Donnerstag, 9. Mai 2013

Entwicklung der Quantenphysik IV: Licht und Teilchen - alles das selbe?

Nachdem in den vorhergehenden Artikeln beschrieben wurde, dass Licht nur in kleinen Energiepaketen - sog. Quanten - auftreten kann und es kleinste solcher Pakete gibt, die Photonen genannt werden, womit dem klassischen Wellenmodell des Lichts deutliche Grenzen aufgezeigt wurden, soll in diesem vierten Teil der Artikelserie ein weiterer revolutionärer Schritt gewagt werden:
Der französische Physiker Louis de Broglie schlug im Jahr 1924 vor, die duale Beschreibung durch Wellen- und Teilchenmodell, die sich für das Licht bewährt hatten, auch auf Teilchen, wie z. B. Elektronen, zu übertragen.
Doch was heißt das jetzt? Was ist denn nun Licht wirklich? Und was genau sind dann Elektronen?



Alle anderen Artikel dieser Serie sind hier zu finden.



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Tja. Was ist "Licht" nun? Wie kann man sich das vorstellen?
Das ist in der Tat eine schwierig zu beantwortende Frage!
Licht besteht auf jeden Fall, wie bereits öfter erwähnt, aus kleinsten Energieportionen, die nicht teilbar sind und Photonen genannt werden. Photonen sind in gewissem Sinne also Teilchen, haben jedoch auch Welleneigenschaften. Je nachdem, welchen Aufbau man in einem Experiment verwendet, beobachtet man vorwiegend Wellen- oder Teilcheneigenschaften.
Wie wir bereits gesehen haben, sind Photonen über ihre Energie E = h · ν definiert. Dabei ist h das Planck'sche Wirkumsquantum (eine sehr kleine Naturkonstante) und ν die Frequenz des jeweiligen Photons. Weiters kann man einem Photon eine formale Masse m = E / c2 = (hν) / c2 zuordnen. c ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit - nämlich Lichtgeschwindigkeit. (Photonen haben nicht wirklich eine Masse, da sie sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Alles, was Masse hat, kann sich nicht mit c ausbreiten. Deshalb ist diese Photonenmasse tatsächlich nur eine formale!)
Eine weitere Eigenschaft eines Photons ist der Impuls p = · k, wobei das Plancksche Wirkungsquantum dividiert durch 2π ist (hierbei handelt es sich nur um eine sparsame Schreibweise, nichts weiter). k ist die sog. "Wellenzahl". k = (2π · ν) / c.

Wenn man genau schaut, merkt man, dass alle drei eben aufgezählten Photoneneigenschaften nur über die Frequenz des Photons definiert sind!

Nun sind dem (physikalischen) Hausverstand nach Impuls, Masse etc. eher Teilcheneigenschaften als Welleneigenschaften. Doch sind sie hier über die Frequenz ν bzw. über die Wellenlänge λ definiert. (Frequenz und Wellenlänge kann man ja ganz schnell mit der Beziehung λ · ν = c = konstant ineinander umrechnen.)
Hier macht sich bereits ein tieferer Zusammenhang zwischen Wellen- und Teilchenmodell für elektromagnetische Strahlung bemerkbar!

Doch wer sagt, dass diese Beschreibung nicht auch auf Teilchen wie Elektronen, Neutronen, Atome und im weitesten Sinne Moleküle gelten soll? - Genau: Niemand.
Eben deshalb schlug Louis de Broglie vor, diese duale Beschreibung auch ganz allgemein auf Teilchen mit Masse zu übertragen.
Louis de Broglie1


Was also bislang als typisches Teilchen durchgegangen war, bekam plötzlich eine Wellenlänge zugeordnet - die sog. de Broglie-Wellenlänge. Denn auf einmal hatten ja auch Teilchen Welleneigenschaften - so wie damals auf umgekehrte Weise das wellenartige Licht Teilcheneigenschaften zugeordnet bekam.

Der Vollständigkeit halber: Die de Broglie-Wellenlänge kann man über die folgende Formel berechnen; mit h...Plancksches Wirkungsquantum, p...Impuls, m...Masse des Objekts, v...Geschwindigkeit, Ekin...kinetische Energie:
Ein Fußball der Masse 430 Gramm, der sich mit 120 km/h bewegt, hat somit eine de Broglie-Wellenlänge von 46 · 10-36 Metern. Das ist eine verdammt kleine Wellenlänge! (Das ist auch der Grund, warum man bei den großen Objekten unseres Alltages keine Interferenzerscheinungen etc. beobachtet. Die Wellenlänge eines Elektrons kann z.B. in Nanometerbereich (10-9 Meter) liegen und ist somit viel, viel größer. Die Wellenlängen von Photonen können wiederum größer sein. Wellenphänomene werden mit größerer Wellenlänge immer leichter beobachtbar.)

Doch welche Auswirkungen hat diese Annahme auf unser Verständnis der Welt?
Wenn nun also Masse-Teilchen durch die gleichen Merkmale charakterisiert werden wie Photonen, dann müssten sie sich unter gleichen experimentellen Bedingungen doch auch gleich verhalten, oder?

Einzelphoton-Interferenz
hinter einem Doppelspalt;
Anzahl der Photonen: 11 (a),
200 (b), 6000 (c),
40000 (d), 140000 (e)2
Im Young'schen Interferenzversuch schießt man Photonen gegen einen Doppelspalt. Die Lichtstrahlen gehen durch beide Spalte und interferieren auf einem dahinter befindlichen Schirm miteinander. Das führt zu Intensitätsmaxima, wenn der Lichstrahl, der vom linken Spalt kommt, mit dem Lichtstrahl vom rechten Spalt in Phase ist (= Wellenberg trifft auf Wellenberg oder Wellental trifft auf Wellental), bzw. zu Intensitätsminima, wenn am Schirm Wellenberg auf Wellental trifft.
Seltsamerweise ergibt sich auch Interferenzmuster hinter dem Doppelspalt, wenn man die Intensität des Lichts so stark vermindert, dass sich immer nur ein Photon in der Anlage befindet. Wie man im Bild auf der linken Seite sieht, scheinen die Auftreffpunkte der einzelnen Photonen anfänglich zufällig verteilt - und sind es auch! Immer mehr auftreffende Lichtteilchen lassen jedoch ein deutliches Interferenzmuster erkennen. Wie ist das möglich? Photonen treffen auf einem zufälligen (!) Ort am Schirm auf und können mit keinen anderen Photonen interferieren, weil sich zu einem beliebigen Zeitpunkt höchstens ein einziges Lichtteilchen im Versuchsaufbau befindet.
Eine theoretische Deutung dieser Beobachtungen liefert die Quantenmechanik, wie ich in einem späteren Artikel besprechen werde.

Aber fragen wir (noch) nicht nach dem Mechanismus hinter diesen Beobachtungen! Wir können trotzdem immer noch fordern: Wenn wir Teilchen, wie z. B. Elektronen, über die gleichen Eigenschaften charakterisieren wie Photonen, dann müssen auch Elektronen, die durch einen Doppelspalt geschossen werden, die gleichen experimentellen Resultate hervorrufen.

Tatsächlich konnten Clinton Joseph Davisson und Lester Halbert Germer im Jahr 1926 im Experiment zeigen, dass Elektronen nach dem Durchgang durch eine dünne Folie aus kristallinem Material (eine etwas andere Version des Doppelspaltes) ein Interