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(5) Ein Indiz für das Vorhandensein Dunkler Energie ist etwa die beschleunigte Expansion des Universums. In diesem Text möchte ich mich jedoch vorwiegend auf Dunkle Materie konzentrieren.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(6) In Fällen extrem massereicher Objekte kann es unter Umständen zu dramatischen Verformungen kommen. Es kann sein, dass man Galaxien, die sich hinter dem "beugenden" Objekt befinden, mehrmals <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_Horseshoe_Einstein_Ring_from_Hubble.JPG" target="_blank">oder gar als Ring</a> sieht. Im Fall eines schwarzen Lochs nehmen die Gravitationslinseneffekte nahezu bizarre Ausmaße an, wie wohl jeder bestätigen kann, der <a href="http://rack.3.mshcdn.com/media/ZgkyMDE0LzA3LzMwL2I0L2ludGVyc3RlbGxhLjc1YTYzLnBuZwpwCXRodW1iCTEyMDB4OTYwMD4/a8bce0de/29d/interstellar.black_.hole_.png" target="_blank">das Schwarze Loch im Film "Interstellar"</a> von Christopher Nolan gesehen hat.</span>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-79122810746658417342014-12-29T12:23:00.000+01:002014-12-29T12:30:59.295+01:00Finden, was man nicht sehen kann - mit Lupen, die man nicht bauen kann<div class="separator" style="clear: both;">
<i>Kennt ihr das, wenn einem irgendetwas oder irgendjemand die Sicht verstellt? Ihr seid bei einem Konzert, steht in der Menge und ärgert euch, weil ihr einfach nicht an eurem Vordermann vorbeischauen und nur selten einen längeren Blick auf die Lieblingssängerin auf der Bühne werfen könnt? Ihr wollt die Auslage eines Geschäfts auf der anderen Straßenseite betrachten, seht sie aber nicht, weil die Straßenbahn gerade davor hält? Ihr sitzt in einem Klassenzimmer oder Seminarraum und könnt einfach nicht lesen, was auf der Tafel steht, sondern nur den T-Shirt-Spruch des Kollegen in der ersten Reihe?</i></div>
<div class="separator" style="clear: both;">
<i><br /></i></div>
Zumindest mir ist es schon oft so ergangen. Und niemals hätte ich mir (vor meiner Beschäftigung mit der Physik) gedacht, dass es im Prinzip eine Möglichkeit in der Natur gibt, Objekte zu sehen, die von anderen verdeckt werden. Das Phänomen, welches ich hier meine, nennt man <i>Gravitationslinseneffekte</i>. Es handelt sich um einen im Grunde relativ simplen, aber dennoch sehr verrückten Mechanismus, von dem es verschiedene Varianten gibt. Zwei dieser Varianten, nämlich den starken und den schwachen Gravitationslinseneffekt, werde ich heute kurz vorstellen. Eines kann ich euch gleich jetzt verraten: Die tatsächlichen Bilder von astronomischen Beobachtungen sind beeindruckend und faszinierend!<br />
<a name='more'></a><br />
<br />
<b><span style="font-size: large;">
Der starke Gravitationslinseneffekt</span></b><br />
<br />
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zufolge verformt jede Masse die Raumzeit. Diese auch als (Raumzeit-)Krümmung bezeichnete Verformung ist bei unseren gewohnten, irdischen Massen so klein, dass man sie kaum bemerkt. Erst bei größeren Massen wird der Effekt deutlich: Massereiche Objekte, wie Neutronensterne, schwarze Löcher, Galaxien oder Galaxienhaufen krümmen Raum und Zeit unter Umständen so stark, dass die Auswirkungen dieser Raumzeitverformungen deutlich sichtbar werden.<br />
<br />
Licht bewegt sich ja entlang der Raumzeit. Es kann gar nicht anders - auf gewisse Weise ist es (so wie wir alle) in der Raumzeit "eingesperrt" und auf sie beschränkt. Ist also die Raumzeit durch ein massereiches Objekt gekrümmt, so folgt "vorbeifliegendes" Licht einfach dieser Krümmung - und seine Bahn ist ebenfalls gekrümmt. Am besten kann man sich sowas immer vorstellen, wenn man es aufzeichnet - also voilà, hier ist ein Bild davon:<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-QscO8-kRMGw/VKAyJQl9wkI/AAAAAAAABd0/-TcZ4XTRIzY/s1600/Gravitationslinse.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-QscO8-kRMGw/VKAyJQl9wkI/AAAAAAAABd0/-TcZ4XTRIzY/s1600/Gravitationslinse.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematisches Funktionsprinzip einer Gravitationslinse.<br />
(Credit: Horst Frank aus der deutschsprachigen Wikipedia)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Wird einem die Sicht auf einen Stern oder eine Galaxie also von einem ausreichend massereichen Objekt verstellt, so kann es sein, dass man Abbildungen des eigentlich nicht sichtbaren Objekts neben dem "beugenden" Objekt sieht. In der obigen Skizze erkennt man als Erdbeobachter also das Raumzeit-krümmende "Objekt mit großer Masse" im Zentrum, während man darüber und darunter ein Bild des selben Hintergrundsterns ("Wellenquelle") sieht. Im dreidimensionalen Fall, wenn Beobachter, Gravitationslinse und Hintergrundstern perfekt auf einer Linie liegen, würde man den Hintergrundstern tatsächlich als <i>Ring</i> um die zentrale Galaxie sehen. Verrückt, oder?<br />
<br />
Soweit die Theorie.<br />
Nun stellt sich naturgemäß die Frage, ob man solche Gravitationslinseneffekte bereits <i>tatsächlich</i> beobachten konnte. Großartigerweise <i>ja</i> - es gibt viele Bilder von starken Gravitationslinseneffekten.<br />
Ein ganz besonders eindrucksvolles ist z.B. das folgende, welches eine Hintergrundgalaxie als annähernd perfekten Ring darstellt. Eine solche Erscheinungsform wird übrigens weitläufig als <i>Einstein-Ring</i> bezeichnet.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-nwXbrPWq69E/VKA1AaHjP0I/AAAAAAAABeA/RVIXaqeGBDk/s1600/A_Horseshoe_Einstein_Ring_from_Hubble.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-nwXbrPWq69E/VKA1AaHjP0I/AAAAAAAABeA/RVIXaqeGBDk/s1600/A_Horseshoe_Einstein_Ring_from_Hubble.jpg" height="422" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Nahezu geschlossener Einstein-Ring (LRG 3-757): Die rote Vordergrundgalaxie krümmt die Raumzeit dermaßen, dass das Licht der weiter entfernten, blauen Galaxie uns in einem Raumwinkel erreicht, der die blaue Galaxie als riesigen Ring erscheinen lässt.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Ein Einstein-Ring tritt nur dann auf, wenn die drei astronomischen Objekte schön aufgefädelt entlang einer Linie liegen und wenn die Gravitationslinse die Raumzeit in alle Richtungen gleich stark krümmt. Bei einem schwarzen Loch könnte man sagen, dass zumindest letzteres der Fall ist.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-5X0wORioVIc/VKA2jZMxZdI/AAAAAAAABeM/cOXgxlhFCMw/s1600/Black_hole_lensing_web.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-5X0wORioVIc/VKA2jZMxZdI/AAAAAAAABeM/cOXgxlhFCMw/s1600/Black_hole_lensing_web.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Simulation des Gravitationslinseneffekts bei einem schwarzen Loch.<br />
Ein schwarzes Loch zieht an einer im Hintergrund befindlichen Galaxie vorbei. (Erinnern euch die Bilder etwas an das <a href="http://interstellarfilm.wikia.com/wiki/Pantagruel_%26_Gargantua?file=Blackhole.jpg" target="_blank">schwarze Loch in Christopher Nolans Film "Interstellar"</a>?)<br />
(Credit: Urbane Legend, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Sobald allerdings das "Beugungszentrum" nicht mehr aus einem gleichförmigen (isotropen) Objekt besteht, sondern z. B. einem ganzen Haufen von Galaxien, ist eine gleichförmige Abbildung <i>à la</i> Einstein-Ring nicht mehr möglich und das Objekt erscheint <i>mehrfach</i> abgebildet um das Zentralobjekt. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das sog. Einstein-Kreuz im Sternbild Pegasus.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-aVv7hsFKwdk/VKA4KvdPg2I/AAAAAAAABeY/jzfK_yah3wU/s1600/Einstein_cross.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-aVv7hsFKwdk/VKA4KvdPg2I/AAAAAAAABeY/jzfK_yah3wU/s1600/Einstein_cross.jpg" height="386" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das sog. Einstein-Kreuz (G2237 + 0305) wurde vom Hubble Space Telescope abgelichtet und zeigt einen weit entfernten Quasar, der durch die Gravitationslinsenwirkung einer relativ nahen Galaxie (mittleres Objekt) vierfach abgebildet ist.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
<span style="font-size: large;">
Der schwache Gravitationslinseneffekt</span><br />
<br />
Je weiter man von einer "beugenden" Masse - einer Gravitationslinse - wegschaut, desto schwächer werden die Raumzeit-Krümmungseffekte. Sind nun auch die drei Objekte (Erdbeobachter, Gravitationslinse und abzubildendes Hintergrundobjekt) nicht mehr schön entlang einer Linie angeordnet, so kann man sich leicht vorstellen, dass man anstelle von einem vollständigen Einstein-Ring nur mehr einen <i>unvollständigen</i> (einen kleinen Ring<i>abschnitt</i>) sieht. Hintergrundobjekte sind in diesem Fall nur noch etwas "ausgeschmiert" und mehrfache Abbildungen treten nicht mehr auf. Solche Gravitationslinseneffekte sind nicht mehr so einfach erkennbar und man muss sie mit Hilfe von statistischen Methoden finden.<br />
<br />
Nichtsdestotrotz kann man durch Analyse dieser schwachen Gravitationslinseneffekte auf die "beugenden" Massezentren rückschließen und deren Materieverteilung bestimmen. <i>Diese Methode wird u. a. angewendet, um größere Ansammlungen Dunkler Materie zu finden.</i> Diese Dunkle Materie ist unsichtbar, da sie weder Licht absorbiert noch abstrahlt, krümmt allerdings sehr wohl die Raumzeit und wirkt somit gravitativ auf umliegende "normale" Materie. (Ich werde in einem meiner nächsten Artikel anhand einer beeindruckenden Aufnahme etwas mehr über Dunkle Materie erzählen.)<br />
<br />
Es gibt sogar einige Bilder von riesigen vermuteten Ansammlungen Dunkler Materie, welche man durch Analyse der schwachen Gravitationslinseneffekte gefunden hat. Oftmals werden sie künstlich eingezeichnet, um sie für den Betrachter sichtbar zu machen. Hier ein Beispiel:<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div style="text-align: left;">
</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-EcuDkDvaJoM/VKA-vFCeBNI/AAAAAAAABfE/JcF2ZQTN0O4/s1600/CL0024%2B17_comp.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-EcuDkDvaJoM/VKA-vFCeBNI/AAAAAAAABfE/JcF2ZQTN0O4/s1600/CL0024%2B17_comp.jpg" height="320" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Galaxienhaufen CL0024+17.<br />
Im optischen Bereich sieht er so aus wie im linken Bild. Rechts ist die Dunkle Materie in blau eingezeichnet, die man mit Hilfe der Analyse der Gravitationslinseneffekte gefunden hat. Es sind sogar Strukturen der Dunklen Materie erkennbar - hier etwa ein Ring.</td></tr>
</tbody></table>
Ich finde nicht nur die Gravitationslinseneffekte im optischen Bereich spannend und schön anzusehen, sondern es ist für mich auch unglaublich faszinierend, dass man den Aufenthaltsort von etwas, das <i>per Definition</i> unsichtbar ist, durch indirekte Beobachtungen bestimmen kann!<br />
<br />
<br />
Mit dem folgenden Bild des Hubble-Weltraumteleskops möchte ich diesen Text nun abschließen. (Könnt ihr darin ein paar Gravitationslinseneffekte erkennen?)<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-K7jox-KYizs/VKBBjR3dktI/AAAAAAAABfQ/Zsm9sl6CTks/s1600/Gravitationell-lins-4.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-K7jox-KYizs/VKBBjR3dktI/AAAAAAAABfQ/Zsm9sl6CTks/s1600/Gravitationell-lins-4.jpg" height="640" width="616" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Einer der massereichsten Galaxienhaufen: Abell 1689.<br />
Er wirkt wie eine kosmische Lupe mit dem Durchmesser von zwei Millionen Lichtjahren.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-67247919327189934212014-11-30T18:00:00.000+01:002018-07-14T18:56:25.200+02:00Vom Apfelstrudel und dem Universum – die großartigste Geschichte<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<b>Apfelstrudel.</b><br />
<br />
Was benötigen wir, um einen Apfelstrudel zuzubereiten? – <i>Äpfel, das ist klar. Außerdem brauchen wir Zutaten, wie z.B. Mehl, Zucker, Butter, Eier, Backpulver, Rosinen (oder keine Rosinen – ein ewiger Disput),…</i><br />
Wo kommen die Äpfel her? – <i>Oh, ich weiß schon: vom Apfelbaum.</i><br />
Der Apfelbaum, wiederum, ist angewiesen auf ausreichend Wasser, Erde, Luft und Sonnenlicht, nicht zu vergessen eine intakte “Anleitung” für seine Entwicklung und Funktionsweise in Form von DNA.<br />
Woraus bestehen Wasser, Erde, Luft und DNA? – <i>Hmm…schon etwas kniffliger, aber auch darauf habe ich eine Antwort: aus Molekülen.</i><br />
Also gut, was braucht man nun, um Moleküle zu bilden? – <i>Atome.</i><br />
Und woraus bestehen Atome? – <i>Die setzen sich aus Protonen und Neutronen (“Atomkernmaterial”) und Elektronen (“Atomhüllenmaterial”) zusammen.</i><br />
Ein Apfelstrudel bedarf also, streng genommen, nichts weiter als einer ganzen Menge subatomarer Teilchen.<br />
<br />
Doch woher kommen diese Teilchen? <b>Wie sind all die Atome des Apfelstrudels entstanden?</b><br />
<br />
Um diese Fragen soll es im Rest dieses Artikels gehen. <a href="http://www.kirtag.org/wisst-ihr-das-erstaunliche-der-welt-ist/" target="_blank">Wie in meinem letzten Beitrag versprochen</a>, möchte ich euch im Rahmen ihrer Beantwortung eine der faszinierendsten Geschichten näherbringen, die wir Menschen durch die bisherige wissenschaftliche Erforschung der Welt zu erzählen gelernt haben. Dabei werden wir sehen, auf welche fundamentale Weise jeder einzelne von uns mit dem Rest des Universums in Verbindung steht.<br />
<br />
<b><i><a href="http://www.kirtag.org/vom-apfelstrudel-und-dem-universum/" target="_blank">Weiter auf kirtag.org »</a></i></b><br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-6168182047704549992014-08-10T16:15:00.001+02:002015-01-30T13:21:39.187+01:00Das Universum im Duschwasser<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-H2YfFz8WZtE/U-d3o4590sI/AAAAAAAABZ4/VQAy6R28lKE/s1600/Vortex_in_draining_bottle_of_water.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-H2YfFz8WZtE/U-d3o4590sI/AAAAAAAABZ4/VQAy6R28lKE/s1600/Vortex_in_draining_bottle_of_water.jpg" height="320" width="213" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="font-size: 13px; text-align: center;">Wirbel in einer Wasserflasche.<br />
<span style="font-size: xx-small;">(Credit: Robert D Anderson,<br />via Wikimedia Commons)</span></td></tr>
</tbody></table>
Wisst ihr, was eines der schönsten und reizvollsten Dinge an der Physik ist? - Ihre Gesetze gelten überall, sei es hier auf der Erde oder am anderen Ende des Universums <a href="#" class="tooltip" title="Zumindest nimmt man dies durchaus sinnvoll an. Physiker sprechen hierbei von einer räumlichen Translationssymmetrie."><span title="">(1)</span></a>, sei es gestern, heute oder in der Zukunft <a href="#" class="tooltip" title="Dies nennt man auch zeitliche Translationssymmetrie."><span title="">(2)</span></a>, sei es im kleinen Maßstab oder im großen. Genau diese Tatsache soll durch die Legende von Newton veranschaulicht werden, als ihm anscheinend ein Apfel auf den Kopf fiel und er erkannte, dass die selben Gesetze, die dessen Bewegung beschreiben, gleichermaßen für die Planetenbahnen gelten.<br />
<br />
Ich möchte heute ein Beispiel dafür geben, wie die physikalischen Gesetze sowohl auf kleine als auch auf große Phänomene anwendbar sind: Wir werden das Wasser im Abfluss unserer Dusche betrachten und versuchen, Parallelen zu physikalischen Vorgängen auf viel größeren Skalen herzustellen, wobei wir sehen werden, dass unsere Beobachtungen schließlich überhaupt nichts mit dunkler Materie zu tun haben, wir daraus aber dennoch eine Menge lernen können.<br />
<i>Bereits verwirrt?</i> - Dann lasst uns das ganze nochmal Schritt für Schritt durchgehen!<br />
<a name='more'></a><br />
Immer wieder hört man, dass Wasser, das in einen Abfluss läuft, sich auf der Nordhalbkugel in die eine und auf der Südhalbkugel in die andere Richtung dreht. Nun, ich nehm es gleich vorweg - das stimmt so nicht. "Na ja, wenn das nicht richtig ist, <em>warum überhaupt</em> kommt einer dann auf die Idee, sowas zu behaupten?" - Um dafür eine Rechtfertigung zu finden, befördern wir uns gedanklich z.B. an den Nordpol.<br />
Sitzen wir dort direkt auf der Rotationsachse der Erde, dann drehen wir uns einmal am Tag um uns selbst. Das Wasser in unserer imaginären, arktischen Duschkabine bewegt sich natürlich mit uns, also ebenfalls in 24 Stunden "einmal um sich selbst".<br />
Sobald wir den Stöpsel ziehen, beginnt es sich in Richtung des Abflusslochs zu bewegen. Dabei wird der Radius der ursprünglichen Kreisbahn kleiner - und ganz analog zu Eiskunstläufern, die ihre Arme zum Körper ziehen, müsste das Wasser nun eine <em>schnellere</em> gleichsinnige Rotationsbewegung ausführen. Die Drehimpulserhaltung schreibt's vor und deshalb der "Mythos", dass sich Wasser auf der Nordhalbkugel "links herum" (gegen den Uhrzeigersinn, von oben gesehen) und auf der Südhalbkugel "rechts herum" (im Uhrzeigersinn) in den Abfluss dreht.<br />
<br />
Nun ist aber die Erddrehung nicht <em>soo</em> schnell (lediglich <i>eine</i> Umdrehung in 24 Stunden); andere Effekte (vor allem die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt des Stöpsel-Ziehens) sind weitaus größer und dominieren über den durch die Erdrotation hervorgerufenen Drehimpulserhaltungseffekt. Deshalb dreht sich Wasser einmal so und einmal anders - welche Drehrichtung stattfindet, entscheidet der Zufall.<br />
<em>Gibt es auch Situationen, in denen die Drehimpulserhaltung die vorherrschende Triebkraft einer Rotationsbewegung ist und andere Effekte vergleichsweise klein sind?</em> - Erstaunlicherweise ja, und wir beobachten sie jeden Tag!<br />
<br />
Stellt euch vor, man zieht einen großen Stöpsel im Pazifik, sodass das Ozeanwasser dorthinein abfließt. Große Wassermassen auf großen Bahnradien ändern dabei ihre radiale Bewegungskomponente. Tatsächlich können wir erwarten, dass die "Nordhalbkugel-links"- und "Südhalbkugel-rechts"-Abflussgesetze in Erscheinung treten, weil all die kleinen, lokalen Verwirbelungseffekte im Vergleich vernachlässigbar klein sind.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-BwKNMInY6A0/U-dxOf5eXyI/AAAAAAAABZo/vrrpFyGujdc/s1600/Low_pressure_system_over_Iceland.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-BwKNMInY6A0/U-dxOf5eXyI/AAAAAAAABZo/vrrpFyGujdc/s1600/Low_pressure_system_over_Iceland.jpg" height="554" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Diese Formation befindet sich über Island, also auf der Nordhalbkugel.<br />
Handelt es sich hierbei wahrscheinlicher um ein Tiefdruck- oder um ein Hochdruckgebiet?<br />
<span style="font-size: xx-small;">(Credit: NASA, via Wikimedia Commons)</span></td></tr>
</tbody></table>
<br />
Ein Stöpsel im Ozean ist zugegebenermaßen wohl ein weit hergeholtes Beispiel, aber man kann diese Überlegungen Eins-zu-Eins auf Luft bzw. die Atmosphäre übertragen:<br />
Ein Tiefdruckgebiet ist, wie der Name schon sagt, ein Bereich, in dem der Luftdruck niedriger ist als in der lokalen Umgebung. Umliegende Luftmassen strömen dann dem Druckgefälle folgend in dieses Gebiet. Und genau an diesem Punkt wissen wir bereits, was passieren wird, stimmt's? - Rotierende Luft, die sich von großen auf kleinere Radien bewegt, beginnt sich schneller zu drehen. Das ist der Grund, warum sich Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel meist <a href="#" class="tooltip" title="Sicher, es gibt viele Effekte, welche die tatsächliche Luftbewegung beeinflussen, und es treten natürlich aus diesem Grund zahlreiche Abweichungen von meinen einfachen Aussagen auf."><span title="">(3)</span></a> <em>gegen</em> den Uhrzeigersinn und auf der Südhalbkugel <em>im</em> Uhrzeigersinn drehen. Im Fall von Hochdruckgebieten will die Luft aus dem Gebiet des hohen Drucks hinausströmen und gelangt dadurch auf größere Radien. Die resultierende Verlangsamung der Drehbewegung führt auf der Nordhalbkugel zu einer relativen Bewegung <em>im</em> Uhrzeigersinn und auf der Südhalbkugel zu einer <em>gegen</em> den Uhrzeigersinn. <em>Drehimpulserhaltung at its best.</em><br />
<em><br /></em>
Auf <em>noch</em> größeren Skalen finden wir diesen Effekt erneut: Auch die Planeten bewegen sich schneller, wenn sie näher an der Sonne sind und somit einen kleineren Radius auf ihrer (elliptischen) Bahn haben <a href="#" class="tooltip" title="Dies wird übrigens durch das zweite Keplersche Gesetz ('Flächensatz') beschrieben: In gleichen Zeiten überstreicht der Fahrstrahl Objekt-Schwerezentrum gleiche Flächen."><span title="">(4)</span></a>.<br />
<br />
"Zoomen" wir noch weiter hinaus - bis wir unsere gesamte Galaxie, die Milchstraße, vor unserem geistigen Auge haben. Wir erwarten, dass sich diejenigen Sterne, die näher am zentralen schwarzen Loch sind, schneller drehen drehen als äußere - genauso wie unser Abflusswasser. Erschütternderweise jedoch ergeben allgemeine Beobachtungen von Galaxien, dass das Geschwindigkeitsprofil von Sternen nicht wie erwartet mit zunehmender Entfernung vom Zentrum abnimmt, sondern dass es eher konstant bleibt. In anderen Worten: Sterne auf größeren Bahnen bewegen sich fast genauso schnell wie Sterne, die sich weiter innen in der Galaxie befinden. (<a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Galaxy_rotation_under_the_influence_of_dark_matter.ogv" target="_blank">Videodemonstration gefällig?</a>)<br />
<em>Was um alles in der Milchstraße ist hier los?!</em><br />
<em><br /></em>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-8Dx19pKqHyc/U-duhNr3m7I/AAAAAAAABZc/dta6z3KisRM/s1600/Messier51.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-8Dx19pKqHyc/U-duhNr3m7I/AAAAAAAABZc/dta6z3KisRM/s1600/Messier51.jpg" height="444" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die "Whirlpool-Galaxie" (M51) - eine klassische Spiralgalaxie.<br />
Entgegen unserer Erwartungen ist ihre Bewegung anders als die des Abflusswassers!<br />
<span style="font-size: xx-small;">(Credit: NASA, ESA, S. Beckwith (STScI), and The Hubble Heritage Team STScI/AURA, via Wikimedia Commons)</span></td></tr>
</tbody></table>
<br />
So wie immer, wenn man die wissenschaftliche Methode zur Erkenntnisgewinnung anwendet, haben wir aus bestätigten Beobachtungen logische Vorhersagen gemacht, die wir einer experimentellen Überprüfung aussetzen können. "Wenn unsere Gesetze gültig sind, müssen Galaxien in der Nähe ihres Zentrums viel schneller rotieren als weiter außen." Und wie so oft, wenn diese Vorhersagen dann durch Beobachtungen widerlegt werden, muss man sich zurückerinnern und die Grundannahmen der eigenen Argumentation in Zweifel stellen (denn der Gedankengang zwischen Anfangspunkt und Vorhersage war logisch begründet und ist in der Regel nicht anzuzweifeln).<br />
<br />
Eine vielversprechende Theorie, die diesen Widerspruch zwischen Vorhersage und Beobachtung aufzulösen versucht, ist die der dunklen Materie. Dabei sagt man ganz grob, dass die bisher aufgestellten Gesetze zwar stimmen, wir jedoch nicht die ganze Wahrheit in Betrachtung gezogen haben. Modernen Theorien zufolge gibt es also <em>mehr</em> Materie als wir sehen können. Diese hat Eigenschaften, die sich grundlegend von denen unserer bekannten Materie unterscheiden und welche z.B. dazu führen, dass sie sich anders als die sichtbare Materie um und in Galaxien verteilt. Das Konzept der für uns nicht direkt sichtbaren, also der "dunklen", Materie kann die beobachteten Rotationsanomalien der Galaxien erklären.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-Pye9m7LAJM0/U-dry8SBWRI/AAAAAAAABZQ/ajsZaVZjPSk/s1600/darkmatterdistribution_milkyway.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-Pye9m7LAJM0/U-dry8SBWRI/AAAAAAAABZQ/ajsZaVZjPSk/s1600/darkmatterdistribution_milkyway.jpg" height="360" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Vermutete Verteilung von dunkler Materie (blau) um unsere Heimatgalaxie (künstlerische Darstellung).<br />
<span style="font-size: xx-small;">(Quelle: European Southern Observatory, <a href="http://www.eso.org/public/news/eso1217/" target="_blank">Presseaussendung</a>, via Wikimedia Commons)</span></td></tr>
</tbody></table>
<br />
Doch noch ist die Theorie der dunklen Materie nichts anderes als eine Hypothese, deren Vorhersagen einer Überprüfung bedürfen. Für den Fall, dass man Abweichungen von den Postulaten findet, muss man wohl oder über wieder zum Ausgangspunkt der Argumentation zurückkehren und die Grundlagen des Modells modifizieren - oder sogar gleich die gesamte Theorie wegwerfen, falls erforderlich.<br />
So ist das nun einmal mit der Anwendung der wissenschaftlichen Methode - sie ist unter Umständen hart und unbarmherzig, dafür aber rückt man auf diesem Wege der Wahrheit auf relativ zuverlässige und rasche Weise näher.<br />
<br />
Wenn ihr also das nächste Mal duschen geht, denkt vielleicht daran, dass von Klein bis Groß alles im Universum durch die Gesetze der Natur verbunden ist und man sogar von scheinbar banalen, alltäglichen Dingen eine Menge über unsere Welt lernen kann.
<br />
<br />
<br />
__________<br />
<span style="font-size: x-small;">(1) Zumindest nimmt man dies durchaus sinnvoll an. Physiker sprechen hierbei von einer räumlichen Translationssymmetrie.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(2) Dies nennt man auch zeitliche Translationssymmetrie.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(3) Sicher, es gibt viele Effekte, welche die tatsächliche Luftbewegung beeinflussen, und es treten natürlich aus diesem Grund zahlreiche Abweichungen von meinen einfachen Aussagen auf.</span><br />
<span style="font-size: x-small;">(4) Dies wird übrigens durch das zweite Keplersche Gesetz ("Flächensatz") beschrieben: In gleichen Zeiten überstreicht der Fahrstrahl Objekt-Schwerezentrum gleiche Flächen (Wortlaut von <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Keplergesetz#2._Keplersches_Gesetz_.28Fl.C3.A4chensatz.29" target="_blank">Wikipedia</a>).</span>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-82634837988074070152014-07-30T18:43:00.000+02:002014-07-30T18:43:05.146+02:00Wisst ihr, was das Erstaunliche an der Welt ist?<div class="tr_bq">
<i>Eine Erkenntnis, welche unsere Leben für immer veränderte. Ein Gedanke, der uns in einer komplexen, oft nur schwer begreifbaren Welt Hoffnung schöpfen lässt. Eine Einsicht, so bedeutend und folgenreich, dass sie als eine der größten Errungenschaften menschlichen Geistes zu bezeichnen nur angemessen ist.</i><br />
<br />
<b>Der folgende Text ist der Beginn meines ersten Beitrags für das Online-Magazin "<a href="http://www.kirtag.org/" target="_blank">Kirtag</a>"</b> - ein ambitioniertes Projekt aus meiner Heimatgegend. Da ich nun offiziell zum Kirtag-Team dazugehöre, werden dort auch in Zukunft immer wieder Artikel von mir zu sehen sein.<br />
<br />
Viel Vergnügen beim Lesen!<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
<hr width="75%" />
</div>
</div>
<blockquote>
<i>Wir befinden uns in der Mitte eines kleinen, überschaubaren Universums. Auf einer begrenzten Scheibe versuchen wir, uns so recht und schlecht ein angenehmes Leben einzurichten. Jeder unserer verantwortungsvollen Kapitäne hat es im Gefühl, wann er sein Schiff wenden und wieder zum Heimathafen steuern soll. Freilich, manch einen juckt es schon, einmal den Rand kennenzulernen und darüber hinauszuschauen. Aber man hat uns ja „wissen“ lassen: Kommt man an Grenzen, tun sich Abgründe auf. Ach, du lieber Gott! Es ist ein Kreuz mit dem Ende der Welt. Und eines weiß man selber ganz sicher: Man will um alles auf der Welt nie eine Kreuzschifffahrt mitmachen müssen…</i><br />
<br />
Es ist tatsächlich noch gar nicht allzu lange her, dass man so über die eigene Existenz gedacht hat, und es ist erstaunlich, dass es diese Einstellung mancherorts noch immer gibt. (Da meine ich aber nicht, dass eine Kreuzschifffahrt zum Speiben ist.)<br />
<br />
Nun gut, den „Rand“ der Welt – die Grenze des uns Bekannten – erweitern wir mit jedem Tag: Unser Wissen wächst seit dem Babyalter, sei es im individuellen Fall oder in jenem der gesamten Menschheit.<br />
Obwohl wir bis heute erstaunlich viel über die Welt gelernt haben,... <b><i><a href="http://www.kirtag.org/wisst-ihr-das-erstaunliche-der-welt-ist/" target="_blank">Weiterlesen »</a></i></b></blockquote>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-8656274721656736922014-06-07T09:00:00.000+02:002014-06-07T09:00:06.450+02:00Wie schnell ist das Zeug in unseren Lungen? (Whiteboard-Skizze III)<i>Wir können es nicht direkt sehen, schmecken, riechen, hören oder anfassen - dennoch wissen wir, dass es uns permanent umgibt, uns einhüllt, wir nicht viel anderes vollbringen können als Tag für Tag am Grund seines "Ozeans" einen Fuß vor den anderen zu setzen, mit jedem Schritt erneut versuchend, der natürlichen, zum Erdkern gerichteten Kraft etwas entgegenzusetzen, um nicht hinzufallen, während sein unvorstellbares Gewicht von oben auf unsere Schultern drückt und es - spürbar durch ein leichtes Streichen übers Gesicht - unsere Vorwärtsbewegung erschwert.</i><br />
<div>
<br />
So unantastbare, möglicherweise sogar betrüblich wirkende Effekte dieses Etwas auf uns auch zu haben scheint, so essentiell ist es für unsere Existenz und die jeglicher anderen Lebensformen auf unserem Planeten.<br />
<a name='more'></a></div>
<div>
<b>Die Rede ist von diesem vertrauten Gasgemisch, das wir mit dem Überbegriff "Luft" versehen haben.</b></div>
<div>
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div>
Luft ist nicht allerorts gleich. Es gibt starke lokale Schwankungen der Konzentrationen von z. B. Wasser oder Aerosolen. Ziemlich homogen verteilt ist allerdings das zurundeliegende Gasgemisch, das unsere (trockene) Luft charakterisiert: Es besteht großteils aus Stickstoff (N<sub>2</sub>, 78%) und Sauerstoff (O<sub>2</sub>, 21%). Das restliche Prozent bilden Argon, CO<sub>2</sub> und andere Stoffe.<br />
<br />
Luft ist also ein Gemisch aus verschiedenen Gasen. Gut. - Was kann man sich dann unter einem Gas vorstellen?<br />
<br />
<i>So eine dumme Frage</i>, könnte man sich denken, <i>Ein Gas ist halt ein Gas - was soll daran schon besonders sein?!</i> - Doch oft sind es bereits diese kleine Fragen, die faszinierende Einblicke in die Natur gewähren. Ihr werdet sehen, worauf ich hinaus will. ;-)<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-ybf8UqeXCqU/U4kSrjkvKiI/AAAAAAAABVA/k9sfTNcUmtg/s1600/Gaz_molecules.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-ybf8UqeXCqU/U4kSrjkvKiI/AAAAAAAABVA/k9sfTNcUmtg/s1600/Gaz_molecules.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Einfaches Modell eines Gases:<br />
Kleine Kügelchen, die unaufhaltsam aneinanderstoßen.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Ein Gas besteht aus kleinsten Teilchen - Molekülen oder Atomen -, welche man individuell (zumindest im Prinzip) zufriedenstellend gut mit physikalischen Modellen beschrieben kann. Leider reicht es aber für eine gute Beschreibung eines Gases nicht aus, z. B. das Verhalten eines einzelnen Stickstoffmoleküls zu kennen und es dann irgendwie auf die Gesamtheit des Gases "hochzurechnen". Ein Gas ist ein viel zu komplexes System, als dass man es auf diese Art erfolgreich beschreiben könnte - es sind einfach zu viele Teilchen involviert, die miteinander in Wechselwirkung stehen. In einem Würfelzucker-Volumen Stickstoffgas befinden sich bei Normalbedingungen etwa 27 Trillionen (2,69·10<sup>19</sup> pro cm³) N<sub>2</sub>-Moleküle. Will man ein Gas beschreiben, muss man einen anderen Weg finden.<br />
Den hat man auch gefunden. Anstatt jedes Molekül exakt zu beschreiben und dann mit Hilfe dieses Ergebnisses auf die Gesamtheit der Moleküle zu schließen, betrachtet man gleich die Gesamtheit der Moleküle und behandelt sie statistisch.<br />
<b>Ein sehr erfolgreiches und gleichzeitig simples Modell ist aus diesem Vorgehen unter anderem entstanden - nämlich das Modell des idealen Gases</b>, bei welchem man sich die Moleküle - einfach gesagt - als furchtbar kleine Kügelchen vorstellt, die sich so lange frei und ohne Krafteinwirkungen durch den Raum bewegen, bis sie mit einem anderen "Kügelchen" zusammenstoßen. Die Stöße erfolgen "elastisch" - also so, dass keine Energie in eine andere als Stoßenergie umgewandelt wird.<br />
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-VqAwwYiOZBA/U4kQCp2hYaI/AAAAAAAABU4/Nu3zRKe3BQA/s1600/Brownianmotion_beads_in_water_spim_video.gif" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-VqAwwYiOZBA/U4kQCp2hYaI/AAAAAAAABU4/Nu3zRKe3BQA/s1600/Brownianmotion_beads_in_water_spim_video.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Brownsche Bewegung kleiner, 20 nm großen<br />
Latex-Kügelchen in Wasser.<br />
Diese Bewegung entsteht durch die<br />
unzähligen zufälligen Stöße der viel kleineren<br />
Wassermoleküle an diese größeren Kügelchen.<br />
(Credit: Jkrieger, Deutsches Krebsforschungs-<br />
zentrum, Arbeitsgruppe B040,<br />
via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
Dieses Modell beschriebt natürlich nicht "die Wirklichkeit", schon gar nicht auf mikroskopischer Ebene (deshalb heißt es ja "Modell"), doch es vermag auf erstaunlich gute Weise, Beschreibungen unserer makroskopischen Welt zu liefern. So kann man z. B. sagen, dass der Druck eines Gases in einem abgeschlossenen Gefäß nichts anderes ist als die Summe all der kleinen Impulsüberträge der Gasteilchen an die Behälterwand.<br />
Die Stärke des Modells des idealen Gases und dessen statistischen Formalismus' ist ganz klar die unvorstellbar große Zahl an involvierten Gasteilchen.<br />
<br />
<i>Aber hey, wie kann ich mir dieses Meer aus ständig zusammenstoßenden Kugeln nun vorstellen?</i> - Ist es wie ein ruhiges <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Baby_in_ball_pit.jpg" target="_blank">Kugelbad am Kirtag</a> oder doch eher wie <a href="http://www.youtube.com/watch?v=e_GYtOu4XKQ&feature=youtu.be&t=46s" target="_blank">im Inneren der Lotto-Maschine</a>?<br />
<br />
Wie immer bei Artikeln der <i>Whiteboard-Skizzen</i>-Serie, werde ich nun nicht auf die Details eingehen, sondern nur ein paar Whiteboard-Notizen herzeigen, durch welche man auf die Aussagen kommt, die ich schlussendlich präsentiere.<br />
Dennoch kurz zum Tafelbild: Es gibt die bekannte "Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung" (im Bild die rote Skizze), welche beschreibt, wie viele Teilchen (vertikale Achse) eine gewisse Geschwindigkeit (horizontale Achse) in einem Gas haben. (Die Geschwindigkeitsverteilung ist übrigens stark temperaturabhängig.) Man kann über diese Funktion dann Dinge ausrechnen, wie z. B. die mittlere Geschwindigkeit der Gasteilchen.<br />
Führt man eine weitere Größe ein, nämlich den "Stoßquerschnitt" σ (<i>Sigma</i>), eine mathematische Fläche um ein Teilchen, innerhalb derer ein anderes, vorbeifliegendes Teilchen durch einen Stoß abgelenkt wird, so kann man weiters abschätzen, wie lange die mittlere Wegstrecke Λ (<i>Lambda</i>) ist, die ein Gasteilchen im freien Flug zwischen zwei Stößen zurücklegt, oder die "Stoßzeit" τ (<i>Tau</i>), also die Zeit, die für ein Teilchen im Schnitt zwischen zwei Stößen vergeht.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-T8v4y4z03xc/U4m2QQlLz3I/AAAAAAAABVU/ezrDV07uD_Q/s1600/WbSk3_N2gas_ger.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-T8v4y4z03xc/U4m2QQlLz3I/AAAAAAAABVU/ezrDV07uD_Q/s1600/WbSk3_N2gas_ger.png" height="404" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Whiteboard-Notizen zur Berechnung einiger Eigenschaften von Gasmolekülen.<br />
(Blau: Allgemeine Skizzen der Formel-Herleitungen.<br />
Rot: Konkrete Berechnungen am Beispiel von Stickstoff-Gas.)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Berechnet man - stellvertretend für Luft unter einigermaßen "normalen" Bedingungen (Temperatur: 0°C, Druck: 1 bar) - einige Eigenschaften von Stickstoff, also all der N<sub>2</sub>-Moleküle (zur Erinnerung: Luft besteht aus 78% aus N<sub>2</sub>), so erhält man Ergebnisse, die einen vermutlich überraschen, wenn man zum ersten Mal von ihnen erfährt.<br />
<br />
<h2>
<span style="font-size: large;">
Wie schnell sind sie nun also, die einzelnen Teilchen?</span></h2>
Hier die Antwort:<br />
<b>Stickstoffteilchen zischen im Durchschnitt mit 455 Meter pro Sekunde (Das sind 1638 km/h!) wild umher. Doch da sich, wie bereits oben erwähnt, etwa 27 Trillionen Teilchen in einem Kubikzentimeter aufhalten, bleibt ihnen nicht viel Zeit für den freien Flug: Nach einer Strecke von durchschnittlich 83 Nanometern und einer mittleren Zeit von 0,118 Nanosekunden findet bereits der nächste Stoß mit einem anderen Stickstoffteilchen statt. Ein Stickstoffmolekül kracht also etwa 10<sup>10</sup> (zehn Milliarden) mal <i>pro Sekunde</i> in ein anderes Molekül.</b><br />
<br />
Solche Zahlen kann man sich vielleicht besser vorstellen, wenn man Vergleiche aufstellt:<br />
Die Luftteilchen bewegen sich also schneller als eine durchschnittliche Pistolenkugel (~340 m/s) bzw. fast doppelt so schnell wie eine Boeing 777 (~248 m/s).<br />
Die mittlere freie Weglänge ist vergleichbar mit der Größe eines HIV-Virus (~90 nm) oder etwa 80% der Größe eines Chromosoms (~100 nm).<br />
Die mittlere Stoßzeit ist eine dermaßen kurze Zeitdauer, dass es besonders schwierig ist, einen Vergleich zu finden, der nicht noch weiter hergeholt ist als die bisherigen. Vielleicht sollte ich also nur sagen, dass Licht in dieser Zeit nur eine Strecke von 3,5 Zentimetern zurücklegt, was nicht besonders viel ist, wenn man bedenkt, dass es in einer Sekunde normalerweise um die 30 Milliarden Zentimeter zurücklegt.<br />
<i><br /></i>
<i>Faszinierende Zahlenwerte, oder?</i><br />
<br />
Wir können nur froh sein, dass wir im Vergleich zu Luftmolekülen so riesig sind und dieses hektische Geflitze und Gestoße der Teilchen dadurch nicht wahrnehmen! Die Welt und unsere Alltagsleben sind auf eine andere Weise ohnehin schon oft stressig genug, stimmt's? ;-)<br />
<br />
<br />
<br /></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-38251591442148305322014-05-25T15:21:00.001+02:002014-05-25T15:21:30.485+02:00Wie schnell müsste man auf eine rote Ampel zufahren, damit diese grün wird? (Whiteboard-Skizze II)<blockquote class="tr_bq">
<i>Werner Heisenberg wird von einem Polizisten aufgehalten, weil er mit seinem Auto zu schnell unterwegs war.</i><br />
<i>Der Polizist: "Mein lieber Herr, wissen Sie eigentlich, wie schnell sie gefahren sind?"</i><br />
<i>Heisenberg: "Nein, denn es ist mir wichtiger zu wissen, '</i>wo'<i> ich bin."</i></blockquote>
Zu diesem mehr oder weniger bekannten Physiker-Witz, der auf die <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2013/06/entwicklung-der-quantenphysik-vi.html" target="_blank">Heisenberg'sche Unbestimmtheitsrelation</a> anspielt, kommt heute eine weitere physikalische "Ausrede" für Verletzungen der Straßenverkehrsordnung, für die Polizisten vermutlich auch kein offenes Ohr haben - berechtigterweise.<br />
<a name='more'></a><br />
<b>Ihr kennt doch sicher alle das Phänomen, bei dem das Folgetonhorn eines Polizeifahrzeugs viel höher klingt, wenn es sich auf einen zubewegt, und vergleichsweise tief, wenn sich das Auto wieder entfernt. Diesem Effekt hat man den Namen "Doppler-Effekt" gegeben.</b><br />
Beim vorbeiflitzenden Polizeiauto handelt es sich um den <i>akustischen</i> Doppler-Effekt, denn es sind ja Schallwellen, die <i>in</i> Bewegungsrichtung gestaucht und <i>entgegen</i> der Bewegungsrichtung gedehnt werden und somit den in jedem Fall mit der gleichen Frequenz ausgesandten Ton in unterschiedlichen Frequenzen/Wellenlängen ankommen lassen. Höhere Frequenzen bzw. kleinere Wellenlängen bedeuten dabei einen höheren Ton in unseren Ohren.<br />
<br />
<b>Diesen Doppler-Effekt gibt es aber nicht nur für Schallwellen, sondern auch für Licht.</b> Bleibt man im sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums, so sind elektromagnetische Schwingungen niedriger Frequenz rotes Licht und Schwingungen hoher Frequenz blaues Licht. (Die Wellenlängen sind umgekehrt proportional, d.h. große Wellenlängen bedeuten rotes Licht, kleine blaues Licht.)<br />
<br />
<b>Jede Art von Relativbewegung zwischen Licht-Sender und -Empfänger bewirkt eine Doppler-Verschiebung:</b><br />
Bewegen sich Sender und Empfänger aufeinander zu, so werden die Lichtwellen "gestaucht" und "bläulicher" empfangen als sie beim Wegschicken vom Sender waren. Im Falle von sich jeweils entfernenden Sendern bzw. Empfängern kommen die Wellen "gedehnt" und "rötlicher" an.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-pGlyniUHGyc/U2ZVgjWmRAI/AAAAAAAABUA/hHh7knONBA0/s1600/Electromagnetic_spectrum_c.svg.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-pGlyniUHGyc/U2ZVgjWmRAI/AAAAAAAABUA/hHh7knONBA0/s1600/Electromagnetic_spectrum_c.svg.png" height="195" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das elektromagnetische Spektrum.<br />
Herausgehoben ist der für den Menschen sichtbare Bereich zwischen Wellenlängen von etwa 400 bis 700 Nanometer.<br />
(Credit: Horst Frank, Phrood, Anony. Via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
(Es ist übrigens ebendieser Doppler-Effekt, der starke experimentelle Hinweise auf das Ausdehnen des Universums lieferte: Man beobachtete, dass das Licht fast aller weit entfernten Sterne/Galaxien etwas "gedehnt" auf der Erde ankommt und somit in den roten Bereich des elektromagnetischen Spektrums verschoben ist. Daraus kann man schlussfolgern, dass all diese Objekte auseinanderdriften bzw. - allgemeiner formuliert - sich das gesamte Universum an sich ausdehnt. Diese Tatsache meint man, wenn man von der "kosmologischen Rotverschiebung" spricht. Dass die Sonne rötlicher aussieht als sie wirklich ist, hat aber übrigens wiederum mit einer anderen Art der Rotverschiebung zu tun, nämlich der "gravitativen Rotverschiebung", <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2013/04/ist-der-doppler-effekt-falsch.html" target="_blank">über welche ich hier schon einmal geschrieben habe</a>.)<br />
<br />
Bewegt man sich allerdings auf eine Lichtquelle zu, so empfängt man ihr Licht höherfrequenter. Rotes Licht wird also irgendwann gelb, dann grün, dann blau, dann violett,...<br />
Warum sollen wir uns also nicht die folgende Frage stellen:<br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">Wie schnell müsste man auf eine rote Verkehrsampel zufahren, damit sie grün erscheint?</span></h2>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-qv9GxOqFljU/U2ZPKaJJbQI/AAAAAAAABTw/09BrayPmZdk/s1600/traffic+lights_doppler+effect_german.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-qv9GxOqFljU/U2ZPKaJJbQI/AAAAAAAABTw/09BrayPmZdk/s1600/traffic+lights_doppler+effect_german.png" height="346" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Kleiner Spoiler: Das hier skizzierte Auto wird sich schwer tun, so schnell auf die rote Ampel zuzurasen, dass diese grün erscheint.</td></tr>
</tbody></table>
<b><br /></b>
<b>Eine kurze Rechnung, bei welcher man sich der Formel für den relativistischen (longitudinalen) Doppler-Effekt bedient, zeigt, dass man sein Fahrzeug auf wahnsinnige 49655 Kilometer pro <i>Sekunde</i> hinaufjagen müsste. </b>Eine rote Ampel würde bei dieser Geschwindigkeit für einen selbst tatsächlich grün aussehen!<br />
<br />
(Würde es einem gelingen, den Polizisten davon zu überzeugen, dass die Ampel aus der eigenen Perspektive <i>wirklich</i> grün war, so kann man vermutlich eine saftige Geldstrafe für zu schnelles Fahren erwarten. Und ob dieser dann noch willig ist, über Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation zu diskutieren, würde ich hier stark bezweifeln.)<br />
<br />
<br />
__________<br />
<i><b>Übrigens</b>: Wer wissen möchte, warum man (eventuell) seinen Rückspiegel nicht mehr braucht, wenn man ultraschnell fährt, weil man dann ohne Hilfsmittel Dinge sieht, die sich tatsächlich </i>hinter<i> einem selbst befinden, der sollte meinen älteren Arikel </i><a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/03/warum-wir-eigentlich-um-ecken-sehen.html">"Wie man um Ecken sehen kann"</a> <i>lesen.</i><br />
<br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-73017901289470952782014-05-10T15:16:00.000+02:002014-05-10T15:33:52.254+02:00Sinne der Curiosity IV - Den Mars fühlenIn dieser kurzen Artikelserie stelle ich die zehn wissenschaftlichen Instrumente des Mars-Rovers namens <i>Curiosity</i> vor, der seit 2012 auf der Marsoberflächt rollt und uns täglich mit faszinierenden Bildern, Daten und Erkenntnissen versorgt.<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/02/sinne-der-curiosity-i-den-mars-sehen.html" target="_blank">Im ersten Teil</a> habe ich neben ein paar allgemeinen Worten über dieses <i>Mars Science Laboratory</i> die Kameras "MastCam", "MAHLI" und "MARDI" beschrieben - es ging also darum, wie <i>Curiosity</i> den Mars "sieht."<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/03/sinne-der-curiosity-ii-den-mars.html" target="_blank">Im zweiten Teil</a> waren die Spektrometer namens "APXS", "ChemCam", "CheMin" und "SAM" an der Reihe. Mit diesen Instrumenten kann <i>Curiosity</i> Marsmaterial "schmecken".<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/04/sinne-der-curiosity-iii-den-mars-horen.html" target="_blank">Der vorhergehende, dritte Teil</a> beschäftigte sich mit den Strahlungsdetektoren "RAD" und "DAN" an Bord des Rovers. Ich ordnete <i>Curiosity</i> durch diese Geräte (etwas willkürlich) einen Hörsinn zu.<br />
<br />
Der heutige Artikel stellt den letzten Teil der Serie dar. Nun fehlt uns nur noch ein wissenschaftliches Instrument - nämlich des Rovers hauseigene Wetterstation namens "REMS".<br />
<a name='more'></a><br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">Den Mars "fühlen"</span></h2>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-yaoGI5wFCug/U1FeY3HXb7I/AAAAAAAABQQ/l_NVnQwwTE4/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_REMS.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-yaoGI5wFCug/U1FeY3HXb7I/AAAAAAAABQQ/l_NVnQwwTE4/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_REMS.png" height="333" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematisches Bild von <i>Curiosity</i>.<br />
Zuletzt betrachten wir heute das Datenerfassungssystem namens <i>Rover Environmental Monitoring Station</i> (REMS).<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
REMS</h3>
Heute soll es also um die <i>Rover Environmental Monitoring Station</i> (oder kurz REMS) gehen - das ist ein System aus Messgeräten, die sechs verschiedene Marsatmosphären-Parameter messen: Windgeschwindigkeit und -richtung, Luftdruck, relative Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Bodentemperatur und UV-Strahlung. All diese Sensoren sind an drei Stellen der <i>Curiosity</i> angebracht, nämlich am Mast (<i>Remote Sensing Mast, </i>RSM. Siehe Bild oben.), auf der Oberseite des Roverdecks und im Körper des rollenden Marslabors.<br />
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-Nz2tuwxzVWA/U1Fuv3bY3eI/AAAAAAAABQk/Fp2n2pOj1v8/s1600/REMS_models.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-Nz2tuwxzVWA/U1Fuv3bY3eI/AAAAAAAABQk/Fp2n2pOj1v8/s1600/REMS_models.jpg" height="241" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">So sehen die zwei "Booms" aus, die am <i>Remote Sensing Mast</i> angebracht sind.<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
Die zwei am Mast angebrachten, sogenannten "Booms" sind Windsensoren. Sie sind nicht nur um einen Winkel von 120° zueinander verdreht, sondern auch in unterschiedlicher Höhe angebracht. Dadurch sollen sie die Windverhältnisse über dem Marsboden so gut es geht erfassen können. Da allerdings der Mast sowie der ganze Rover an sich ja den Wind etwas ablenken und dadurch die Messergebnisse verfälschen, versucht man, die Daten durch nachträgliche Korrekturen zu "berichtigen". Aufgrund zahlreicher Windtunneltests und Computersimulationen, die man bereits vor der Mission durchgeführt hat, weiß man, welche Rechenmethoden man anwenden muss, um die Störung des Windes durch den Rover zu kompensieren.<br />
Außerdem haben beide "Booms" Temperatursensoren.<br />
<br />
"Boom 1" verfügt zusätzlich zu seinem Windsensor über ein Messgerät zur Bestimmung der relativen Luftfeuchtigkeit, wohingegen "Bloom 2" ein Gerät besitzt, welches über die vom Marsboden abgegebene Infrarotstrahlung auf die Oberflächentemperatur rückschließen lässt.<br />
<br />
Der Sensor für ultraviolette (UV-) Strahlung befindet sich, wie bereits erwähnt, am Deck des Roboters. Die sechs Photodioden zur Vermessung der UV-Strahlung sind senkrecht nach oben gerichtet und "sehen" etwa über ein Winkelintervall von 60 Grad. (Auch die Intensität der am Mars herrschenden UV-Strahlung ist für eventuelle, zukünftige lange Aufenthalte von Menschen auf dem Mars von großer Bedeutung - diese Strahlung hat bekanntermaßen ja das nicht zu unterschätzende Potential, z. B. Hautkrebs zu verursachen.)<br />
<br />
Im Inneren des Rovers befindet sich das Luftdruck-Messgerät. Um den äußeren Atmosphärendruck messen können, muss dieses Instrument mit "dem Außen" direkt verbunden sein. Diese Verbindung wird durch eine kleine Röhre geschaffen, durch welche die Marsatmosphäre (nicht aber der Staub, dank der eingebauten Filter) bis zum Messgerät eindringen kann.<br />
<br />
Bei der Konstruktion dieser Messinstrumente gab es vor allem zwei große Herausforderungen und Einschränkungen. Erstens musste garantiert werden können, dass die "Booms" über einen großen Temperaturbereich (-130 bis +70 °C) funktionsfähig bleiben, und zweitens durfte die Gesamtheit aller Instrumente des REMS nicht mehr als 1,3 Kilogramm wiegen.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-318FdB5J8zc/U1FvW0kzMvI/AAAAAAAABQs/RFHh0d6CV5E/s1600/msl20101130_PIA13646-br.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-318FdB5J8zc/U1FvW0kzMvI/AAAAAAAABQs/RFHh0d6CV5E/s1600/msl20101130_PIA13646-br.jpg" height="436" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><i>Curiosity</i> wird zusammengebaut. Hier schön zu sehen sind die zwei "Booms" des REMS.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Die Hauptaufgabe von REMS ist also die systematische Messung von Umgebungsdaten. Egal ob Tag oder Nacht, das System weckt sich jede Stunde ganz von selbst auf, macht für fünf Minuten Messungen, speichert die Werte und befördert sich wieder in einen 55 Minuten andauernden "power nap". Durch diese Messungen sind die Geräte pro Mars-Tag-Nacht-Zyklus für insgesamt zwei Stunden aktiv. Der Energiehaushaltsplan des Rovers erlaubt allerdings eine tägliche Betriebszeit von drei Stunden. Somit bleibt eine ganze Stunde für außerplanmäßige Messungen oder für Verlängerungen der Messzeiten, wenn in den stündlichen 5-Minuten-Messungen ein "atmosphärisches event" erfasst wird.(Auch diese Detektion mit anschließender Verlängerung wird autonom von einem Algorithmus bewerkstelligt.)<br />
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-lNA7LFfEJDM/U1F0Azq7f-I/AAAAAAAABRE/9Xcgz-6xi5k/s1600/123624main_dust_devil_mars_web.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-lNA7LFfEJDM/U1F0Azq7f-I/AAAAAAAABRE/9Xcgz-6xi5k/s1600/123624main_dust_devil_mars_web.jpg" height="188" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein <i>dust devil</i> am Mars - fotografiert vom Rover <i>Spirit</i>.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
Zuletzt möchte ich noch kurz erwähnen, auf welche Aspekte der Einsatz des REMS letztendlich abzielt.<br />
Man möchte zum einen das generelle Verhalten der Marsatmosphäre kennenlernen, also ihre Zirkulationsformen, Fronten, Jets, usw. Dann will man auch über kleinere, lokale Wetterphänomene, wie z. B. Turbulenzen, Wärmeflüssen, <i>dust devils</i> (Sand aufwirbelnde Wirbelwinde) etc., lernen. Wozu hätte man außerdem den Feuchtigkeitssensor eingebaut, wenn man nicht an den lokalen Wasserkreisläufen und deren räumlichen und zeitlichen Variationen interessiert wäre? Der UV-Sensor soll überdies Aufschluss geben über die Zerstörungskraft von ultravioletter Strahlung, UV-optische Eigenschaften des Marsstaubs, Photolyseraten und Oxidationsmittelproduktion. Zusätzlich soll REMS Informationen über die unterirdische Habitabilität aufgrund der Boden-Atmosphäre-Wechselwirkung geben.<br />
<br />
Nun da wir wissen, welche Geräte zur Erfassung des Marswetters und der Roverumgebung am Roboter installiert sind, wäre es doch interessant zu wissen, welches Wetter <i>gerade eben</i> am Mars herrscht, oder? - Ein Glück, dass es den Mars-Wetterbericht des MSL/REMS-Projekts gibt!<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><iframe frameborder="0" height="870" scrolling="yes" src="http://cab.inta-csic.es/rems/wp-content/plugins/marsweather-widget/widget.php?lang=es" width="240px"></iframe></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Täglicher Wetterbericht vom Mars.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/CSIC-INTA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Wie wir in dieser Artikelserie also gesehen haben, ist <i>Curiosity</i> mit wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, welche uns den Gewinn eines breitgefächerten Spektrums an Erkenntnissen praktisch garantieren. Unser Wissen über den Mars und über unsere intrastellare Umgebung und somit auch über unsere Entstehungsgeschichte und Leben auf dem Nachbar- und Heimatplaneten Erde wächst durch Missionen wie dieses <i>Mars Science Laboratory</i> unaufhaltsam und fast täglich an.<br />
<br />
<i>Ist es nicht spannend, faszinierend und wünschenswert, fremde und so weit entfernte Welten zu erforschen, welche noch nie jemand zuvor mit einem so großen Grad an Detailliertheit sehen und erfassen konnte?</i><br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-t98QRhEAEao/U1FxnCaExUI/AAAAAAAABQ4/XzykZp1smrI/s1600/pia16239_c-br.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-t98QRhEAEao/U1FxnCaExUI/AAAAAAAABQ4/XzykZp1smrI/s1600/pia16239_c-br.jpg" height="640" width="460" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Portrait von <i>Curiosity</i> - aufgenommen von einem 2,6 Meter großen, grünen Marsmännchen <i>(*)</i>.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/Malin Space Science Systems)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
__________<br />
<span style="font-size: x-small;"><i>(*) Das war natürlich ein Scherz! Gleich nachdem dieses Bild veröffentlicht wurde, fragten sich viele, wer denn dieses Bild aufgenommen hätte, wo doch offensichtlich kein Roboterarm sichtbar ist, der den Rover mit der Kamera verbindet. Tatsächlich ist dieses Bild aber ein Mosaik aus mehreren Einzelbildern, wodurch der Verbindungsarm zur Verschwinden gebracht werden konnte.</i></span>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-33477855217736324522014-05-03T17:28:00.000+02:002014-09-09T21:33:52.370+02:00Gedanken zur Tschernobyl-Katastrophe (2/2)<i>Dieser Artikel ist die Fortsetzung eines <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/04/gedanken-zur-tschernobyl-katastrophe-12.html" target="_blank">einleitenden Artikels zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl</a>, in welchem der Unfall, seine Ursachen und ein paar seiner Konsequenzen knapp besprochen wurden. Für das generelle Verständnis des heutigen Artikels ist der erste aber nicht essentiell.</i><br />
<br />
<h2>
<span style="font-size: large;">
Können wir nach allem, was passiert ist (die Tschernobyl-Katastrophe ist ja nur einer von mehreren Unfällen - wenn auch einer der bislang größten), überhaupt noch Argumente <i>für</i> die Energiegewinnung durch Kernkraft finden?</span></h2>
<a name='more'></a>Nun ja, soweit ich es beurteilen kann, gibt es sehr wohl Pro-Argumente.<br />
<b>Ein erheblicher Vorteil von Kernkraftwerken ist, dass sie während des Betriebs keine Schadstoffe ausstoßen</b>, was in Anbetracht der zweifelsfrei stattfindenden globalen Erwärmung durch jahrzehntelangen Ausstoß von Kohlendioxid (CO<sub>2</sub>) und anderen Treibhausgasen von enormer Bedeutung ist. Wird von einer Regierung und/oder Bevölkerung beschlossen, Kernkraftwerke stillzulegen, so werden oftmals weitere Kohlekraftwerke eröffnet (wie z. B. in Deutschland). Diese Kohlekraftwerke sind ein schlechter Ersatz für Kernkraftwerke, zumal sie enorme Mengen CO<span style="font-size: 13px;">2</span> ausstoßen. Abhängig von Bauart und eingesetzter Technologie setzt ein Kohlekraftwerk etwa 17 bis 60 mal so viel CO<span style="font-size: 13px;">2</span> frei wie ein Kernkraftwerk bzw. wie Wind- oder Wasserkraftwerke. Es ist nicht besonders verwunderlich, dass die Experten des aktuellen <a href="http://www.ipcc.ch/" target="_blank">IPCC</a>-Klimaberichts auf diesen positiven Aspekt der Kernkraft hinweisen. Klar, Kohle ist billig und ausreichend vorhanden (deshalb kommt auch so ein großer Teil unserer Energie aus dieser Ressource) - aber auch Kernkraft ist billig, da die Energiemenge, die man durch Kernspaltung gewinnen kann, unglaublich viel größer ist als die Energiemenge, die durch die Verbrennung von Kohle entsteht. <b>Kernkraftwerke können also prinzipiell viel effizienter sein als andere Arten von Kraftwerken.</b><br />
<br />
<b>Ein großes Anti-Kernkraftargument ist häufig die Problematik der "Endlagerung".</b> Es geht dabei darum, dass man "abgebrannte" Brennelemente, die keine effiziente Energieerzeugung mehr ermöglichen, isoliert und von der Umwelt getrennt irgendwo lagern muss, bis die Radioaktivität auf ein gesundheitlich unbedenkliches Maß abgeklungen ist (was in der Tat sehr lange dauert). Soweit ich beurteilen kann, stellt die Energieerzeugung durch Kernkraftwerke auch <i>dann</i> noch eine gute Alternative zu manch anderen Stromerzeugungsarten dar, wenn man die Problematik der Endlagerung mitberücksichtigt. Ich möchte hier aber nicht ausführlicher auf dieses Thema eingehen.<br />
Nur Eines soll noch erwähnt werden, denn dies ist vielen unbekannt, denke ich: <b>Man kann große Mengen an "Atommüll" vermeiden, wenn man die abgebrannten Brennelemente wiederaufbereitet</b>, also auf eine gewisse Art "recycelt". Die Menschheit kann und will sich aber leider immer noch nicht soweit selbst vertrauen, dass man dieses Wiederaufbereiten überall erlaubt. Der Grund dafür ist, dass man in diesem Prozess waffenfähiges Plutonium gewinnen kann. Außerdem kommt dazu, dass es im Moment noch viel wirtschaftlicher ist, die alten Brennelemente "wegzuwerfen" und sich neue zu besorgen als die gebrauchten wiederaufzubereiten.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-nn8xua9W0iE/U1gw_w0swEI/AAAAAAAABSc/u2yzN02afuU/s1600/RBMK_reactor_from_Ignalina_ArM.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-nn8xua9W0iE/U1gw_w0swEI/AAAAAAAABSc/u2yzN02afuU/s1600/RBMK_reactor_from_Ignalina_ArM.jpg" height="452" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Reaktorhalle des mittlerweile stillgelegten Kernkraftwerks Ignalina (Litauen).<br />
Gut sichtbar sind die vielen einzelnen Druckröhren, die charakteristisch für den RBMK-Typ sind.<br />
(Credit: Argonne National Laboratory, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><br /></b>
<b>Die Technik, die in Kernkraftwerken eingesetzt wird bzw. werden kann, ist ausreichend gut verstanden, um einen äußerst sicheren Betrieb garantieren zu können.</b> Für den Bau von Reaktoren gelten strenge Sicherheitsauflagen und das Risiko eines großen Unfalls ist bei modernen Reaktoren tatsächlich sehr gering. Man hat mittlerweile auch erkannt, dass der Mensch einer der größten Risikofaktoren beim Betrieb eines Reaktors darstellt, da er Situationen falsch beurteilen und falsch handeln kann (vgl. Tschernobyl-Unfall). Deshalb sind Sicherheitssysteme mehrfach redundant vorhanden, funktionieren jeweils unabhängig und durch verschiedene physikalische Effekte und sind räumlich voneinander getrennt. Es können also sogar mehrere Sicherheitssysteme im Reaktor ausfallen, ohne dass unausweichlich eine unkontrollierbare Situation entsteht.<br />
Sehr oft wird in Diskussionen das Argument hervorgebracht, dass - egal was man über die Sicherheit von Reaktoren sagen kann - ja doch immer wieder "etwas passiert" sei. Dies ist ein durchaus vernünftiger Einwand. <b>Leider aber werden die Anti-Kernkraftargumente oft mit der Tschernobyl-Katastrophe als Argument untermauert, was die doch einigermaßen komplexe und vielschichtige Problematik zu sehr vereinfacht.</b> Der Grund dafür ist simpel: Der RBMK-Reaktortyp, wie er im Kernkraftwerk Tschernobyl und in vielen anderen sowjetischen Kraftwerken eingesetzt wurde, ist tatsächlich eine (vergleichsweise) risikoreiche Maschine, wie bereits im vorhergehenden Artikel angedeutet! Es wäre nicht vernünftig, weitere RBMK's zu bauen - darauf kann man sich vermutlich schnell einigen. Doch es gibt <i>andere</i> Typen von Kernkraftwerken; die verbreitetsten unter ihnen sind wohl die Druckwasser- (<i>PWR, pressurized water reactor)</i> und Siedewasserreaktoren (<i>BWR, boiling water reactor</i>). Diese Bauformen sind grundlegend anderes, haben viel mehr Sicherheitssysteme, welche wiederum mehrmals vorhanden sind und sogar jeweils verschiedene physikalische Funktionsweisen für einen gleichen Effekt haben. (So kann z. B. die Kettenreaktion im Kern entweder durch Einfahren von Steuerstäben gestoppt werden, oder aber - wenn beispielsweise der Strom für den Steuerstabantrieb ausfällt - durch Borsäure (Neutronenabsorber), die den Reaktorkern flutet, wenn ein entstehender Überdruck eine entsprechende Berstscheibe zerbrechen lässt.) Diese Reaktoren haben wiederum einen <i>negativen</i> Dampfblasenkoeffizienten, weil das Wasser sowohl Kühlungs- als auch Moderatormittel ist. (Es gilt wiederum: Gelangt weniger Wasser zum Kern oder entstehen Dampfblasen aufgrund erhöhter Reaktivität, so bewirkt der Verlust von Moderatorflüssigkeit eine geringere Ausbeute von langsamen Neutronen für die weitere Kernspaltung und der Reaktor kühlt aufgrund geringerer Spaltraten von selbst ab.)<br />
<br />
<b>Natürlich - das Risiko ist bei <i>keinem</i> Kernreaktor Null.</b> (Das würde ja auch gar nicht realisierbar sein.) <b>Aber ich hoffe, dass jedem bewusst ist, dass man - als Individuum oder als Gesellschaft - <i>immer</i> abwiegen muss zwischen Risiko und Nutzen und sich letztendlich nur für einen <i>Kompromiss</i> entschließen kann.</b><br />
Jetzt kommt ein auf den ersten Blick billig wirkender Vergleich - doch denkt bis zum Ende mit, dann wisst ihr, worauf ich <i>eigentlich</i> damit hinaus will:<br />
Möchte man als Privatperson etwa die großen Vorteile eines eigens gesteuerten Fortbewegungsmittels (z. B. Auto) genießen, muss man bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Im 8,4-Millionen-Einwohner-Land Österreich sterben <a href="http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/unfaelle/strassenverkehrsunfaelle/index.html" target="_blank">pro Jahr mehr als 500 Personen</a> durch Verkehrsunfälle. Das Risiko für den einzelnen Autofahrer ist somit gering, aber dennoch nicht Null. Man nimmt tatsächlich - und das kann man natürlich auch vernünftig rechtfertigen - ein geringes Risiko, in einem Verkehrsunfall zu sterben, in Kauf, sobald man in ein Auto steigt - ob man es will oder nicht. Trotz den über 500 Verkehrstoten pro Jahr in Österreich (in Deutschland sind es <a href="https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/EckdatenTU.html" target="_blank">knappe 4000 pro Jahr</a>) würden die wenigsten von uns auf die Straße gehen und für die generelle Abschaffung des Transportwesens demonstrieren. Diese Anzahl an Sterbefällen pro Jahr wird also von der Gesamtheit der Bevölkerung in gewisser Weise <i>akzeptiert</i>. "Es lässt sich einfach nicht vermeiden, es ist halt so", denkt man sich. Diese Aussage tätigen wir wohl deshalb so leichtfertig, weil man als Einzelperson nicht panisch fürchtet, dass man <i>selbst</i> bald Opfer eines Verkehrsunfalls wird - und der Grund dafür ist, ganz simpel gesagt, das geringe Risiko.<br />
Ich finde, dass diese Argumentation durchaus auch auf Überlegungen bezüglich Kernkraftwerken anwendbar ist: Die Vor- und Nachteile von Kernkraftwerken sind bekannt (oder sollten es im Groben zumindest sein!). Wir bekommen billigen Strom, verbunden mit geringer Schadstoffproduktion und wenig Platzaufwand für das Kraftwerk (verglichen mit z. B. Wasserkraftwerken). Zu all diesen Vorteilen wird - so wie bei allem im Leben - ein Risiko mitgeliefert, nämlich das Risiko freigesetzt werdender Radioaktivität. Natürlich sind wir interessiert, dieses Risiko zu minimieren, was uns auch gut gelingt, wenn wir ein Kerkraftwerk nach neuesten Standards bauen (und keine Reaktoren wie den RBMK in Tschernobyl). Natürlich sterben auch Menschen an den Folgen der Kernenergie, doch wenn man die diesbezüglichen Sterbefälle <i>pro Jahr</i> ausrechnet, kommt man auf eine vergleichsweise kleine Zahl. Pro 10 Milliarden Kilowattstunden Kernenergie sterben durchschnittlich <a href="http://www.tagesspiegel.de/wissen/stromerzeugung-opfer-der-energie/3986380.html" target="_blank">0,2 bis 1,2 Menschen</a> (der Großteil übrigens nicht an den Folgen von großen Unfällen, sondern an den des Uranabbaus). Für Kohleenergie ergeben sich 2,8 bis 32,7 Tote pro 10 Mrd. kWh. Um diese Zahl vergleichen zu können, machen wir als Beispiel eine Abschätzung für Deutschland. <a href="http://www.kernenergie.de/kernenergie/themen/kernkraftwerke/kernkraftwerke-in-deutschland.php" target="_blank">Anscheinend</a> werden in Deutschland jährlich etwa 100 Milliarden Kilowattstunden Strom durch Kernkraftwerke erzeugt. Wir müssen also die zuvor angegebenen Zahlen der Todesfälle mit 10 multiplizieren, um auf die ungefähre Gesamtzahl der Todesopfer durch Kernenergie pro Jahr in Deutschland zu kommen. Wir erhalten 2 bis 12 Todesopfer pro Jahr. Um die gleiche Menge an Strom durch Kohlekraftwerke zu produzieren, müsste man im Schnitt 28 bis 327 Todesfälle in Kauf nehmen. Beide Zahlen, aber natürlich vor allem die Zahl der Kernenergiefolgen-Todesopfer, sind klein im Vergleich zu den fast 4000 Transportmittel-Todesfällen in der gleichen Zeit (welche wiederum wenige sind im Vergleich zu den Toden durch Krebs etc.). Die für diese Rechnung getroffenen Annahmen und die Rechnung an sich sind natürlich etwas undurchsichtig und fehlerbehaftet. Das ganze sollte nur als Abschätzung für die Größenordnungen dienen, mit denen wir es hier zu tun haben.<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<i>Jetzt kommt allerdings ein wichtiger Nachsatz:</i> Mit dieser Argumentation kann ich (und will ich) natürlich nicht den Bau von Kernkraftwerken befürworten. Das geht auch gar nicht, denn ich vergleiche mehrere Zahlen von Todesfällen, die jeweils nichts miteinander zu tun haben, - und es steht logischerweise auch überhaupt nicht zur Diskussion, dass <i>jeder</i> frühzeitige Tod eines Menschen bedauernswert ist und so gut es geht vermieden werden sollte. Die obige Überlegung sollte allerdings einen Gedankenanstoß geben, der einen selbst etwas allumfassender über das Thema nachdenken lässt. <b>Obwohl (zumindest in Deutschland) die zwei "Tausendstel-Menschen" (0,002) pro Jahr, die an den Folgen der Kernenergie sterben, eine verschwindend kleine Zahl im Vergleich zu den 4000 "ganzen Menschen", die im Transportwesen sterben, ist, werden letztere Todesfälle von der Gesamtheit der Gesellschaft weitgehend <i>akzeptiert</i> und erstere oft nicht.</b> Oder anders formuliert: Leute gehen auf die Straße, um gegen den Bau eines neuen Kernkraftwerks zu demonstrieren (paradoxerweise aber seltener, um gegen ein Kohlekraftwerk zu demonstrieren, soweit mir bekannt), sie demonstrieren jedoch nicht gegen die Erhaltung des Transportwesens und die damit verbundenen jährlichen Todesfälle. Denkt man länger über diesen Sachverhalt nach, stellt sich hier doch die Frage <i>"Warum?</i>", oder?<br />
<br />
<table align="center" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-obPKyNmoBGY/U1g34CRgt3I/AAAAAAAABS8/Rn9CgVZCLtg/s1600/Patent-Motorwagen_Nr.1_Benz_2.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-obPKyNmoBGY/U1g34CRgt3I/AAAAAAAABS8/Rn9CgVZCLtg/s1600/Patent-Motorwagen_Nr.1_Benz_2.jpg" height="215" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">1886: Benz-Patent-Motorwagen Nummer 1,<br />
das erste "moderne" Automobil.<br />
(Credit: DaimlerChrysler AG)</td></tr>
</tbody></table>
</td>
<td><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-rgDijIN4ps0/U1g3xerhCVI/AAAAAAAABS4/_lcPFC26bWI/s1600/TeslaRoadster-front.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-rgDijIN4ps0/U1g3xerhCVI/AAAAAAAABS4/_lcPFC26bWI/s1600/TeslaRoadster-front.jpg" height="240" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">2006: Tesla Roadster,<br />
das erste Modell des Elektroauto-Herstellers Tesla.<br />
(Credit: fogcat5, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
</td></tr>
<tr><td class="tr-caption" colspan="2" style="text-align: center;">Der Autoverkehr hat sich in 120 Jahren offensichtlich stark verändert. An das seither gestiegene, mit dem Straßenverkehr verbundene Risiko haben wir uns als Gesellschaft gewöhnt. Anderen Entwicklungen treten wir mit unverhältnismäßig großem Misstrauen gegenüber.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Vermutlich hat die Antwort damit zu tun, dass Autofahren konzeptuell leichter zu verstehen ist als Kernkraftwerke, dass man das Gefühl hat, das eigene Schicksal als Fahrzeuglenker selbst in der Hand zu haben, während man sich bei Kernenergie auf andere Menschen verlassen muss, usw... Der wohl ausschlaggebendste Punkt ist vermutlich allerdings, dass unser Gehirn sich einfach irrsinnig schwer tut mit statistischen Überlegungen. (Wir glauben ja alle irgendwo, dass wir <i>dieses Mal aber</i> einen Sechser würfeln müssen, wo wir doch schon so viele Male zuvor Pech hatten. In den Ohren der Statistik löst eine solche Aussage natürlich trotzdem schlimme Furunkel aus.)<br />
<b>Versucht man diese Frage statistisch zu beantworten</b> - und glaubt mir, viele Fragen <i>muss</i> man statistisch beantworten und sich von seinen persönlichen Erfahrungen lösen, um letztendlich zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen! -, <b>so muss man fast zwangsläufig zum Entschluss kommen, dass man sich über Kernkraftwerke viel weniger aufregen sollte als z. B. über den Autoverkehr.</b><br />
(Das mit dem Verkehr war natürlich nur ein willkürliches Beispiel. - Mit den Todesfällen durch Krebs und ähnliche Krankheiten, die viel dramatischere Zahlenverhältnisse ergeben würden, ginge meine Argumentation allerdings <i>nicht</i>, denn man kann, denke ich, davon ausgehen, dass die Bevölkerung durchaus an der Reduktion der Sterbefälle durch Krebserkrankungen interessiert ist und diese Art der Sterbefälle somit nicht im oben erklärten Sinne <i>akzeptiert</i>.)<br />
<br />
Das Risiko von Sterbefällen als Folge von Kernenergie ist also sehr gering im Vergleich zu anderen Energieformen. Aufmerksamen Lesern stellt sich vielleicht die Frage, wie es denn mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen aussieht, die nicht zum Tod führen und somit nicht in die vorherigen Überlegungen eingegangen sind. Zu diesem Punkt werde ich hier allerdings nichts schreiben, denn 1.) ist die Abschätzung der Korrelationen zwischen Krankheiten etc. und den verschiedenen Energieformen äußerst schwierig, 2.) wollte ich mit dem Beispiel der Todesfälle nur ein grobes Gefühl für die Zahlenverhältnisse geben und darauf aufmerksam machen, dass Kernkraftwerke keine akute Gefahr für unsere Bevölkerung darzustellen scheinen und 3.) würde eine weitere Behandlung den Artikel <i>noch</i> länger machen.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-vrpl64HYyfA/U1gzrh3-HlI/AAAAAAAABSo/NOhfGmTUlMI/s1600/triga_ati.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-vrpl64HYyfA/U1gzrh3-HlI/AAAAAAAABSo/NOhfGmTUlMI/s1600/triga_ati.jpg" height="480" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Blick ins Innere des TRIGA-Forschungsreaktors des Atominstituts der Technischen Universität Wien.<br />
Aufgrund der geringen Leistung dieses Reaktors kann man bedenkenlos während des Betriebs von oben auf das <i>Core</i> schauen.<br />
(Credit: ATI, TU Wien)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<i>Jede Medaille hat zwei Seiten...</i><br />
Ein gewisses Risiko, sei es vielleicht noch so klein, gibt es immer, egal was man tut.<br />
Geht man als Einzelperson außer Haus, kann es passieren, dass man von einem Auto überfahren wird. Bleibt man immer Daheim, läuft man z. B. Gefahr zu vereinsamen.<br />
Baut eine Gesellschaft ein Kernkraftwerk, kann es passieren, dass ein Unfall passiert und radioaktive Stoffe in die Umwelt freigesetzt werden. Baut man <i>kein</i> Kernkraftwerk, muss man auf andere Technologien zurückgreifen. Eine Kohlekraftwerk hat dann etwa eine Erwärmung des Planeten zur Folge, was unvorstellbar tiefgreifende Folgen haben wird. (Es gibt natürlich bessere Alternativen zu Kohlekraftwerken, z. B. im Bereich der "erneuerbaren Energien". Außerdem bin ich für dieses Argument davon ausgegangen, dass die Strommenge, die wir brauchen, nach unten hin unveränderlich ist, was eine durchaus vernünftige Annahme darstellt, wo man doch schätzt, dass der globale Energieverbrauch sich bis zum Jahr 2050 mindestens ver<i>doppelt</i> hat.)<br />
<br />
<b>Kernkraftwerke sind also insgesamt gesehen keine so schlechte Möglichkeit zur Energieproduktion, wie man vermuten könnte</b> (...zumindest großteils in Österreich - von anderen Ländern hab ich diesbezüglich wenig Erfahrung). Man sollte sich, sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft, zumindest überlegen, welche Anteile des Stroms in der Leitung von welchen Quellen kommen sollten. Sicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind dabei wichtige Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen.<br />
<br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-kRkBz3wx4bA/U1guOrwg9KI/AAAAAAAABSU/4v_kQXOq4Fg/s1600/ITER.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-kRkBz3wx4bA/U1guOrwg9KI/AAAAAAAABSU/4v_kQXOq4Fg/s1600/ITER.jpg" height="400" width="266" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein modellhafter Querschnitt durch den von mehreren Nationen<br />
auf europäischem Boden in Bau befindlichen Fusionsreaktor <a href="https://www.iter.org/" target="_blank">ITER</a>.<br />
(Man beachte den weißen Menschen rechts unten!)<br />
In einem toroidalen Plasmagefäß wird Gas so lange erhitzt und<br />
komprimiert werden, bis Atomkerne miteinander verschmelzen<br />
und Energie freisetzen.<br />
(Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b>Ein weiterer Gedanke, der hier angeführt werden soll, ist, dass der Strom aus der Steckdose auch in Zukunft immer ein <i>Mix</i> aus verschiedenen Quellen bleiben wird.</b> Es wäre nicht sinnvoll, elektrische Energie aus nur <i>einem</i> Typ von Kraftwerk zu beziehen. Angeregt durch diesen Gedanken möchte ich hier nochmal bemerken, dass dieser Text kein Plädoyer für den Bau von Kernkraftwerken sein sollte, sondern lediglich die irrationale Angst und Skepsis bezüglich <i>dieser</i> Form der Energieerzeugung nehmen sollte. Möglicherweise habe ich mich hinreißen lassen, eher die Pro-Kernkraftargumente anzuführen, doch irgendwo war dies auch meine Intention, da Argumente <i>gegen</i> die Kernkraft meiner Meinung nach ohnehin oft durch's Land gerufen werden.<br />
<br />
Wir werden außerdem sehen, welche Technologien wir in Zukunft entwickeln werden. Einerseits wird es einen Fortschritt in der Verbesserung der Effizienz von elektronischen Geräten geben (was vermutlich aber nicht das Energieproblem lösen kann, da wir dann dazu neigen werden, einfach <i>mehr</i> Energie zu brauchen), andererseits hofft man auf völlig neue und die Energiegewinnung revolutionierende Technologien (in diesem Zusammenhang werden oft die momentan sich in Entwicklung befindlichen Fusionsreaktoren genannt). Es gibt viele Menschen, die sich um eine Verbesserung der Welt in Hinsicht auf unser Energieproblem bemühen - hoffen wir, dass ihnen genügend (finanzielle) Mittel zur Verfügung gestellt werden!<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://lasers.llnl.gov/content/assets/images/media/photo-gallery/medium/nif-0806-12609_red.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="492" src="https://lasers.llnl.gov/content/assets/images/media/photo-gallery/medium/nif-0806-12609_red.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Inneres des Fusionsreaktors der amerikanischen <i><a href="https://lasers.llnl.gov/" target="_blank">National Ignition Facility</a></i>.<br />
192 Laserstrahlen sollen eines Tages gleichzeitig auf ein winziges "Target" treffen,<br />
dort Atome zum Verschmelzen bringen und enorme Mengen an Energie freisetzen.<br />
(Credit: LLNL, NIF)</td></tr>
</tbody></table>
<b><br /></b>
<b>Unsere Gesellschaft</b> - und wenn ich so etwas sage, meine ich natürlich nicht ausschließlich Österreich, sondern eher eine große Gesamtheit von Gesellschaften - <b>würde gut daran tun, sich jetzt und in Zukunft viel ernsthafter und differenzierter mit solchen Themen beschäftigen. Sie muss zumindest ein klein wenig über den (technologischen) Stand der Dinge Bescheid wissen, um vernünftige Entscheidungen treffen zu können!</b> Wir müssen soweit informiert sein, dass wir erkennen, wann es letztendlich wichtig ist, für irgendetwas Steuergelder auszugeben. Andernfalls trifft diese Entscheidung jemand anderer, und wer weiß, zu wessem Wohl dieser Entschluss dann fällt.<br />
Eine Bevölkerung sollte z. B. nicht demonstrieren, wenn die Wartung und Instandhaltung eines Kernkraftwerkes kleine Mengen an Steuergeldern verschlingt - oder die Förderung der Kompetenz des Bedienpersonals. (Jaja, vor allem Geld, das für Bildung ausgegeben wird, wird sich mehrfach auszahlen, auch wenn die aktuelle Entwicklung den Anschein macht, dass dieser Gedanke vielen Politikern fremd sei.) Ansonsten wird man damit rechnen müssen, dass verschlissene Komponenten des Kraftwerks möglicherweise zu einem Unfall führen. Man sollte es sich auch nicht gefallen lassen, wenn eine (private) Betreiberfirma Sicherheitsbedenken nicht ernst genug nimmt. (So war es ja anscheinend im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi: Man wusste, dass der Damm an der Küste zu niedrig war, um große Tsunami-Wellen zurückhalten zu können. Dagegen unternommen hat man nichts, weder die Betreiberfirma, noch die japanische Atomaufsichtsbehörde <i>NISA</i>, noch die Bevölkerung. Jahre später (2011) legte eine Flutwelle die Stromversorgung lahm und führte zu mehreren Kernschmelzen.) Man sollte einfach versuchen, ein Gefühl für die Größenverhältnisse zu erhalten und realisieren, dass manche (nicht alle) Dinge, vergleichsweise gar nicht so teuer sind, wie man (vielleicht durch Medienberichte) vermuten könnte.<br />
Dies trifft natürlich auf eine große Bandbreite an Problemen zu. Ein globales, komplexes Beispiel: Die (industrialisierte) Gesellschaft sollte nicht gleich, ohne zuvor zu überlegen, aufschreien, wenn von der internationalen Politik angestrebt wird, eine "Energiewende" von fossilen Brennstoffen hin zu nachhaltigeren zu finanzieren (was vermutlich etwa 1 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts kosten würde, also etwa 500 Milliarden Euro jährlich (Stern-Report) - die globalen Subventionen für die fossile Treibstoffproduktion sind etwa genauso viel, die globalen Ausgaben für militärische Zwecke weit über 1000 Milliarden Euro), sondern vorher die Größenverhältnisse, sowie längerfristige Vor- und Nachteile abwiegen und daraus eine möglichst allumfassende Meinung bilden, die man durchaus bereit ist, jederzeit wieder in Frage zu stellen, vor allem dann, wenn sich neue Erkenntnisse und Möglichkeiten darbieten.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-mBZ-ai7o_7w/U1hBtm9EwzI/AAAAAAAABTM/0pBZzUia4ok/s1600/WGI_AR5_Fig12-5.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-mBZ-ai7o_7w/U1hBtm9EwzI/AAAAAAAABTM/0pBZzUia4ok/s1600/WGI_AR5_Fig12-5.jpg" height="425" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Grafik aus dem aktuellen IPCC-Klimabericht: Veränderung der globalen Oberflächentemperatur.<br />
Wenn wir weitermachen wie bisher, werden die Temperaturen weiterhin rasch anwachsen ("rotes Szenario").<br />
Wir hätten allerdings das Potential, ein anderes Szenario (eines der "blauen") einzuleiten. Enorme Veränderungen in sämtlichen Lebensbereichen unserer industrialisierten Welt wären notwendig. Doch wir könnten es schaffen. Und wir sollten es auch schaffen <i>wollen</i>! - Oder kennt ihr einen anderen Planeten als die Erde, der so gemütlich ist für uns Menschen?<br />
(Quelle: <a href="http://www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/" target="_blank">IPCC Fifth Assessment Report: Climate Change 2013 (AR5)</a>)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
So ... bevor ich noch weitere Türen aufstoße, über die zu schreiben ich mich dann wieder gedrängt fühle, höre ich hier lieber auf. Der Artikel ist lang genug geworden.<br />
<br />
Was wollte ich mit diesem (und dem vorhergehenden) Artikel also eigentlich aussagen?<br />
In aller Kürze könnte man es auf diese paar Sätze zusammenfassen:<br />
<b>Die Welt - und vor allem unsere technologisierte Welt - ist sehr komplex geworden. Wir sollten uns bemühen, Sachverhalte nicht für zu einfach zu halten und Probleme in ihrer Gesamtheit zu verstehen, und erkennen können, dass die wenigsten Dinge entweder "nur gut" oder "nur schlecht" sind und wir somit im besten Fall nur <i>Kompromisse</i> finden können.</b> (Anhand des Tschernobyl-Unfalls und Kernkraftwerken im Allgemeinen habe ich versucht, diese Aussage verständlich zu machen.) <b>Dies wird uns nicht immer gelingen; doch das kann kein Grund dafür sein, es gar nicht erst zu versuchen!</b><br />
<b>Es sieht also so aus, als sei unsere Welt auf allen Ebenen erheblich komplexer und vielseitiger als uns vielleicht lieb sein mag. Irgendwo stört mich das ja auch <i>selbst</i> enorm - doch ob es einem passt oder nicht: Wir müssen uns damit wohl einfach abfinden und dann versuchen, unser Bestes für die Zukunft zu geben.</b><br />
<br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-28873004178719985732014-04-26T00:04:00.000+02:002016-04-27T21:36:49.870+02:00Gedanken zur Tschernobyl-Katastrophe (1/2)<b>Sei es aus eigener Erfahrung oder aus Erzählungen - die meisten von uns wissen wohl, dass sich vor nicht allzu langer Zeit ein schwerer Unfall im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl zutrug. Genauer gesagt ereignete sich die Katastrophe heute vor 28 Jahren, am 26. April 1986.</b><br />
<b><br /></b>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-CxRH9X1NUZw/U1axxEAUOyI/AAAAAAAABRY/WH5hEmyd3_4/s1600/1.02_1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="480" src="https://4.bp.blogspot.com/-CxRH9X1NUZw/U1axxEAUOyI/AAAAAAAABRY/WH5hEmyd3_4/s1600/1.02_1.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl im Jahr 2006.<br />
(Credit: Carl Montgomery, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
Was ist bei diesem Unfall eigentlich passiert? Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Hätte er sich vermeiden lassen? Konnten wir aus diesen Ereignissen etwas lernen?</h3>
<br />
Bereits oft habe ich Menschen getroffen, die sich Antworten auf diese Fragen zutrauten. Dabei variierte der inhaltliche Gehalt und der Detailgrad dieser Antworten erheblich. Manchen genügte die simple Meinung <i>"Da ist das Atomkraftwerk explodiert, halb Europa war dann verstrahlt und wahrscheinlich war das alles sowieso nur eine Frage der Zeit, bis wir zu spüren bekommen, dass wir von dieser unkontrollierbaren Technologie die Finger lassen sollen!"</i> - andere verspürten durchaus den Drang, etwas weiter in die Details und Subtilitäten des Unfalls einzutauchen und wussten auch bereits, dass es grundlegend verschiedene Typen von Reaktoren gibt, dass zahlreiche Betriebsfehler und Regelverletzungen letztendlich zum Unfall von Tschernobyl führten und dass man, um sie vollständig zu begreifen, diese Katastrophe nicht nur im technologischen Rahmen, sondern auch im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen betrachten muss. Fast alle Antworten, die ich hörte, waren allerdings lückenhaft oder verdrehten die Fakten.<br />
<a name='more'></a><br />
Mich selbst würde ich auch nicht als Experte in diesem Gebiet bezeichnen, doch immerhin habe ich mich im Studium und in der Freizeit bereits eingehender mit dem Thema Kernenergie und Reaktortechnik beschäftigt.<br />
Im heutigen Artikel möchte ich die Problematik irgendwo im Bereich zwischen den ganz simplen, eindimensionalen Antworten und den umfangreichen, alle Zusammenhänge in Betracht ziehenden Antworten behandeln und einen Teil meines Wissens und meiner Meinung zu dieser Nuklearkatastrophe in einem knappen Überblick zusammenschreiben. Ich werde viele Details der Ereignisse aussparen und vermutlich viele Aspekte unerwähnt lassen. Mehr mehr wissen möchte, der möge sich im Kommentarbereich nach dem Text zu Wort melden bzw. wird anderswo fündig werden - es gibt genug Informationen in der Welt. ;-)<br />
<br />
Nachdem ich grob beschreiben, welcher Typ von Reaktor es war, in dem der Unfall passierte, und welche verschiedenen Ereignisse schließlich zum Unglück führten, und dabei fleißig kommentieren werde, wird es später einen Fortsetzungs-Artikel geben, in dem ich versuchen werde, manche Aspekte der Kernenergie in einem größeren Rahmen darzustellen und gleichzeitig einen Teil meiner Meinung und meiner Sichtweise bezüglich der Energiegewinnung durch Kernkraftwerke zu argumentieren.<br />
<br />
Ich sollte vielleicht auch gleich zu Beginn erwähnen, dass ich mit keinem der beiden Texte nicht versuchen werde, entweder die Seite der Kernkraft-Gegner oder der -Befürworter einzunehmen und zu verteidigen, sondern vielmehr darauf abziele, Gedankenanstöße zu geben, die der/die Leser/in dann selbst verfolgen und sich eine eigene Meinung bilden kann. Sollte ich falsche Informationen verbreiten, dann bitte ich euch, mich aufmerksam zu machen (...z. B. gleich direkt via Kommentarfunktion, sodass auch andere etwas von diesem Gedankenaustausch haben).<br />
So, jetzt wo ihr über meine Intension Bescheid wisst, kann es ja losgehen:<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-RBlZBsA0HwM/U1ayU4EKtII/AAAAAAAABRg/5AS7SWCaGao/s1600/1.01.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="305" src="https://1.bp.blogspot.com/-RBlZBsA0HwM/U1ayU4EKtII/AAAAAAAABRg/5AS7SWCaGao/s1600/1.01.png" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">(Credit: Holek, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<h3>
Das Kernkraftwerk Tschernobyl</h3>
...befindet sich neben der ehemaligen Arbeiterstadt Prypjat und etwa 100 Kilometer nördlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Es bestand aus vier Blöcken, von denen der letzte (Block 3) Ende 2000 stillgelegt wurde. Zwei weitere Blöcke waren im Bau, konnten aber aufgrund der radioaktiven Belastung nach dem Unfall im Block 4 vorerst nicht fertiggebaut werden. Spätere Pläne zur Fertigstellung wurden wieder verworfen.<br />
<br />
Die Typen der Reaktoren sind vom sog. RBMK-1000-Typ, wobei "RBMK" transkribiert <i>Reaktor Bolschoi Moschtschnosti Kanalny</i> ("Hochleistungsreaktor mit Kanälen") bedeutet und "1000" für die 1000 Megawatt elektrischer Bruttoleistung eines Reaktors steht. <b>Die Reaktoren vom Typ RBMK unterscheiden sich in ihrer Bauweise stark von anderen Bauformen, wie z. B. den viel üblicheren Druck- (<i>PWR</i>) oder Siedewasserreaktoren (<i>BWR</i>). Der Hauptunterschied liegt nämlich in der modulartigen Bauweise des RBMKs.</b> Anstelle eines zentralen Druckbehälters um den Reaktorkern, der wiederum eingebettet ist in mehrere Sicherheitshüllen ("Containments"), wie es z. B. bei Siede- und Druckwasserreaktoren der Fall ist, besteht der RBMK aus vielen einzelnen Druckröhren, in denen sich der nukleare Brennstoff befindet. Die Kettenreaktion in den Druckröhren lässt sich mit aus- und einfahrbaren Steuerstäben kontrollieren, deren Antrieb übrigens viel zu langsam war, um in Gefahrensituationen eine Reaktorschnellabschaltung herbeizuführen. (Die Steuerstäbe brauchen fast 20 Sekunden, um vollständig in den Kern eingefahren zu werden.)<br />
<b>Eines der größen Sicherheitsrisiken des RMBK-Typs ist allerdings der positive "Dampfblasen-Koeffizient" (<i>void coefficient</i>).</b> Um eine Kernspaltung herbeizuführen und dadurch Wärme zu erzeugen, die wiederum die Turbinen des Kraftwerks antreiben kann, werden langsame oder "thermische" Neutronen auf Urankerne geschossen, welche dadurch zerfallen, wodurch wiederum Neutronen entstehen. Diese neu entstandenen Neutronen müssen allerdings erst abgebremst werden, um wiederum Urankerne spalten zu können. Die Aufgabe des Abbremsens kommt in einem Kernreaktor dem "Moderator" zu. In üblichen Reaktoren (<i>PWR</i>, <i>BWR</i>) ist der Moderator Wasser. <b>In RBMKs allerdings ist der Moderator aus Graphit</b>, denn auch Graphit kann Neutronen gut abbremsen, um die Kettenreaktion aufrechtzuerhalten. Das Problem dabei ist, dass der Graphit sich dadurch dramatisch erwärmt - er muss somit gekühlt werden. Dies passiert mit Wasser und funktioniert auch im Normalfall einwandfrei. Problematisch wird es allerdings dann, wenn die Wasserversorgung zum Kern ausfällt (z. B. durch einen Rohrbruch in der Zuleitung). Dann ist das Kühlmittel weg, der Graphitmoderator bremst weiterhin brav die Neutronen ab, treibt die Kernspaltung an und erwärmt sich dabei rasend schnell. Der enorme Temperaturanstieg bringt im schlimmsten Fall den Reaktorkern zum Schmelzen, wodurch radioaktives Material - oft begünstigt durch Wasserstoffexplosionen - in die Umwelt entweichen kann.<br />
Bei Druck- oder Siedewasserreaktoren (als Beispiel) hat das durch den Kern zirkulierende Wasser sowohl eine Kühl- als auch eine Moderatorfunktion. Kommt es also bei diesem Typ von Kraftwerk zu einem Kühlmittelverlust ("LOCA", <i>loss-of-coolant accident</i>), so fällt auch der Moderator weg und die Neutronen können nicht mehr abgebremst werden. Die primäre Kernspaltung stoppt also, weil keine langsamen Neutronen mehr da sind. (Es muss "nur" mehr die Nachzerfallswärme der Spaltprodukte abgeführt werden.) Kraftwerke mit dieser Eigenschaft haben einen <i>negativen</i> Dampfblasen-Koeffizienten.<br />
<br />
<b>Wie man bereits vermuten kann, hat ein RBMK enorme Sicherheitsmängel und Designfehler.</b> Sicherheitssysteme sind teilweise nicht oder mit zu geringer Redundanz vorhanden oder erfordern zu viel menschliches Handeln. Durch die Bauweise ist der Reaktor auch im Normalbetrieb nur aufwendig handhabbar und es gab dafür ein dickes Regelwerk. Zusätzlich besteht hoher Wartungsbedarf, welchem im damaligen politischen und wirtschaftlichen System der Sowjetunion möglicherweise nicht immer ordnungsgemäß nachgekommen wurde. (Soweit ich weiß, waren den Designern des RBMK diese Sicherheitsmängel durchaus bekannt und sie warnten vor einem leichtfertigen Umgang mit diesem Reaktortyp!)<br />
<b>Doch natürlich hat der RBMK auch seine Vorteile, weshalb dann viele von seinem Typ in der ehemaligen Sowjetunion gebaut wurden.</b> So ist er beispielsweise leistungsstärker, dauerbetriebsfähiger, seine Bauteile leichter herstellbar, ... - kurzum: Er ist wirtschaftlicher als viele andere Reaktortypen.<br />
<i>Eine etwas ausführlichere Liste von Vor- und Nachteilen, sowie weitere Informationen zum RBMK gibt's übrigens z. B. <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/RBMK" target="_blank">auf Wikipedia</a>.</i><br />
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-g-tgDshMf6o/U1ay6-KL3MI/AAAAAAAABRs/04SCZ5MESUM/s1600/1.02_2.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="265" src="https://3.bp.blogspot.com/-g-tgDshMf6o/U1ay6-KL3MI/AAAAAAAABRs/04SCZ5MESUM/s1600/1.02_2.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Kernkraftwerk Tschernobyl aus nordwestlicher Blickrichtung.<br />
Im Vordergrund: Gebäude der nahen und heute verlassenen Stadt Prypjat.<br />
(Credit: Cs szabo, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
Wie kam es nun zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl?</h3>
Nun ja, wie bei so gut wie allen Reaktorunfällen in der Geschichte ereignete sich der Unfall nicht im Normalbetrieb, sondern im Rahmen eines Tests. Dieser Test, der laut Sicherheitsvorschriften bereits <i>vor</i> der Inbetriebnahme drei Jahre zuvor stattfinden sollen hätte, sollte zeigen, dass die Rotationsenergie der auslaufenden Turbinen bei einem Stromausfall die Zeit bis zum Anlaufen der Notstromaggregate überbrücken und dabei weiterhin ausreichend Strom für die fortlaufende Kühlung des Reaktors produzieren kann.<br />
<br />
<b>Ich werde nun einen ganz groben Überblick über den Unfallhergang geben</b> (eine genauere Auflistung der Ereignisse findet man z. B. <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Tschernobyl#Chronologie" target="_blank">hier</a>).<br />
<br />
Der Test wurde in der Nacht begonnen. Dazu wurde der Reaktor vorerst heruntergefahren. Dieses Herunterfahren wurde allerdings unterbrochen, weil das Kraftwerk der Außenwelt wieder Strom liefern sollte. Dadurch entstand im Reaktor Xenon, welches Neutronen absorbiert und somit die Kettenreaktion einbremst.<br />
Danach wurde das Kernnotkühlsystem abgeschalten (Teil der Testsimulation eines Stromausfalls) und der Reaktor weiterhin heruntergefahren. Er sollte auf 25 % der Nennleistung abgefahren werden.<br />
Tja...blöderweise war dann Schichtwechsel - der Test hatte sich unerwartet verzögert und die neue Schicht war im Vorhinein nicht instruiert worden, denn sie hätte dieser Test im Normalfall nicht betroffen. Sie hatte somit wenig Ahnung von den Geschehnissen. Die Reaktorleistung wurde auf etwa 1 % der Nennleistung abgefahren. <i>(Regelverletzung! - Die Leistung durfte solch niedrige Werte nie erreichen.)</i> Um diesen Fehler zu kompensieren, wollte man den Reaktor wieder hochfahren. Durch das zuvor entstandene Xenon war die Kettenreaktion allerdings stark eingebremst ("Xenonvergiftung"), sodass man die Steuerstäbe unüblich weit herausziehen musste. (Eigentlich hätte man den Reaktor in dieser Situation ja abschalten müssen, weil die Mindestnennleistung von 20 % nicht erreicht werden konnte und weniger Steuerstäbe im Kern waren als erlaubt.) Der Reaktor wurde trotzdem weiterbetrieben. <i>(Regelverletzung!)</i><br />
Im Folgenden wurden weitere Bedien- und Interpretationsfehler der Signale gemacht (z. B. bemerkte man nicht, dass das Notkühlsystem noch von der vorhergehenden Schicht abgeschalten war).<br />
Der Reaktor konnte allerdings stabilisiert werden, wobei der Wasserpegel in ihm nur bei zwei Drittel des vorgeschriebenen Wertes stand.<br />
<br />
Nun - mehr als 24 Stunden später - begann man erneut mit dem Test.<br />
Die Turbinenschnellschlussventile wurden geschlossen, wodurch die Wärmeabfuhr aus dem Reaktorkern unterbrochen wurde und sich dieser dadurch stark erhitzte. Die Regelungstechnik reagierte richtig darauf und fuhr die Steuerstäbe ein. Aufgrund des oben bereits erwähnten Designfehlers der zu langsamen Einfahrgeschwindigkeit konnte die Situation allerdings nicht wirklich unter Kontrolle gebracht werden. Immer mehr Neutronen standen für die Kernspaltung zur Verfügung (u. a. auch deshalb, weil das zuvor entstandene Xenon, das die Spaltung bislang einbremste, nun verstärkt abgebaut wurde, also immer weniger Neutronen durch Absorption der Kernspaltung entzogen wurden). Der Reaktor erwärmte sich stark, wodurch Dampfblasen entstanden, welche aufgrund des <i>positiven</i> Dampfblasen-Koeffizienten wiederum die Reaktivität hochtrieben, wodurch der Reaktor noch heißer wurde, wiederum mehr Dampfblasen entstanden, die wiederum... - Naja, ihr seht schon: Die Effekte schaukelten sich gegenseitig auf.<br />
Schnell veranlasste der Schichtleiter eine Reaktornotabschaltung. Dabei wurden alle Steuerstäbe (...langsam) in den Reaktor eingefahren. Leider machte sich nun ein weiterer Designfehler bemerkbar: Die meisten Spitzen der Steuerstäbe waren aus Graphit - also aus Moderatormaterial. Beim Einfahren der Stäbe wurde die Reaktorleistung also kurz angeheizt und erhöht, bevor die Steuerfunktion einsetzen konnte. Dieser Effekte genügte, um die sog. "prompte Kritikalität" zu überschreiten und den Reaktor in Sekundenbruchteilen derart zu überhitzen, dass Explosionen stattfanden, die sogar große Teile des Reaktorgebäudes zerstörten. Es war der 26. April, 1:23:44 Uhr.<br />
Radioaktivität trat in die Umwelt aus.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-8ckDgVxC_1E/U1azWPdOr3I/AAAAAAAABR0/tfB1tNhE0AM/s1600/1.03.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="530" src="https://1.bp.blogspot.com/-8ckDgVxC_1E/U1azWPdOr3I/AAAAAAAABR0/tfB1tNhE0AM/s1600/1.03.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Tschernobyl #4 wenige Tage nach der Explosion.<br />
(Credit: <i>unknown</i>, via <a href="http://www.boston.com/bigpicture/2011/04/chernobyl_disaster_25th_annive.html" target="_blank">boston.com</a>)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
Nun gut...was passierte dann?</h3>
26. April, 4:30 Uhr (mehr als drei Stunden nach der Explosion): <b>Der Schichtleiter meldete, dass der Reaktor intakt sei</b> und nur einer Kühlung bedurfte. Diese Informationen gingen auch nach Moskau, was zur Folge hatte, dass die <b>Evakuierung der 48.000-Einwohner-Stadt Prypjat erst am Tag darauf</b> (am 27. April) begann. An diesem Tag fing man auch damit an, von Hubschraubern Blei, Bohr, Dolomit, Sand und Lehm auf das brennende Graphit und den Kern zu werfen, mit dem Ziel, die Spaltproduktfreisetzung zu vermindern.<br />
<b>Der Rest der Welt wusste noch immer nichts von der Katastrophe; vor Ort wurde der Ernst der Lage und das Ausmaß der Katastrophe großteils herabgespielt oder nicht wahrgenommen.</b><br />
Erst am darauffolgenden Tag - am Vormittag des 28. Aprils - löste im 1200 Kilometer entfernten, schwedischen Kernkraftwerk Forsmark ein Strahlenalarm aus. Nachdem man bald ermitteln konnte, dass die Radioaktivität <i>im</i> schwedischen Reaktorgebäude geringer war als die Radioaktivität <i>außerhalb</i> des Gebäudes, vermutete man als Grund einen Unfall auf sowjetischem Boden. Traurigerweise herrschte den ganzen Tag Nachrichtensperre seitens der Sowjetunion. Am Abend wurde Tschernobyl als Unfallort angegeben, doch es dauerte bis zum nächsten Tag (29. April) bis seitens sowjetischer Quellen erstmals von einer "Katastrophe" gesprochen wurde. Europa wusste nun also, dass etwas "Gröberes" im Kernkraftwerk Tschernobyl passiert war, hatte jedoch wenig Ahnung 1.) vom Ausmaß des Unfalls und 2.) vom "Quellterm", also von der Menge und der Art der freigesetzten Spaltprodukte. Es gab praktisch keine Informationen über den sowjetischen RBMK-Reaktortyp. Durch Messungen der Radioaktivität in Europa versuchte man, den Quellterm abzuschätzen. Immerhin musste man die Bevölkerung informieren und Verhaltensmaßnahmen nahelegen. Auch die Bilder der europäischen Satelliten konnten nur grob die Situation auflösen und waren nicht ausreichend, sie vollständig zu beurteilen.<br />
<b>Am 6. Mai 1986 - zehn Tage nach der Explosion im Block 4 - konnte die Spaltproduktfreisetzung weitgehend unterbunden werden.</b><br />
<br />
<b> </b>
<br />
Im nächsten Teil werde ich dann versuchen, die Katastrophe von Tschernobyl und die allgemeine Situation bezüglich der Energieerzeugung durch Kernkraftwerke in einem größeren Rahmen darzustellen und meine diesbezügliche Sichtweise zu argumentieren.<br />
<div style="text-align: right;">
<b><a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/05/gedanken-zur-tschernobyl-katastrophe-22.html">>> weiter zum Fortsetzungs-Artikel</a></b></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-27180578655601887192014-04-16T11:29:00.000+02:002014-04-16T14:22:31.085+02:00Die Zeit vergeht und mir macht das Bloggen Spaß<b>Mein Blog hat Geburtstag.</b><br />
Oder sollte ich vielleicht besser sagen, er ist nun schon ein Jahr alt? - Auch das würde nicht ganz genau auf den Tag stimmen. Ich weiß ja außerdem gar nicht mal genau, an welchem Tag ich das Blog offiziell eröffnet habe.<br />
Lasst es mich also mal vorsichtig formulieren: Ich blogge nun etwa seit einem Jahr und möchte die Gelegenheit nutzen, um mich erneut bei meinen fleißigen Leserinnen und Lesern zu bedanken, die von Anfang an dabei bzw. später dazugestoßen sind.<br />
(Zumindest beim letzten Teil des vorhergehenden Satzes bin ich mir völlig sicher! ;-) )<br />
<a name='more'></a><br />
Ein Jahr Bloggen ist natürlich noch keine besonders lange Zeit - man lernt gerade mal ein bisschen seine eigene Art, Texte zu schreiben, kennen und bekommt ein Gefühl dafür, wie viel Zeit man sich für das Schreiben der Artikel nehmen kann/möchte. Man hat gerade so viel Schreiberfahrung gesammelt, um erkennen zu können, dass es einem durchaus nicht schaden wird, <i>noch mehr</i> Erfahrung zu sammeln. Man steckt sich neue Ziele, verwirft diese wieder, freut sich, wenn man doch einige von ihnen erreicht, und ärgert sich, wenn man auch nach einem Jahr gewisse Dinge immer noch nicht schafft. (Beispielsweise fällt es mir immer noch schwer, <i>keine</i> furchtbar langen Artikel zu schreiben, egal wie wenig Inhalt ich mir für einen Text vornehme. ;-) )<br />
Ich habe nicht vor, in der nächsten Zeit mit dem Bloggen aufzuhören - vielleicht gelingt mir ja einmal ein kurzer Artikel!<br />
Ob ich den Schnitt von über 80 Artikeln pro Jahr halten kann, weiß ich momentan allerdings nicht. Ideen für die Texte zu sammeln, sie im Kopf zu strukturieren, sie zu formulieren und nachzubessern - all das verschlingt eine relativ große Menge an Zeit. Und Zeit ist leider genau der Faktor, der mir oftmals einen Strich durch die Rechnung macht und mich zwingt, das Schreiben des nächsten Blogartikels für unbestimmte Zeit aufzuschieben.<br />
(Auch einen besseren, kürzeren Blogtitel möchte ich mir ja schon längst einmal einfallen lassen, aber soweit habe ich's auch noch nicht geschafft.)<br />
<br />
Also man sieht schon - mein Blog ist auch nach einem Jahr noch eine kleine Baustelle und deshalb möchte ich kein großes Aufsehen um das einjährige Jubiläum machen. (Es hat allerdings für ein neues Design gereicht, wie bestimmt einigen von euch aufgefallen ist.)<br />
Wie auch immer, ich bin allerdings froh, dass diese Baustelle noch länger andauern wird! ;-)<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-3JQ2-Ix6_-s/U026yule6nI/AAAAAAAABOQ/1HcfIAJYtKY/s1600/screenshot_2014-04-15_22:34:47_blogger.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-3JQ2-Ix6_-s/U026yule6nI/AAAAAAAABOQ/1HcfIAJYtKY/s1600/screenshot_2014-04-15_22:34:47_blogger.png" height="294" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">So sah das Blog fast ein Jahr lang aus. Nun hat es ein neues Design bekommen.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<b>An dieser Stelle sage ich abermals Danke an alle, die mein Blog besuchen - und ein besonders großes Danke an all jene, die mein Blog sogar <i>regelmäßig</i> besuchen!</b><br />
Als ich vor etwa einem Jahr zu Schreiben begonnen habe, war es mein Ziel, ein paar wenige Leute zu erreichen, deren Interesse an der Physik und der Wissenschaft im Allgemeinen ich wecken konnte. Heute freue ich mich, dass meine Texte eine bedeutend größere Leserschaft gefunden haben als ursprünglich erhofft - und sogar in denjenigen Monaten, in denen ich ziemlich schreibfaul bin, viele hundert Male auf meine Artikel zurückgegriffen wird. Danke dafür!<br />
<br />
Darüberhinaus möchte ich nochmals erwähnen, dass für Kommunikation jeglicher Art (egal ob Meinungen, Fragen, Anregungen, Kritik, Wünsche, etc.) gerne die Kommentarfunktion unter jedem Artikel genutzt werden kann. Es ist immerhin kaum möglich, ein Thema mit einem einzigen Blogartikel vollständig zu behandeln und alle Aspekte zufriedenstellend auszuführen. Meiner Meinung nach kann der Kommentarbereich dann eine durchaus sinnvolle Weiterführung des Artikels darstellen.<br />
<br />
<b>Langer Reder, kurzer Sinn. - Ich hoffe, euch macht das Lesen meines Blogs genauso viel Spaß wie mir das Schreiben der Artikel! :-)</b>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-57697645085223187852014-04-14T17:44:00.000+02:002014-04-15T19:17:11.491+02:00Sinne der Curiosity III - Den Mars hörenIn dieser kurzen Artikelserie stelle ich die zehn wissenschaftlichen Instrumente des Mars-Rovers namens <i>Curiosity</i> vor, der seit 2012 auf der Marsoberfläche rollt und uns täglich mit faszinierenden Bildern, Daten und Erkenntnissen versorgt.<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/02/sinne-der-curiosity-i-den-mars-sehen.html" target="_blank">Im ersten Teil</a> habe ich neben ein paar allgemeinen Worten über dieses Mars Science Laboratory die Kameras "MastCam", "MAHLI" und "MARDI" beschrieben - es ging also darum, wie <i>Curiosity</i> den Mars "sieht".<br />
<a name='more'></a><a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/03/sinne-der-curiosity-ii-den-mars.html" target="_blank">Im zweiten Teil</a> waren die Spektrometer namens "APXS", "ChemCam", "CheMin" und "SAM" an der Reihe.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-7LYHo07jge0/U0wAEOXgXWI/AAAAAAAABM4/YVBpPXDbzeA/s1600/lego_curiosity.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-7LYHo07jge0/U0wAEOXgXWI/AAAAAAAABM4/YVBpPXDbzeA/s1600/lego_curiosity.jpg" height="480" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein nettes und witziges Geburtstagsgeschenk meiner Freunde.<br />
Ob LEGO-<i>Curiosity</i> wohl das Wasser neben ihr findet? ;-)</td></tr>
</tbody></table>
Wie der Titel des Artikels bereits ankündigt, soll es heute darum gehen, wie der Mars-Roboter seine Mars-Umgebung "hört". Dabei muss ich zugeben, dass die Zuordnung des "Hörsinns" zu den im Folgenden beschriebenen Geräten schon ziemlich willkürlich ist - es handelt sich bei diesen nämlich keineswegs um Mikrofone oder ähnliches, sondern um Strahlungsdetektoren. Der Grund, warum ich diese Detektoren mit einem "Hörsinn" in Verbindung bringe (neben der Tatsache, dass nicht so viele Sinne (im herkömmlichen Sinne) zur Verfügung stehen, sodass irgendein Gerät einfach einen Hörsinn verpasst kriegen <i>muss</i>, um dem Motto dieser Artikelserie treu zu bleiben), ist der folgende: Wenn man von Strahlungsdetektoren liest, denken viele vermutlich sofort an ein <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%A4hlrohr" target="_blank">Geiger-Müller-Zählrohr</a>, also an jenes Messgerät, das radioaktive Strahlung misst und für jeden detektierten radioaktiven Zerfall ein <a href="http://youtu.be/upPiJ9vOYiY" target="_blank">hörbares Knacksen</a> von sich gibt. Da der Mars-Rover keine Ohren hat, geben seine Strahlungsmessgeräte auch keine akustischen Signale aus. Er "hört" die Strahlung der Umgebung also nicht wie wir, wenn wir einen Geiger-Müller-Zähler verwenden, jedoch erreichen ihn entsprechende elektrische Signale in Form dieses unregelmäßigen Knacksens/Rauschens.<br />
Ob meine Wahl des Titels nun also gerechtfertigt ist oder nicht, lasse ich vorerst mal im Raum stehen. Jetzt wollen wir uns nämlich mit den zwei Strahlungsdetektoren des <i>Mars Science Laboratory</i> (<i>Curiosity</i>) namens "RAD" und "DAN" beschäftigen.<br />
<br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">Den Mars "hören"</span></h2>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-RiPMi58hG5I/U0vtwyOhzwI/AAAAAAAABMA/5NDJPmCnDOk/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_RAD_DAN.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-RiPMi58hG5I/U0vtwyOhzwI/AAAAAAAABMA/5NDJPmCnDOk/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_RAD_DAN.png" height="333" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematisches Bild von <i>Curiosity</i>.<br />
Heute im Fokus: Die Strahlungsdetektoren "RAD" und "DAN"<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<h3>
RAD</h3>
So wie bei allen wissenschaftlichen Instrumente von <i>Curiosity</i> ist auch "RAD" nur eine Abkürzung für die genauere und exaktere Bezeichnung: <i>Radiation Assessment Detector</i>.<br />
Mit Hilfe dieses Geräts versuchen die auf der Erde verbliebenen Wissenschafter, sich ein Bild von der Strahlung am Mars zu verschaffen. RAD misst dabei hochenergetische Strahlung (z. B. Protonen, verschiedene Ionen, Neutronen oder Gamma-Strahlen), welche nicht nur vom Weltraum auf die Marsoberfläche trifft, sondern auch jene Sekundärstrahlung, die entsteht, wenn die kosmische Strahlung mit der Marsatmosphäre bzw. -oberfläche wechselwirkt.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-hBlxb-6-JiA/U0v2B3ROenI/AAAAAAAABMQ/9iREG6uvH3E/s1600/RAD_01.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-hBlxb-6-JiA/U0v2B3ROenI/AAAAAAAABMQ/9iREG6uvH3E/s1600/RAD_01.jpg" height="400" width="272" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein Foto des RAD, bevor es 2009 auf <i>Curiosity</i> montiert wurde.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/SwRI)</td></tr>
</tbody></table>
RAD ist ein besonders wichtiges Instrument für die Planung von zukünftigen bemannten Raumfahrten zum Mars, denn seine Daten lassen auf die "Strahlungs-Äquivalentdosis" am Mars zurückschließen. Diese Dosis ist nichts anderes als ein Maß für die Auswirkungen von hochenergetischer Strahlung auf den menschlichen Körper. Doch natürlich wirkt sich hochenergetische Strahlung nicht nur auf Menschen oder Tiere negativ aus, sondern auch generell auf Leben, wie wir es kennen (Stichwort: DNA-Schäden). Deshalb können die RAD-Daten auch allgemein etwas über die "Lebensfreundlichkeit" des Planeten aussagen und z. B. bei der Beantwortung der Frage nach mikrobiellem Leben Einfluss nehmen.<br />
Ein weiterer Anwendungsbereich des <i>Radiation Assessment Detectors</i> ist die Analyse der chemischen und isotopischen Zusammensetzung von Marsgestein in Bezug auf Veränderung durch Strahlung.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-8qIhoRooCmY/U0v2i18mUTI/AAAAAAAABMY/chlbe5Jyl68/s1600/RAD_02.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-8qIhoRooCmY/U0v2i18mUTI/AAAAAAAABMY/chlbe5Jyl68/s1600/RAD_02.jpg" height="400" width="328" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematische Darstellung des RAD.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/SwRI)</td></tr>
</tbody></table>
RAD ist etwas so groß wie ein kleiner Toaster und besteht, vereinfacht gesagt, aus einigen Silizium-Detektoren und einem Cäsium-Iodid-Kristall. Hochenergetische Strahlung, welche durch den Detektor wandert, verliert beim Durchgang Energie, welche an das Messgerät abgegeben und von diesem analysiert werden kann. Es können neben relativ leichten Teilchen, wie z. B. Protonen, Neutronen, Gamma-Strahlen oder Alpha-Teilchen (=Heliumkernen) auch "schwerere" Kerne bishin zu Eisen gefunden werden.<br />
<br />
<h3>
DAN</h3>
Das <i>Dynamic Albedo of Neutrons</i> (DAN) ist ein ziemlich cooles Gerät! Sein Ziel ist es, festes oder flüssiges Wasser unter der Marsoberfläche zu finden - ohne dabei hinunterzugraben.<br />
Dafür wird ein Neutronenstrahl auf den Marsboden gerichtet, der einen bis zwei Meter in den Marsboden eindringt. Nun ist es so, dass die Neutronen teilweise vom Bodenmaterial reflektiert und auch wieder detektiert werden. Der Trick dabei ist allerdings, dass die Neutronen durch Wasser oder Eis etwas abgebremst werden. Trifft der Neutronenstrahl also auf Eisschichten unter der Marsoberfläche, wird DAN einen relativ hohen, reflektierten Anteil an <i>langsameren</i> Neutronen finden. Gibt es kein Wasser, so ist der Anteil an vergleichsweise <i>schnellen</i> Neutronen größer. Dieses Analysieren von reflektierten Neutronen hat dem Instrument auch seinen Namen gegeben - "Albedo" bedeutet nämlich nichts anderes als "Rückstreuvermögen" bzw. "Reflexionsvermögen". (Vielleicht habt ihr schon einmal den Begriff des "planetaren Albedos" gehört, womit üblicherweise das Rückstreuvermögen der Erde von Sonnenlicht zurück ins Weltall gemeint ist.)<br />
Vor allem im Bereich der Marspole vermutet man einen 30- bis 50-prozentigen Anteil von Wasser in den oberen Bodenschichten.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-elNTYbV79X8/U0v7VDLJy0I/AAAAAAAABMo/2hA65tEKWQU/s1600/DAN.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-elNTYbV79X8/U0v7VDLJy0I/AAAAAAAABMo/2hA65tEKWQU/s1600/DAN.jpg" height="281" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematische Andeutungen zur Funktionsweise von DAN:<br />
Vergleichsweise viele langsame Rückstreuneutronen deuten auf Wasser im Marsboden hin.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/Russian Federal Space Agency)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Soweit war's das vorerst zu den Strahlungsdetektoren des <i>Mars Science Laboratory</i>. Natürlich könnte man über sie und den Mars noch viel mehr schreiben, doch das soll ja nicht der Sinn dieser Artikelserie sein, in der ich die Instrumente nur kurz <i>vorstellen</i> möchte.<br />
<br />
Es befindet sich nun nur noch ein Instrument an Bord der <i>Curiosity</i>, welches ich noch nicht besprochen habe - dieses passt thematisch allerdings besser in den nächsten Teil der Serie.<br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-80126066161970881822014-04-04T15:19:00.000+02:002014-04-15T19:28:39.179+02:00Alltagsphänomen: SuppenkühlmechanismusJeder kennt es, jeder macht es: Ist die Suppe zu heiß, bläst man darauf und die Suppe kühlt ab - wenn auch meistens langsamer als man sich es wünscht.<br />
So wie bei auch allen anderen Dingen im Leben, kann ich wieder einmal empfehlen, die einfache und so erkenntnisbringende Frage zu stellen: <b><i>Warum? - Warum</i> wird die Suppe kälter, wenn ich darauf blase?</b><br />
<a name='more'></a><br />
<br />
Wie jeder weiß, kühlt die heiße Suppe so oder so ab - ob man nur darüberbläst oder nicht. Der Grund ist einfach, dass die Wärme, die darin steckt, langsam an die Umgebung abgegeben wird. Aber <i>warum</i> geht die Suppenwärme schneller in die Umgebung, wenn man seine Lunge darüber entleert? Bläst man nicht, ist die Suppe umgeben von Luft - bläst man, ist sie wiederum umgeben von Luft (nur dass sich diese nun halt bewegt). Hat die Luft irgendeine spezielle Kühlungfähigkeit bekommen, weil sie zuvor durch meine Lungenflügel gewandert ist? (Das wäre doch eigenartig, denn sie ist dadurch ja unter anderem um ein paar Grad wärmer geworden als die Umgebungsluft.)<br />
<b><i>Warum</i> also kann ich meine Suppe kälter blasen?</b><br />
<br />
Die Antwort auf diese Frage kann vermutlich so ausführlich und lange ausfallen, dass jede Suppe in der Zwischenzeit auch von alleine völlig auskühlen würde. Deshalb versuche ich hier, eine möglichst kurze und anschauliche Erklärung zu geben.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-N-Ztg-9LGiA/Uz6tzPimaCI/AAAAAAAABLk/8zjCRHvJmTI/s1600/food-cooling.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-N-Ztg-9LGiA/Uz6tzPimaCI/AAAAAAAABLk/8zjCRHvJmTI/s1600/food-cooling.jpg" height="400" width="388" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Tja... Warum nicht?!<br />
(Quelle: Aha! Jokes, http://www.AhaJokes.com/)</td></tr>
</tbody></table>
Bevor ich richtig beginne, möchte ich kurz noch einmal festhalten, <i>was</i> Temperatur eigentlich bedeutet: Ein Maß für die Temperatur ist, einfach gesagt, die mittlere Bewegungsgeschwindigkeit der Teilchen in der Suppe (...wobei dabei natürlich nicht die Suppeneinlage gemeint ist - die bewegt sich ja normalerweise nicht wild hin und her, sofern sie nicht lebendig ist [Ich möchte an dieser Stelle natürlich anmerken, dass man keine lebendigen Dinge in heißes Wasser schmeißen soll. Ist nicht cool!] -, sondern die molekularen Bestandteile der Mahlzeit). Eine höhere Temperatur bedeutet, dass sich die Teilchen in der Suppe im Durchschnitt schneller bewegen als bei niedrigeren Temperaturen.<br />
<br />
Außerdem sei gesagt, dass die Suppenoberfläche auf molekularer Ebene nicht so eine klare, glatte Grenzfläche zwischen Suppe und Umgebungsluft ist, wie man meinen könnte, wenn man vor dem Teller sitzt.<br />
Und damit sind wir schon nahe an den Kern der Sache gekommen: <i>Wie sieht die Grenzfläche aus? Was passiert dort?</i><br />
<br />
Die Geschwindigkeiten der verschiedenen Teilchen in der Suppe sind natürlich nicht alle gleich. Es gibt schnellere und langsamere Teilchen. Manche schnellen Teilchen schießen aus dem Suppenteilchenmeer heraus, prallen mit Lufteilchen zusammen, fliegen wieder in das Suppenteilchenmeer hinein. Andere sind nicht schnell genug, um die Anziehungskräfte zu den anderen Suppenteilchen zu überwinden und bleiben im Teilchenmeer. Manche Teilchen können allerdings dem Suppenteilchenmeer entfliehen. Auf atomarer Ebene geht es ziemlich turbulent zu an der Suppenoberfläche!<br />
Die Grenzfläche zwischen Suppe und Luft ist also etwas verwaschen. Es befinden sich stets Teilchen, die ursprünglich mal in der Suppe waren, in einer kleinen Luftschicht über der Oberfläche. Konkret kann man sagen, dass sich eine dünne (Wasser-)Dampfschicht über der Suppe bildet. Es gibt im Gleichgewicht also eine Schicht (oder "Phase"), in der sich sowohl Wasserdampf und Luft befinden.<br />
<br />
<i>Jetzt kommt der Trick mit dem Blasen!</i><br />
Pustet man über die Suppe, so wird dieses soeben beschriebene Gleichgewicht gestört: Die Dampfatmosphäre über der Suppe wird weggefegt. Es will sich allerdings wiederum das Gleichgewicht einstellen, denn in der "frischen" Luft ist nun wieder "Platz" für Wasserdampf - sie ist noch nicht mit Dampf gesättigt.<br />
Also lösen sich abermals Teilchen aus der Suppenschicht in der Luftschicht. Doch <i>warum</i> kühlt dadurch die Suppe ab?<br />
<br />
Mir fallen zwei Möglichkeiten ein, wie man sich den Abkühlprozess vorstellen kann, wovon eine einigermaßen anschaulich ist und die andere wohl ein paar Grundkenntnisse der Thermodynamik erfordert. (Die letztere werde ich also nur knapp erwähnen.)<br />
<br />
Zum Beispiel kann man sich fragen, <i>welche</i> Teilchen aus der Suppe überhaupt in die Dampfatmosphäre wandern. Statistisch gesehen werden es eher diejenigen Teilchen sein, die genug Geschwindigkeit haben, um die Anziehungskräfte zwischen den anderen Teilchen in der Flüssigkeit überwinden zu können. Die schnellsten Teilchen fetzen also aus der Suppe heraus und bleiben in der darüberbefindlichen Luft. Bildet man nun den Durchschnitt der Geschwindigkeiten von den in der Suppe zurückgebliebenen Teilchen, wird dieser kleiner sein als zuvor, denn die Durchschnittsgeschwindigkeit nimmt ja ab, wenn man die schnellen Teilchen aus der Rechnung nimmt. Eine niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeit bedeutet eine niedrigere Temperatur, denn so haben wir Temperatur ja "definiert".<br />
Tadaa! - Die Suppe ist abgekühlt.<br />
<br />
Die andere Art, sich den Abkühlvorgang vorzustellen, ist etwas unanschaulicher, weil man sich einer etwas unzugänglichen thermodynamischen Größe bedient - nämlich der Entropie. Ich möchte hier nur kurz erwähnen, dass sich bei der Diffusion von Flüssigkeitsteilchen in die gasförmige Luftphase die Entropie der Suppe verringert. Nun ist die Änderung der inneren Energie <i>U</i> der Suppe nach der Entropie <i>S</i> (bei konstantem Volumen <i>V</i>) definiert als die Temperatur <i>T</i>. Der selbe Satz in einer anderen (etwas präziseren) Sprache lautet: (∂<i>U</i>/∂<i>S</i>)<sub><i>V</i></sub>=<i>T</i>. Sinkt also die Entropie durch den Prozess des Hinausdiffundierens von Teilchen aus der Suppe, so sinkt auch die Temperatur der Suppe.<br />
<br />
Natürlich kühlt die Suppe auch von alleine aus. Der Mechanismus dabei ist großteils der gleiche, nur dauert es einfach viel länger, da die Dampfschicht über der Suppe relativ lange bestehen bleibt, wenn man sie nicht wegbläst. Dadurch können in der gleichen Zeit weniger Teilchen aus der Suppe herausdiffundieren - es wird für sie ja nicht so schnell wieder "neuer Platz" in der Dampfatmosphäre geschafft.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-tmCd3af75eE/Uz6monIUdlI/AAAAAAAABLU/1KYl4TJyZec/s1600/EMC%5E2-einstein-coffee-meme.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-tmCd3af75eE/Uz6monIUdlI/AAAAAAAABLU/1KYl4TJyZec/s1600/EMC%5E2-einstein-coffee-meme.jpg" height="400" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Übrigens: Mit einer Schaumschicht auf dem Kaffee bleibt dieser länger warm.<br />
Ihr könnt euch jetzt überlegen, warum das so ist.<br />
(Foto von <a href="http://www.flickr.com/photos/cmichel67/7852234992/" target="_blank">Christopher Michel</a>, CC BY-NC-SA 2.0)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
So. Nachdem ich das Wort "Suppe" nun genau 40 Mal geschrieben habe, ist es mir tatsächlich gelungen, mir selbst Appetit zu machen.<br />
Falls es noch jemand eine Zeit lang ohne Essen aushält, kann sie/er sich eine weitere Anwendung des Suppenkühlungsphänomens ansehen, denn jetzt ist man bestens gerüstet, um z. B. den verrückten Mechanismus zu verstehen, mit dem man flüssiges Helium auf wenige Mikrokelvin (ein paar Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von -273 °C) abkühlen kann. (Sprecht in der Öffentlichkeit aber lieber von "Quantum Cooling" und nicht von "Suppenkühlmechanismus". Ersteres klingt einfach viel lässiger!)<br />
<br />
Lasst es euch von Andrea Morello, einem erfrischenden Professor der <i>New South Wales University</i>, erklären in <a href="http://youtu.be/7jT5rbE69ho" target="_blank">diesem Video</a> von 2Veritasium:<br />
<iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="360" src="//www.youtube.com/embed/7jT5rbE69ho?rel=0" width="640"></iframe>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-25592399295123263662014-03-22T12:48:00.002+01:002014-04-16T14:25:29.698+02:00Sinne der Curiosity II - Den Mars schmeckenIn dieser kurzen Artikelserie stelle ich die zehn wissenschaftlichen Instrumente des Mars-Rovers namens Curiosity vor, der seit 2012 auf der Marsoberfläche rollt und uns täglich mit faszinierenden Bildern, Daten und Erkenntnissen versorgt.<br />
<a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/02/sinne-der-curiosity-i-den-mars-sehen.html" target="_blank">Im vorhergehenden, ersten Teil</a> habe ich neben ein paar allgemeinen Worten über dieses <i>Mars Science Laboratory</i> die Kameras "MastCam", "MAHLI" und "MARDI" beschrieben - es ging also darum, wie Curiosity den Mars "sieht".<br />
Heute sind die eingebauten Spektrometer dran...<br />
<a name='more'></a><br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">Den Mars "schmecken"</span></h2>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td><a href="http://2.bp.blogspot.com/-hxqjEvnDY8Y/Uv1WFn2_6BI/AAAAAAAABAw/bb71gnqkVhs/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_spectrometers.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-hxqjEvnDY8Y/Uv1WFn2_6BI/AAAAAAAABAw/bb71gnqkVhs/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory_spectrometers.png" height="333" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="font-size: 13px;">Schematisches Bild von Curiosity.<br />
Heute werden die Spektrometer APXS, ChemCam, CheMin und SAM vorgestellt.<br />
<div>
(Credit: NASA/JPL)</div>
</td></tr>
</tbody></table>
<h3>
APXS</h3>
APXS steht für <i>Alpha Particle X-ray Spectrometer</i> und ist somit ein Alphateilchen-Röntgenspektrometer. Das mag nun vielleicht kompliziert klingen (es ist auch tatsächlich kompliziert im Detail), aber vereinfacht kann man sagen, dass ein typischer Messprozess dieses Instruments folgendermaßen abläuft: Das APXS ist auf Curiosity's Arm befestigt, denn es muss für Messungen nahe an den zu analysierenden Boden gebracht werden. Das Bodenmaterial wird durch eine kleine Menge Curium-244, ein radioaktives Material am "Kopf" des Rovers, angeregt. Das heißt, wenn man aus Gründen der Einfachheit im Sinne des <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2013/08/entwicklung-der-quantenphysik-viii-das.html" target="_blank">Bohrschen Atommodells</a> denkt, dass Elektronen des Probenmaterials auf höhere Energieniveaus angehoben werden. Wenn sie kurz darauf von diesen wieder in ihren Grundzustand verfallen (denn das "mögen" Elektronen nun mal gern), geben sie Röntgen-Strahlung ab. Wie genau diese Strahlungsquanten beschaffen sind, hängt von der Art des Materials ab. Analysiert man diese Strahlung, kann man Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit ziehen.<br />
Das APXS soll geologische Prozesse erforschen, die den Boden und das Felsgestein des Mars geformt haben. Dabei ist das Spektrometer besonders empfindlich auf salzformende Elemente wie Kalzium oder Brom.<br />
Die Datenmenge einer Messung mit diesem Instrument hat übrigens den Umfang von nur 32 kB.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-vfPf1e6Jt4E/Uvz_ZqYgJwI/AAAAAAAAA_s/vtGRW4na-q0/s1600/apxs_mars.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-vfPf1e6Jt4E/Uvz_ZqYgJwI/AAAAAAAAA_s/vtGRW4na-q0/s1600/apxs_mars.jpg" height="300" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das <i>Alpha Particle X-ray Spectrometer</i> (APXS).<br />
Dahinter sieht man übrigens Marsgebirge, no big deal.<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
ChemCam</h3>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-6rId30o8WBE/Uv0EWD8qtyI/AAAAAAAABAA/sFKDXsm1RpY/s1600/ChemCam2.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-6rId30o8WBE/Uv0EWD8qtyI/AAAAAAAABAA/sFKDXsm1RpY/s1600/ChemCam2.jpg" height="320" width="225" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Curiosity feuert mit der Laserkanone, macht Marsgestein zu Plasma<br />
und analysiert die entstehenden Dämpfe. Kein Witz.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/LANL/J.-L- Lacour, CEA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Der "Chemistry & Camera"-Komplex setzt sich aus einem leistungsstarken Laser, einem Spektrometer und einer speziellen Kamera zusammen.<br />
Alles in allem ist dieses Instrument ein komplett irres Stück Technik (im positiven Sinne)! Zuerst feuert der Laser auf irgendeine Gesteinsprobe, die entweder direkt vor seiner Nase oder bis zu 7 Metern entfernt liegt, "plasmatisiert" das Material und eine Kombination aus Mini-Teleskop und Spektrometer stellt dann aus den entstehenden Gasen die Zusammensetzung des verdampften Materiales fest. Das ist Science-Fiction, nur ohne "Fiction".<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
Aber nun noch einmal etwas langsamer: Bei einer Messung nähert sich Curiosity bis mindestens sieben Meter an die Gesteinsprobe an und feuert anschließend äußerst kurze und eigentlich relativ schwache Laserpulse (Länge ~ 5 Nanosekunden, Energie ~ 14 Millijoule) auf das Ziel. Diese Pulse treffen allerdings so häufig auf einen derart fokussierten Bereich (0,3-0,6 Millimeter), dass die Probenoberfläche unter der Einwirkung der enormen Wärmeleistung (10 Megawatt pro Quadratmillimeter) zu Plasma wird und in gewissem Sinne einfach verdampft. Die abgestrahlten Emissionen dieses Vorgangs werden mit Hilfe eines kleinen Teleskops (11 Zentimeter Durchmesser) eingefangen und zum Spektrometer geleitet. Dort können Wellenlängen zwischen 240 bis 850 Nanometer (fernes UV-Licht bis nahes Infrarot-Licht) mit 6144 Spektralkanälen analysiert werden. Das Spektrometer ist besonders empfindlich für seltene Elemente, wie etwa Barium oder Strontium, sowie für Wasserstoff.<br />
Die Primäraufgabe der ChemCam ist die schnelle Identifizierung von Material- bzw. Gesteinssorten, sodass man möglichst rasch beurteilen kann, auf welche Ziele man die anderen Instrumente für genauere Untersuchungen richten sollte.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-DIPxmnIDG6E/Uv0FqJHo8sI/AAAAAAAABAI/xnhc1UZ9rCI/s1600/PIA15104-ChemCam-spectrum-br2.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-DIPxmnIDG6E/Uv0FqJHo8sI/AAAAAAAABAI/xnhc1UZ9rCI/s1600/PIA15104-ChemCam-spectrum-br2.jpg" height="360" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Beispiel eines vom ChemCam-Instrument analysierten Spektrums.<br />
(Credit: NASA/JPL-Caltech/LANL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h2>
CheMin</h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-mEbNQ0irW1E/Uv1TzLr5lmI/AAAAAAAABAY/tR3KV_I0Rzw/s1600/Msl-chemin.pg.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-mEbNQ0irW1E/Uv1TzLr5lmI/AAAAAAAABAY/tR3KV_I0Rzw/s1600/Msl-chemin.pg.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Grafik des CheMin.<br />
Besonders gut sieht man hier<br />
das Drehrad, das verschiedene Proben<br />
vor die Röntgenquelle dreht.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
"Chemistry & Mineralogy" ist ein weiteres Spektrometer. (Ja, Spektrometer sind in der Tat recht praktisch für Analysezwecke, die durch Roboter am Mars durchgeführt werden!)<br />
CheMin analysiert allerdings Proben, die zuvor direkt und ohne zu bohren/zu lasern mit einem kleinen Schäufelchen vom Boden aufgesammelt wurden. Bevor die Bodenprobe allerdings dieses Spektrometer erreicht, wird sie durch das sog. CHIMRA-Filtersystem geleitet, welches Bröckelchen, die größer als 150 Mikrometer sind, aussortiert. Der feine Probenstaub wird durch Vibrationen schließlich gleichmäßig in einer von 27 wiederbefüllbaren Zellen ausgebreitet. (Die verschiedenen Zellen inklusive fünf weiterer Zellen mit Referenzmaterial zur Kalibrierung des Instruments befinden sich auf einem Drehrad, sodass schnell zwischen mehreren Proben gewechselt werden kann.<br />
Beim Analysevorgang selbst, der üblicherweise mehrere Stunden dauert, wird Röntgenstrahlung auf die Probe geschossen, welche hinter der Probe von einem UV-sensiblen CCD-Sensor auf Streuung und Brechung analysiert wird. So kann man wieder auf Spektren anfertigen, die auf die Zusammensetzung der Probe schließen lassen. Damit bei diesem Vorgang möglichst hohe Empfindlichkeit erreicht werden kann, wird der Sensor (Pixelgröße: 40x40 Mikrometer, 224 Messungen pro Sekunde) auf -60 °C heruntergekühlt. Genial.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-ZTlsAX5jcuU/Uv1UIgg0f7I/AAAAAAAABAg/_VAVHtWNVTw/s1600/chemin_edgett-5-pia16163-br.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-ZTlsAX5jcuU/Uv1UIgg0f7I/AAAAAAAABAg/_VAVHtWNVTw/s1600/chemin_edgett-5-pia16163-br.jpg" height="298" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sag "Aaaahhhh"!<br />
In diese Öffnung schaufelt Curiosity pulverartige Bodenproben,<br />
die dann ins Innere des Rovers zur Analyse wandern.<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h3>
SAM</h3>
Nicht nur bei <i>Herr der Ringe</i> und <i>Game of Thrones</i> handelt es sich bei "Sam" um einen der ..."umfangreichsten" Protagonisten, sondern auch beim <i>Mars Science Laboratory</i> ist SAM der schwerste und leistungsfähigste Bestandteil. Der "<i>Sample Analysis at Mars</i>"-Komplex wiegt um die 38 kg und beansprucht ungefähr die Hälfte des Gewichtsanteils für wissenschaftliche Nutzlast.<br />
Drei kombinierte Sensorsysteme sollen in diesem Gerät organische Verbindungen und leichte Elemente identifizieren und analysieren, sowie die Isotopenverhältnisse der Marsatmosphäre bestimmen. Kurzum: SAM soll im besten Fall die Frage beantworten, inwieweit der Mars sich als Lebensraum geeignet hatte bzw. hat.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-ag9DHkteLsU/Uv1cgp_SwNI/AAAAAAAABA8/Sj2DIJfHdXc/s1600/800px-Sample_Analysis_at_Mars_MSL.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-ag9DHkteLsU/Uv1cgp_SwNI/AAAAAAAABA8/Sj2DIJfHdXc/s1600/800px-Sample_Analysis_at_Mars_MSL.jpg" height="480" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><i>Sample Analysis at Mars</i> (SAM) - der Instrumenten-Komplex steht hier auf dem Kopf.<br />
Hinten sieht man die Trommel des SMS, links davon sind die Trennsäulen des Gaschromatographen.<br />
Darunter (also eigentlich ja auf der Oberseite) befinden sich der Einlass für Bodenproben, das CSPL und das QMS.<br />
Ganz vorne sieht man das TLS (auf der oberen Ebene) und die zentrale Elektronik (untere Ebene).<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Um Material oder Atmosphäre analysieren zu können, wird dieses zuerst aufbereitet. Bodenproben werden wiederum durch ein Filtersystem geleitet (dieses Mal allerdings nicht das CHIMRA-System wie beim CheMin, sondern das <i>Sample Manipulation System</i> (SMS)) und in einen von 74 Auffangbehältern geleitet. Oft ist man auch daran interessiert, welche Stoffe sich aus der Probe verdampfen lassen. Zu diesem Zweck hat Curiosity zwei Öfen eingebaut, die Proben auf kuschelige 1100 °C erhitzen können. Das Gas, welches aus der Probe austritt, bzw. ein Happen Atmosphärenluft, der analysiert werden sollte, wird in das CSPL, das <i>Chemical Separation and Processing Laboratory</i> geschickt. Darin gibt es 50 Ventile, 16 Ventilblöcke, mehrere Gasabsorber und vielfältige Misch- und Trennsysteme, die alle irgendeine wichtige Rolle bei der Analyse der Proben spielen.<br />
Aufbereitete Proben können allerdings auch zu anderen Instrumenten geleitet werden. So gibt es z. B. noch einen Gaschromatograph zur Untersuchung organischer Verbindungen, einen Wärmeleitfähigkeitsdetektor, ein <i>Tunable Laser Spectrometer</i> (TLS) und - besonders wichtig - ein <i>Quadrupole Mass Spectrometer</i> (QMS). Dieses Quadrupol-Massenspektrometer ist ein Gerät, das Massen von Elementen und Molekülen bestimmen kann, deren Atommasse zwischen 2 und 535 atomaren Masseneinheiten liegt.<br />
Weitere, ausführliche und interaktive Informationen zu den Instrumenten des SAM gibt's übrigens <a href="http://ssed.gsfc.nasa.gov/sam/2d/" target="_blank">hier</a>.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-JGSeFkqKWWQ/Uv1dlW5EZII/AAAAAAAABBE/KO6PXdRovxQ/s1600/sam_PIA16100_Mahaffy1-br2.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-JGSeFkqKWWQ/Uv1dlW5EZII/AAAAAAAABBE/KO6PXdRovxQ/s1600/sam_PIA16100_Mahaffy1-br2.jpg" height="360" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Eine weitere Aufnahme des SAM.<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
So viel zu den Spektrometern. Beim nächsten Mal gehts darum, was Curiosity möglicherweise "hört"...<br />
<br />
<div style="text-align: right;">
<b><i>>> <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/04/sinne-der-curiosity-iii-den-mars-horen.html">Teil III: Den Mars hören</a></i></b></div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-64366474958542886202014-03-15T17:28:00.000+01:002014-04-15T19:30:38.025+02:00Wie man um Ecken sehen kannVor wenigen Tagen wurde die Verkündung einer großen Entdeckung ("major discovery") <a href="http://www.spaceref.com/news/viewpr.html?pid=42751">im Rahmen einer Konferenz am <i>Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics</i> angekündigt</a>. Worum es sich bei dieser Entdeckung genau handelt, wurde bisher verschwiegen.<br />
Natürlich brodelt die Physiker-Gerüchteküche und es wird z. B. vermutet, dass die Konferenz mit einem gelungenen <a href="https://twitter.com/DrTonyPadilla/status/444828226050068480">Nachweis von Gravitationswellen</a> zu tun haben könnte. Das wäre natürlich ein herausragendes und spannendes Ergebnis!<br />
Doch ich will hier eigentlich keine Vermutungen über das Thema der Konferenz am Montag anstellen, sondern die Gelegenheit nutzen, um über einen ungewöhnlichen Aspekt der speziellen Relativitätstheorie zu schreiben. (Die Gravitationswellen-Spekulationen der letzten Tage haben mich wohl auf diese Idee gebracht.)<br />
<a name='more'></a><br />
<h2>
Heute soll es darum gehen, wie man um Ecken sehen kann.</h2>
<br />
Vermutlich weiß eh jeder, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht unendlich groß ist, sondern sich Licht mit endlichen 300 000 Kilometern pro <i>Sekunde</i> fortbewegt. Das heißt streng genommen dann auch, dass das Bild, das wir von unserer Umgebung haben, etwas "zeitverzögert" bei uns ankommt - einfach deshalb, weil das Licht erst den Weg in unsere Augen finden muss und es das nur mit endlicher Geschwindigkeit (der Lichtgeschwindigkeit) tun kann.<br />
<br />
Der Einfachheit halber wollen wir uns unser Auge nun als simple Lochkamera vorstellen. Der für unsere Überlegungen wichtige Sehapparat ist also einfach eine Box mit einem kleinen Loch in einer Seite, durch welches Licht auf die hinter Wand fallen kann. (Bei einer Lochkamera wäre dann dort eine lichtempfindliche Platte o.ä.)<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-T4sjcMLt1o4/UyRnu3YSCwI/AAAAAAAABFc/Libp0giZQQc/s1600/lk_eye.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-T4sjcMLt1o4/UyRnu3YSCwI/AAAAAAAABFc/Libp0giZQQc/s1600/lk_eye.png" height="309" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein menschliches Auge in erster Näherung als Lochkamera dargestellt.<br />
Die Wände der schwarzen Box sind übrigens völlig gerade Linien - die Eindrückungen sind eine optische Täuschung.<br />
(Zugrundeliegendes Bild von <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Talos">Talos</a>, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
"Sehen" in unserem Lochkamera-Modell funktioniert ganz einfach: Licht fällt durch die kleine Öffnung und danach in einem geraden Strahl auf die hintere Wand (das entspricht der Netzhaut im richtigen Auge). Wir können dann feststellen, auf welchem Fleck der hinteren Wand die Photonen aufgetroffen sind und herausfinden, woher das Licht gekommen sein muss, indem wir eine Gerade vom Auftreffort zum Loch zeichnen, welche uns dann die Richtung des zuvor einfallenden Lichts angibt. Wir messen also alleine den Auftreffpunkt auf der hinteren Wand und wissen, woher das Licht ursprünglich gekommen ist.<br />
Ich habe versucht, diesen Vorgang möglichst deutlich in der folgenden Animation darzustellen. Beachtet besonders, dass der Winkel des einfallenden Lichts und der Winkel der gedanklichen, rekonstruierenden Geraden hier gleich sind.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-Ppo3hMRh4eg/UyRpupTn-RI/AAAAAAAABFo/O31dqWwd-5s/s1600/lk01.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-Ppo3hMRh4eg/UyRpupTn-RI/AAAAAAAABFo/O31dqWwd-5s/s1600/lk01.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein Photon (Lichtteilchen) fällt durch das kleine Loch auf die hintere Wand der Lochkamera.<br />
Durch die Position des Auftreffpunkts und der kleinen Öffnung kann man leicht die ursprüngliche Einfallsrichtung bestimmen.</td></tr>
</tbody></table>
Das alles ändert sich aber, sobald die Lochkamera nicht mehr in Ruhe ist, sondern sich z. B. auf das Licht zubewegt. Was dabei passiert, zeigt die nächste Animation: Die Kamera "läuft" dem Licht entgegen, wodurch dieses weniger lange unterwegs ist und früher auf der Wand auftrifft. Der springende Punkt bei der ganzen Sache ist nun, dass sich der Auftreffpunkt des Lichts in Richtung der Wandmitte bewegt, weil das Licht sozusagen "verfrüht von seiner geradlinigen Bahn angefangen wurde" und weniger Zeit hatte, sich so weit nach unten zu bewegen wie zuvor im Fall der ruhenden Kamera.<br />
<div>
Rekonstruiert man anschließend die Richtung, aus der das Licht gekommen ist (Verbindungsgerade zwischen Auftreffpunkt und Loch zeichnen!), so weicht diese von der ursprünglichen ab. In der Animation soll dies durch den eingezeichneten Winkel φ zwischen ursprünglicher Strahlrichtung und der gedanklich rekonstruierten Strahlrichtung verdeutlicht werden. Aus unserer Sicht - der Sicht der Kamera - sieht es also aus, als würde das Licht flacher ankommen als es tatsächlich macht.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-qSblwEk6AOQ/UyRz0VvDWcI/AAAAAAAABF4/Lz2neTvau8s/s1600/lk3.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-qSblwEk6AOQ/UyRz0VvDWcI/AAAAAAAABF4/Lz2neTvau8s/s1600/lk3.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Bewegt sich die Kamera auf das Licht zu, so rutschen die Auftreffpunkte in Richtung der Wandmitte.<br />
Das wahrgenommene Bild wird zu einem Punkt hin verdichtet, der genau in Blickrichtung liegt.</td></tr>
</tbody></table>
Stellt euch vor, dass diese Verschiebung zur Mitte für alle Auftreffpunkte des Umgebungslichts gilt - daraus folgt dann, dass sich die visuell erfasste Umwelt etwas zusammenzieht, und in Richtung eines Punktes, der genau in Bewegungs- bzw. Blickrichtung liegt.<br />
<br />
Je schneller sich die Kamera bewegt, desto dramatischer wird dieser Effekt natürlich. Wenn ihre Geschwindigkeit bereits im Bereich der Lichtgeschwindigkeit liegt, ist es sogar möglich, dass die Kamera Licht auffängt, das sich ursprünglich gar nicht auf sie zubewegt hat - die Kamera fängt das Licht in gewisser Weise "im Laufen" ein.<br />
Das könnte dann etwa so aussehen:<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-L_lN3e2DwFg/UyR3cshg0eI/AAAAAAAABGE/Mub9uF7waCo/s1600/lk_rel.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-L_lN3e2DwFg/UyR3cshg0eI/AAAAAAAABGE/Mub9uF7waCo/s1600/lk_rel.gif" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Durch die fast lichtschnelle Bewegung der Kamera kann Licht auf die hintere Wand fallen, welches niemals durch die Öffnung einer ruhenden Kamera gelangt wäre.</td></tr>
</tbody></table>
Das Zusammenziehen des wahrgenommenen Bildes zu einem Punkt in Bewegungsrichtung ist natürlich in diesem Fall noch dramatischer: Sogar Licht, dessen Bewegungsrichtung Anteile in Bewegungsrichtung der Kamera hat (="von hinten kommt"), kann die Kamera erreichen und aufgenommen werden.<br />
<br />
Dies ist der Grund, warum man um Ecken sehen kann, wenn man sich nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegt: Man "fängt" im Vorbeiflitzen Licht ein, das auf der abgewandten Seite der Wand reflektiert wurde.<br />
Diesen Effekt können wir in unseren Alltagsleben nicht erkennen, weil die Lichtgeschwindigkeit im Vergleich zu unseren üblichen Bewegungsgeschwindigkeiten einfach so viel größer ist. Er wird erst bei nahezu Lichtgeschwindigkeit erkennbar.<br />
<br />
<b>Abschließend möchte ich euch noch ein paar weitere Kurzanimationen nahelegen, die den hier beschriebenen Effekt eindrucksvoll visualisieren. Eines kann ich euch versprechen: Die Welt für schnell Reisende sieht bizarr aus!</b><br />
<i>(Leider kann ich die Videos hier nicht einbinden, deshalb verlinke ich direkt auf sie. Möglicherweise muss man dem Browser das Ausführen eines Player-Plugins erlauben! Alle Animationen stammen von Ute Kraus und sind zu finden auf der Seite <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/" target="_blank">http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de</a>.)</i><br />
<br />
<ul>
<li><a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/filme/tor_s9a_0.009/tor_s9a_0.009-xd-640x480.mpg" target="_blank">Annäherung an das Brandenburger Tor mit kleiner Geschwindigkeit (Alltagssituation)</a></li>
<li><a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/filme/tor_s9b_0.9/tor_s9b_0.9-xd-640x480.mpg" target="_blank">Annäherung mit 90 % der Lichtgeschwindigkeit (0,9c)</a>: Obwohl man sich immer auf das Brandenburger Tor zubewegt, sieht es anfangs aus, als würde es sich von einem wegbewegen. Tatsächlich liegt das aber an dem oben beschriebenen Effekt der Kontraktion des Bildes in Richtung eines Punktes in Bewegungsrichtung.</li>
<li>Es geht weiter: <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/filme/tor_s7_0.9/tor_s7_0.9-xd-640x480.mpg" target="_blank">Durchflug durchs Brandenburger Tor mit 0,9c</a>: Achtet besonders auf die Bildränder kurz nachdem ihr hinter dem Tor wieder ankommt - man kann tatsächlich kurz Teile der Tor-Rückseite sehen. Man kann also tatsächlich "um die Ecke schauen".</li>
<li>Hier gibts noch eine schnelle (!) <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/filme/tue2/tue2.mov" target="_blank">Stadtrundfahrt mit 99 % der Lichtgeschwindigkeit</a>. Anschnallen nicht vergessen!</li>
</ul>
<div>
<i>(Sollte die direkte Verlinkung zu den Videos nicht funktionieren, könnt ihr Umwege über <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/beschleunigt/beschleunigt.html" target="_blank">die</a>, <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/aur/aur.html" target="_blank">die</a> und <a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/tuebingen/tuebingen.html" target="_blank">die</a> Seite nehmen.)</i><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-rcKhT-cYiaY/UySAjQa-avI/AAAAAAAABGU/X6LXBfze91s/s1600/brandenburgertor_relativistic.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-rcKhT-cYiaY/UySAjQa-avI/AAAAAAAABGU/X6LXBfze91s/s1600/brandenburgertor_relativistic.png" height="300" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schnappschuss während der Annäherung an das Brandenburger Tor mit 90 % der Lichtgeschwindigkeit.<br />
(<span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left;">Bild: </span><a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/impressum.html" style="background-color: white; color: #660099; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left; text-decoration: none;">Ute Kraus</a><span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left;">, Institut für Physik, Universität Hildesheim,</span><a href="http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/" style="background-color: white; color: #660099; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left; text-decoration: none;">Tempolimit Lichtgeschwindigkeit</a><br />
<span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left;"></span><span style="background-color: white; font-family: Arial, Helvetica, sans-serif; font-size: 11px; text-align: left;">(http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/)</span>)</td></tr>
</tbody></table>
<i><br /></i></div>
</div>
Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-62104100777004057592014-03-08T10:00:00.000+01:002014-05-04T17:11:43.166+02:00Schwerelos am Äquator (Whiteboard-Skizze I)Die Erde rotiert momentan in etwa 24 Stunden ein Mal um ihre eigene Achse, wodurch Tag und Nacht entstehen. Genauso wie auf einem Karussell werden ihre Bewohner (und übrigens auch alles Material der Erde selbst) durch die Fliehkraft bzw. die Zentrifugalkraft "nach außen" gedrückt. Auf uns wirkt aufgrund der Erddrehung also ständig eine Kraft "nach oben". Allerdings ist die Zentrifugalkraft um einiges schwächer als die zum Erdkern gerichtete Zentri<i>petal</i>kraft, also die gewohnte Schwerkraft bzw. Gravitation - wäre dies nicht so, könnten wir uns nur schwer auf dem Erdboden halten. (Auch der Erdboden könnte sich nicht "auf dem Erdboden" halten und würde ins All geschleudert werden.)<br />
<a name='more'></a><br />
Vor allem am Äquator sind Fliehkraft und Erdanziehungskraft einander genau gegenwirkende Kräfte: die eine Kraft wirkt "nach unten", die andere "nach oben".<br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">Wie schnell müsste sich die Erde drehen, damit man am Äquator schwerelos ist?</span></h2>
Diese Frage kann man auch so formulieren: Bei welcher Rotationsgeschwindigkeit sind die Zentrifugal- und die Zentripetalkraft betragsmäßig gleich groß?<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-B7UY00N3VLk/Uxjs3v7z6UI/AAAAAAAABDM/LIEmU7ZzHAk/s1600/earth+rotation.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-B7UY00N3VLk/Uxjs3v7z6UI/AAAAAAAABDM/LIEmU7ZzHAk/s1600/earth+rotation.png" height="416" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Rechnungen zeigen, für welche Umlaufzeit <i>T</i> am Äquator das rote Strichmännchen schwerelos wird.</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Die Antwort auf diese Frage lautet: Würde sich die Erde etwa 17 Mal so schnell drehen als sie es momentan macht, so würden Äquatorbewohner tatsächlich schwerelos sein. Ein Tag-Nacht-Zyklus würde anstatt der gewohnten 24 Stunden nur mehr 1,4 Stunden betragen - anders gesagt etwa 1 Stunde und 24 Minuten. Die Geschwindigkeit um den Erdmittelpunkt würde sich von den normalen 1668 km/h auf beinahme 28500 km/h erhöhen. Hui!<br />
<br />
Astronauten auf der Internationalen Raumstation (ISS) erleben diesen Tag-Nach-Rhythmus jeden Tag (oder besser gesagt, jeden ...ähm...Siebzehntel-Tag) und sehen etwa alle eineinhalb Stunden die Sonne auf- bzw. untergehen. Und natürlich sind sie in der Raumstation schwerelos.<br />
(Dass sich die Überlegungen über die Schwerelosigkeitsbedingungen relativ direkt auf die ISS übertragen lassen, liegt einfach daran, dass die über 400 Kilometer Höhe, in der dieser Außenposten der Menschheit die Erde umkreist, relativ wenig sind im Vergleich zu den ca. 6400 Kilometern Erdradius - der Fehler, den wir bei dieser Rundung machen, liegt im Bereich von wenigen Minuten.)Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-70437946597446004432014-02-22T11:30:00.000+01:002014-04-15T19:32:37.919+02:00Mini-Satelliten für alle<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-bvCgfsv805M/UwDihBj0DII/AAAAAAAABB4/XKWHjRWx7Yg/s1600/iss038e045009.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-bvCgfsv805M/UwDihBj0DII/AAAAAAAABB4/XKWHjRWx7Yg/s1600/iss038e045009.jpg" height="424" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Zwei <i>CubeSat</i>s werden von der Internationalen Raumstation in den Orbit entlassen.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<b>Vor einigen Tagen, am 11. Februar, hat die Internationale Raumstation (ISS) damit angefangen, kleine Satelliten auszuspucken und in die Schwerelosigkeit zu entlassen.</b> Dabei handelt es sich aber keineswegs um ein Missgeschick, sondern um ein recht interessantes Projekt von "Planet Labs", welches die Platzierung einer Flotte von 28 Mini-Satelliten namens <i>Flock-1</i> in einem niedrigen Erdorbit vorsieht. Die individuellen Satelliten werden dabei übrigens als <i>Doves</i> bezeichnet und sind vom Satelliten-Typ <i>CubeSats</i>.<br />
<a name='more'></a>Besonders außergewöhnlich bei diesen <i>CubeSats</i> ist ihre Größe - oder besser gesagt, ihre Winzigkeit. Ein einfacher <i>CubeSat</i> ist nur 10x10x10 cm groß und wiegt maximal 1,33 kg. Bedenkt man, dass Kommunikationssatelliten (inkl. Solarpanele) sich locker über 20 oder 30 Meter ausdehnen können, sind diese <i>CubeSats</i> wirklich zierlich!<br />
<br />
Die <i>Flock-1</i>-Satelliten allerdings erfüllen die Maße von sog. dreifachen <i>CubeSats</i> (30x10x10 cm, max. 3 kg) und sind damit nicht größer als ein durchschnittlicher Brotlaib. Doch selbst verglichen mit meinem <a href="http://img.welt.de/img/vermischtes/crop101598588/6170714848-ci3x2l-w580-aoriginal-h386-l0/brot-DW-Vermischtes-Berlin.jpg" target="_blank">Lieblingsbrot</a> haben diese Mini-Satelliten einen ganzen Haufen Technik eingebaut. (Sorry, Bernd!)<br />
<br />
<b>Was werden diese <i>CubeSats</i> also für uns machen? Wodurch heben sie sich von Brotlaiben ab?</b><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-ObFvg24KRVw/UwDi-Pl7PFI/AAAAAAAABCA/88ufCKmdi_o/s1600/cubesats_flock-1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-ObFvg24KRVw/UwDi-Pl7PFI/AAAAAAAABCA/88ufCKmdi_o/s1600/cubesats_flock-1.jpg" height="384" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die 28 Satelliten der <i>Flock-1</i>-Mission warten auf ihren Transport zur ISS.<br />
(Credit: Planet Labs)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<i>Flock-1</i> wird die Erde fotografieren und die Daten allgemein zugänglich machen. Die gesammelten Daten liegen also nicht mehr, wie bisher, in der Hand einzelner Nationen, Firmen, etc., sondern es kann von jedem Erdbewohner frei über sie verfügt werden.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<i>"We believe that the democratization of information about a changing planet is the mission that we are focused on, and that, in and of itself, is going to be quite valuable for the planet. One tenet that we have is to make sure that we produce more value than we actually capture, so we have an open principle within the company with respect to anyone getting access to the data."</i> (Robbie Schingler, <i>Co-Founder</i> von <i>Planet Labs</i>)</blockquote>
Die <i>Doves</i> werden automatisiert Bildmaterial der Erdoberfläche erstellen und es beim nächsten Überflug über eine Bodenstation übertragen, worauf die Bilder dann online gestellt und für alle zugänglich gemacht werden.<br />
Man kann sich gut vorstellen, dass zu den Einsatzgebieten der <i>Flock-1</i>-Satellitenschar beispielsweise Katastrophenhilfe oder verbesserter landwirtschaftlicher Ertrag in Entwicklungsländern gehören werden. Die Daten werden sich außerdem für Umweltschutzmessungen verwenden lassen, wie z. B. der Überwachung der Waldrodungen oder der Veränderung der Polkappen.<br />
<br />
Darüberhinaus ist die Rate, mit der Daten von einem bestimmten Gebiet gesammelt werden, bei diesen <i>CubeSats</i> viel höher als die von bisherigen Satellitensystemen.<br />
<br />
Dieser Grundgedanke des <i>Flock-1</i>-Projekts, also die Bereitstellung aller gesammelten Daten für die Öffentlichkeit, ist lobenswert und ein kleiner Schritt zur Verbesserung der Welt. Obwohl wir ohnehin stark, wenn auch indirekt, von der Raumfahrt und ihren Entwicklungen in unseren alltäglichen Leben profitieren, so wird es vielleicht auch bald möglich sein, <i>unmittelbare</i> Satellitendaten im größeren Stil zur Verbesserung der Lebenssituationen (z. B. in Entwicklungsländern, wie oben erwähnt) zu verwenden.<br />
<br />
<i>(Mehr Infos zu diesem Projekt sind übrigens <a href="http://www.nasa.gov/mission_pages/station/research/news/flock_1" target="_blank">hier</a> zu finden.)</i><br />
<br />
__________<br />
Kleiner Nachtrag:<br />
Gestern Abend hat Koichi Wakata, ein JAXA-Astronaut, der momentan auf der ISS lebt, <a href="https://twitter.com/Astro_Wakata/status/436978356429389824" target="_blank">getwittert</a>, dass die nächste Ladung <i>CubeSat</i>s gerade zum "Abschuss" ins All vorbereitet wurde:<br />
<blockquote align="center" class="twitter-tweet" data-conversation="none" lang="en">
New set of Cubesats are loaded on the platform. Satellite deployment using Kibo’s robotics is scheduled next week. <a href="http://t.co/16pRGlx4jS">pic.twitter.com/16pRGlx4jS</a><br />
— Koichi Wakata (@Astro_Wakata) <a href="https://twitter.com/Astro_Wakata/statuses/436978356429389824">February 21, 2014</a></blockquote>
<script async="" charset="utf-8" src="//platform.twitter.com/widgets.js"></script>Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-3840906498512955352014-02-14T12:54:00.000+01:002014-04-16T14:24:49.923+02:00Sinne der Curiosity I - Den Mars sehenVielleicht könnt ihr euch noch erinnern, wie der Rover namens Curiosity damals auf dem Mars gelandet ist. Es war eine <a href="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/96/Curiosity%27s_Seven_Minutes_of_Terror.ogv" target="_blank">spektakuläre Landung</a>, denn sie war völlig neu in ihrer Art.<br />
Freude und Erleichterung waren enorm im Kontrollraum des NASA Jet Propulsion Laboratory, als Curiosity das <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nasa_curiosity_first_images_mars.jpg" target="_blank">erste Bild</a> zur Erde schickte, welches zeigte, dass ihre Räder sicher auf dem Marsboden stehen. Seitdem rollt das sog. Mars Science Laboratory (MSL) munter auf unserem Nachbarplaneten, sammelt Daten, schickt uns faszinierende Bilder und ermöglicht uns tiefe Einblicke in Geschichte und Gegenwart des Mars.<br />
<a name='more'></a><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-TiiIR61aZp4/Uvz3-tMadHI/AAAAAAAAA_U/kyW8Ho7oNBQ/s1600/curiosity_selfie.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-TiiIR61aZp4/Uvz3-tMadHI/AAAAAAAAA_U/kyW8Ho7oNBQ/s1600/curiosity_selfie.jpg" height="247" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Curiosity-Selfie.<br />
Der Rover ist offiziell übrigens weiblich, falls das jemanden interessiert.<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
Eines der großen Ziele dieser Rovers, der im Rahmen des Mars Exploration Programs (ein langfristiges Mars-Erkundungsprogramm durch Roboter) eingesetzt wird, ist herauszufinden, ob der Mars jemals eine geeignete Umgebung bieten konnte (oder kann), um Leben zu ermöglichen. Dazu sucht man z. B. nach kohlenstoffhaltigen, organischen Verbindungen, nach den Grundbausteinen von Leben, wie wir es kennen (die Elemente H, N, O, C, P und S), nach Strukturen, die auf biologische Prozesse hindeuten könnten, nach der aktuellen Verteilung und der Struktur von Wasser und CO<sub>2</sub>, u.v.m. Man untersucht gleichzeitig die Marsoberfläche und -atmosphäre auf ihre chemische Zusammensetzung und vermisst das Strahlungsniveau und -spektrum.<br />
<br />
Um diese Ziele zu erreichen, muss der weitgehend autonome Rover mit einer Anzahl von wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet sein - mit einer Art von "Sinnen" -, die eine Erfassung der Umwelt ermöglichen.<br />
Curiosity bringt 900 kg auf die (Erd-)Waage, was das oben erwähnte, spezielle Landemanöver erst notwendig gemacht hat. Es ist der größte jemals irgendwohin gebrachte Roboter!<br />
Was den Rover am Leben hält, mit Strom versorgt und wärmt, sind 4,8 kg Plutoniumdioxid - ein radioaktives Material, dessen abgegebene Wärmeleistung durch diverse Thermoelemente in 110 W elektrische Leistung umgewandelt wird. Die gesamte Batterie ist 43 kg schwer - das ist leichter als Solarpanele, die die gleiche elektrische Leistung bringen. Dass somit mehr Raum für wissenschaftliche Instrumente bleibt, erkennt man auch an ihrer vergleichsweise großen Anzahl: Curiosity hat 10 wissenschaftliche Instrumente eingebaut, während vorhergehende Roboter maximal halb so viel Instrumente unterbringen konnten.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-WSg2fEt0wVA/UvyzDuEwuiI/AAAAAAAAA-I/vUogr-QzTE0/s1600/marsrovers_engineers.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-WSg2fEt0wVA/UvyzDuEwuiI/AAAAAAAAA-I/vUogr-QzTE0/s1600/marsrovers_engineers.jpg" height="303" width="600" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">In der "Mars Yard testing area" des JPL sieht man zwei Ingenieure und drei Roboter,<br />
die in diesem Moment den Mars erkunden.<br />
Vom kleinsten zum größten: <i>Sojourner</i> (1997 am Mars gelandet), Zwillingsroboter von Spirit und Opportunity (2004 am Mars gelandet) und Curiosity (2012 mit einer neuartigen, fliegenden "Skycrane"-Konstruktion auf den Mars abgeseilt).<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Diese wissenschaftlichen Instrumente, die gewissermaßen Curiosity's "Sinne" darstellen, möchte ich in diesen und in folgenden Artikeln kurz vorstellen.<br />
Dabei wird es jeweils einen Artikel zu den Kameras, zu den Spektrometern, zu den Strahlungsdetektoren und zu den Umweltsensoren geben. (Heute sind die Kameras an der Reihe, also werden drei weitere Artikel folgen.)<br />
<br />
<h2>
<span style="font-size: x-large;">
Den Mars sehen</span></h2>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-QeHedo7P2i4/Uvy2g7Gew8I/AAAAAAAAA-U/Ns-lMa9Bj30/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory.png" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-QeHedo7P2i4/Uvy2g7Gew8I/AAAAAAAAA-U/Ns-lMa9Bj30/s1600/Drawing-of-the-Mars-Science_Laboratory.png" height="333" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die wissenschaftlichen Instrumente von Curiosity.<br />
Heute: Die Kameras MastCam, MAHLI und MARDI<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
<h3>
MastCam</h3>
Die sog. "Mast Camera" besteht eigentlich aus zwei Kameras, welche am großen Mast des Rovers untergebracht sind. Dieser Komplex aus den beiden hochauflösenden Kameras namens "MastCam-34" und "MastCam-100" ermöglicht eine optische Untersuchung der Umgebung, wie z.B. die Erfassung der Topologie oder das Analysieren von Oberflächenstrukturen. Dabei sind die beiden Kameras völlig baugleich: Sie haben jeweils einen 8 GB-Flash-Speicher, der Platz für 5500 unbearbeitete Bilder enthält. Die Kompression dieser Bilder kann entweder verlustfrei oder verlustbehaftet (JPEG-Verfahren) erfolgen und beansprucht dabei nicht das "zentrale Rechenzentrum". Das selbe gilt natürlich auch für die 720p-Videos mit 10 Bildern pro Sekunde, die aufgenommen werden können. Curiosity kann also Bilder schießen und komprimieren und dabei einen klaren Kopf bewahren.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-mhPXqlyeR30/UvzrTTE3lLI/AAAAAAAAA-k/-o5YUk7mMgc/s1600/MSL-MastCam.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-mhPXqlyeR30/UvzrTTE3lLI/AAAAAAAAA-k/-o5YUk7mMgc/s1600/MSL-MastCam.jpg" height="212" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die beiden Kameras des MastCam-Komplexes im Vergleich zu einem Schweizer Taschenmesser.<br />
(Credit: JPL)</td></tr>
</tbody></table>
Die beiden Kameras unterscheiden sich nur durch bezüglich der verfügbaren Filter (die vor die Linse gedreht werden können), dem Gesichtsfeld und der Brennweite. Die Brennweite steckt bereits im Namen: MastCam-34 hat eine Brennweite von 34 Millimetern, MastCam-100 eine Brennweite von 100 Millimetern. Es ist beiden Kameras möglich, über einen Bereich von 2,1 Metern bis ins Unendliche zu fokussieren. Das heißt, die MastCam-100 kann Strukturen in 2 Metern Entfernung bishin zu 0,15 Millimetern auflösen.<br />
Vielleicht sollte man hier noch erwähnen, dass die MastCam-34 eher auf den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums abzielt, die MastCam-100 eher auf den infraroten Bereich.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-ZbBQWdhMY48/UvzsBtFIBeI/AAAAAAAAA-s/uF4o_LlIlEo/s1600/pia16051_featured-hpfeat2.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://4.bp.blogspot.com/-ZbBQWdhMY48/UvzsBtFIBeI/AAAAAAAAA-s/uF4o_LlIlEo/s1600/pia16051_featured-hpfeat2.jpg" height="248" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein Ausschnitt des ersten hochauflösenden Farbfotos von Curiosity.<br />
Es zeigt die Umgebung der Landezone im sog. Gale Crater.<br />
Das ganze Bild in ultramegasuper-HD findet man <a href="http://mars.jpl.nasa.gov/images/pia16051_figure_1_raw_smaller-full.jpg" target="_blank">hier</a> - es zahlt sich aus!<br />
(Credit: NASA/JPL)</td></tr>
</tbody></table>
<h3>
MAHLI</h3>
MAHLI steht für "Mars Hand Lens Imager", woraus man einige Eigenschaften dieses Instruments grob abschätzen kann:<br />
<br />
<ul>
<li>"Mars": Nun gut...das Einsatzgebiet von MAHLI ist der Mars. Das hätte ich mir jetzt vermutlich aber auch sparen können. ;-)</li>
<li>"Hand": Montiert ist das ganze am vorderen Ende des Arms und sitzt somit genau dort, wo bei einem Menschen die Hand wäre.</li>
<li>"Lens Imager": MAHLI fungiert als eine Art Linse bzw. Mikroskop. In Wahrheit handelt es sich um eine hochauflösende Kamera, die 25 Millimeter entfernte Strukturen bis zu 15 Mikrometer (0,015 Millimeter) auflösen kann. Dazu wird das Gerät einfach nahe genug an die Probe gebracht (der Roboterarm besteht ja aus drei Gelenken - etwa wie Schulter-, Ellbogen- und Handgelenk -, die die große Flexibilität des Arms ermöglichen. Zusätzlich zum 1600x1200 Pixel leistenden CCD-Sensor in der Kamera gibt es mehrere LEDs am Kameragehäuse angebracht, die sowohl im sichbaren als auch im UV-Bereich (für fluoriszierende Stoffe) arbeiten können und Aufnahmen auch in der Nacht möglich machen.</li>
</ul>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-Xr6O04JiwXw/UvzxqwSxVMI/AAAAAAAAA-8/RFoGsnofz3M/s1600/MSL_-_Mars_Hand_Lens_Imager_(MAHLI).jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-Xr6O04JiwXw/UvzxqwSxVMI/AAAAAAAAA-8/RFoGsnofz3M/s1600/MSL_-_Mars_Hand_Lens_Imager_(MAHLI).jpg" height="306" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">MAHLI-Kamerakopf, wieder im Vergleich zu einem 9 cm langen Schweizer Taschenmesser.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
<div>
<br /></div>
<div>
Es befindet sich außerdem eine Penny-Münze aus dem Jahr 1909 neben der Farb- und Musterpalette, die am Rover-Gehäuse angebracht ist, mit Hilfe derer sich MAHLI kalibrieren kann.</div>
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<br /></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-WuxwIukXeXY/UvzyB9u_xSI/AAAAAAAAA_E/P4QIzjNA1WI/s1600/Yingst-1-pia15699-br.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-WuxwIukXeXY/UvzyB9u_xSI/AAAAAAAAA_E/P4QIzjNA1WI/s1600/Yingst-1-pia15699-br.jpg" height="284" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">"MAHLI am Mars" - MastCam-Bild des <i>Mars Hand Lens Imager</i><br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
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<br /></div>
<h3>
MARDI</h3>
<div>
Richtig, das "MAR" von MARDI steht wieder für "Mars", das war ja klar. Das "DI" ist jedoch dieses Mal die Abkürzung für "Descent Imager".<br />
Dieser <i>Mars Descent Imager</i> ist wiederum eine hochauflösende Kamera, die dazu verwendet wurde, in der letzten Abstiegsphase der Curiosity-Landung Bilder der Landezone aufzunehmen. Die Landestufe sollte aufgrund dieser Fotos selbstständig den genauen Landeort aussuchen. (Wie das ganz oben verlinkte Video betont, kann man die Landung auf dem Mars nicht von der Erde aus direkt steuern, weil die Funksignale von der Erde bis zum Mars länger brauchen als die Landesequenz dauern würde. Die Software auf dem Roboter hat die ganze Landung also selbst gemeistert!) Gleichzeitig wurde die genaue Umgebung aufgezeichnet - ist ja immer gut, wenn man weiß, wo man ist. ;-)</div>
<div>
Auch jetzt noch, wo Curiosity ja bereits erfolgreich gelandet ist, wird der MARDI noch eingesetzt. So kann man ihn z. B. für die Prüfung von Curiosity's Inertialsensors auf Genauigkeit hernehmen: Die Bewegungsmessung des Sensors wird mit den Bildverschiebungen zwischen zwei Bodenaufnahmen der Kamera verglichen. Resultieren die Daten dieser beiden Verfahren in der gleichen Bewegung, so kann man auf die vollständige Funktion dieser Geräte schließen.</div>
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<br /></div>
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Das <a href="http://youtu.be/Esj5juUzhpU" target="_blank">folgende Video</a> zeigt (nachbearbeitetes) Bildmaterial des MARDI: Der letzte Abschnitt der beeindruckenden Landesequenz von der Trennung des Hitzeschilds (erst dann hat MARDI etwas "sehen" können) bishin zur Landung auf dem Marsboden.</div>
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(Unbedingt in HD und Vollbildmodus anschauen!!)</div>
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<iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="360" src="//www.youtube-nocookie.com/embed/Esj5juUzhpU" width="640"></iframe></div>
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Soweit zu den "Augen" von Curiosity. Das nächste Mal geht es um den "Geschmackssinn" des Rovers.<br />
<br />
<div style="text-align: right;">
<i><b>>> <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2014/03/sinne-der-curiosity-ii-den-mars.html">Teil II - Den Mars schmecken</a></b></i></div>
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Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4638840820465010619.post-73251937334067081022014-02-09T15:42:00.003+01:002014-04-15T19:33:19.332+02:00Die Badezimmer-Waage in der ErdumlaufbahnMan kann auf der Internationalen Raumstation (ISS) nicht einfach schnell einkaufen gehen, wenn das Essen knapp wird - Gründe dafür sind hauptsächlich logistischer Natur. Die Nahrung muss mit Raumfahrzeugen in die Erdumlaufbahn geliefert werden, was dazu führt, dass sie im Vorhinein haltbar gemacht werden muss und nur in begrenzter Menge vorhanden ist. Zwar ist das Essen auf der ISS ausgesprochen gut, wie viele Astronauten sagen, dennoch besteht keine Gefahr, im Orbit übergewichtig zu werden und nicht mehr in den eigenen Raumanzug zu passen. Vielmehr müssen Astronauten darauf achten, nicht zu viel Körpermasse abzubauen: Muskeln, die in der Schwerelosigkeit kaum beansprucht werden, bauen sich schnell ab, und auch die Knochendichte der Astronauten nimmt nach längerem All-Aufenthalt nachweislich ab.<br />
<a name='more'></a><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-kj7YJh10vEg/UveEYFvG94I/AAAAAAAAA9A/f_lrxrA5YPE/s1600/donpettit_food.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://1.bp.blogspot.com/-kj7YJh10vEg/UveEYFvG94I/AAAAAAAAA9A/f_lrxrA5YPE/s1600/donpettit_food.jpg" height="255" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Astronaut Don Pettit spielt mit seinem Essen - und das bei 28.000 km/h.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
Die Leute auf der ISS müssen sich also regelmäßig auf die Waage stellen, um ihr Körpergewicht im Auge zu behalten. Dazu schweben sie ins Raumstations-Badezimmer und schnallen sich auf die im Jahr 2001 hochgebrachte rot-weiß-gestreifte Badezimmerwaage. Wenn sie dann merken, dass sie nicht ganz ihr Wunschgewicht haben, straffen oder lockern sie die Gurte, die sie gegen die Waage drücken. Sobald die Anzeige ihr optimales Gewicht anzeigt, werden diese Daten an die Bodenstation übermittelt. Seit 2001 gibt es übrigens keine Gewichtsprobleme bei Astronauten zu vermerken.<br />
<br />
<i>Nun gut, der letzte Absatz ist natürlich absoluter Blödsinn!</i><br />
Richtig allerdings ist, dass Astronauten tatsächlich über ihre Körpermasse bescheid wissen müssen. Trainieren sie beispielsweise nicht genug, so haben sie eine schwere Zeit, wenn sie sich nach einem halben Jahr in der Schwerelosigkeit wieder an die Gravitation am Erdboden gewöhnen müssen.<br />
<br />
<b>Wie aber bestimmt man seine Körpermasse in der Schwerelosigkeit?</b><br />
Sich auf eine Waage zu stellen, funktioniert aus leicht ersichtlichen Gründen nicht - <a href="http://sebastiantempl.blogspot.co.at/2013/08/warum-sind-astronauten-im-all-schwerelos.html" target="_blank">im Orbit ist man ja schwerelos</a>. Man könnte damit nur die Spannkraft der Gurte messen.<br />
<br />
Aus diesem Grund hat man etwas in die physikalische Trickkiste gegriffen und eine im Grunde relativ einfache Lösung für dieses Problem gefunden: Man bedient sich der einfachen Schwingungsgleichungen, die direkt aus dem zweiten Newton'schen Axiom (<i>F = m·a</i>) folgen. Umgeformt auf die Masse (die Astronautenmasse, die wir ja finden wollen) sieht dieses Axiom so aus: <i>m = F/a</i>. Die Masse ist also Kraft geteilt durch die Beschleunigung.<br />
<b>Nun nehmen wir eine große Feder, von der wir die Federkraft "<i>F</i>" kennen, und binden einen Astronauten an ein Ende. Wenn wir nun Beschleunigungen "<i>a</i>" messen, die der Astronaut an der schwingenden Feder erfährt, können wir einfach seine Masse bestimmen. Je schwerer der Astronaut ist, desto langsamer wird er hin- und herschwingen.</b><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-pKWEI8Gvfy0/UveLsVt1_NI/AAAAAAAAA9Y/v5eoVta_JoY/s1600/Simple_harmonic_oscillator.gif" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-pKWEI8Gvfy0/UveLsVt1_NI/AAAAAAAAA9Y/v5eoVta_JoY/s1600/Simple_harmonic_oscillator.gif" height="320" width="103" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schematische Weltraum-Waage: Der Astronaut wird in erster Näherung als Würfel behandelt.<br />
(Credit: Oleg Alexandrov, via Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Das ist das vereinfachte Prinzip, welches tatsächlich angewendet wird, um Astronauten zu "wiegen". In der Realität sieht das ganze natürlich etwas komplizierter aus - das Grundprinzip ist allerdings wirklich so simpel wie oben beschrieben.<br />
<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-wcgwWO7tSt4/UveKrgRmAfI/AAAAAAAAA9Q/fjMyDzTbhIs/s1600/marshburn_mass.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-wcgwWO7tSt4/UveKrgRmAfI/AAAAAAAAA9Q/fjMyDzTbhIs/s1600/marshburn_mass.jpg" height="400" width="265" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Astronaut Tom Marshburn im eingeschwungenen Zustand.<br />
Das Space Linear Acceleration Mass Measurement Device (SLAMMD) wird ihm später seine Masse verraten.<br />
(Credit: NASA)</td></tr>
</tbody></table>
Es ist relativ einfach, die Differentialgleichung aufzustellen, welche den schwingenden Astronauten auf dem "Federpendel" beschreibt. Dazu trifft man allerdings ein paar Näherungen - z. B. nimmt man an, dass die Federkraft linear mit der Auslenkung der Masse wächst (Hooke'sches Gesetz). Das hat zur Folge, dass dieses <i>Space Linear Acceleration Mass Measurement Device</i> (<i>SLAMMD</i>) nur für Massen zwischen 43 und 109 kg funktioniert.<br />
Wir wollen hier ja nur das grundlegende Funktionsprinzip dieses <i>SLAMMD</i> verstehen. Machen wir also weitere Näherungen (ja, Physiker machen das gerne!). Wir nehmen also an, dass die Waage <i>an sich</i> keine Masse hat, sondern nur der Astronaut, der sich an ihr festhält. Weiters vernachlässigen wir jede Art von Reibung. Diese Annahmen machen die Rechnungen viel einfacher, während sie ihre Grundaussagen für unsere Zwecke nicht verfälschen. (Unsere Ausgangsgleichung ist die des ungedämpften harmonischen Oszillators, falls das jemand interessiert.)<br />
<br />
Eine mögliche Lösung dieser Oszillatorgleichung ist:<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://3.bp.blogspot.com/-gAxfAQUGbrE/UveWNU1PyVI/AAAAAAAAA90/BUulMvLAs7Q/s1600/harmOscillator_solution.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="http://3.bp.blogspot.com/-gAxfAQUGbrE/UveWNU1PyVI/AAAAAAAAA90/BUulMvLAs7Q/s1600/harmOscillator_solution.png" height="62" width="200" /></a></div>
<br />
Das <i>x(t)</i> bedeutet nichts anderes als die Auslenkung aus der Ruhelage zu einer Zeit <i>t</i>. <i>A</i> ist einfach die Auslenkung aus der Ruhelage, wenn wir das Pendel zum ersten Mal "aufziehen". Der Kosinus lässt einen sofort erkennen, dass die Masse zu schwingen anfängt, wenn sie losgelassen wird. Wie schnell der Kosinus "schwingt", hängt von dem Wurzelausdruck in seinem Argument ab. In diesem steckt die Federkonstante <i>k</i> und die Masse <i>m</i> des Astronauten.<br />
Die Details sind nicht sonderlich wichtig. Essentiell ist nur, dass wir alle vorkommenden Größen und Variablen kennen - alle, bis auf die Astronautenmasse <i>m</i>! <b>Deshalb ist es möglich, durch Messen des Schwingungsverhaltens und durch Umformen der Gleichung die Masse des Astronauten zu bestimmen. </b>Das ist nicht sonderlich schwierig, trotzdem macht es auf der ISS eine eigene Software auf einem Laptop.<br />
<br />
Die Software zeichnet die <i>x(t)</i>-Kurve auf und bestimmt dann aus ihr die Astronautenmasse mit einer Genauigkeit von plusminus 230 Gramm. <b>Je langsamer der Astronaut hin- und herschwingt, desto mehr Masse hat er.</b> Dies sieht man ganz schön in der mathematischen Lösung, wo die Masse <i>m</i> im Nenner steht. Wird sie größer, wird gleichzeitig der Wurzelausdruck kleiner - und da der Wurzelausdruck für die (Eigen)Frequenz <i>ω<sub>0</sub></i> der Schwingung steht, wird auch die Schwingung "langsamer".<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-UnVJQvkhwt8/UveS-tdnJiI/AAAAAAAAA9o/1OLMkdSfYwY/s1600/Eating-candy-in-space_l.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="http://2.bp.blogspot.com/-UnVJQvkhwt8/UveS-tdnJiI/AAAAAAAAA9o/1OLMkdSfYwY/s1600/Eating-candy-in-space_l.jpg" height="271" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Dank Sir Isaac Newton können Astronauten auf der ISS also herausfinden, wie viel Süßigkeiten sie essen dürfen.<br />
(Credit: NASA, JAXA)</td></tr>
</tbody></table>
<br />
__________<br />
<ul>
<li><span style="font-size: x-small;">Weitere Infos zum <i>SLAMMD</i> gibts <a href="http://www.nasa.gov/mission_pages/station/research/experiments/640.html" target="_blank">hier</a>.</span></li>
<li><span style="font-size: x-small;">Ein bisschen Federpendelmathematik findet man z. B. <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Federpendel" target="_blank">auf Wikipedia</a>.</span></li>
</ul>
<br />
<br />Anonymoushttp://www.blogger.com/profile/10863191189102039373noreply@blogger.com0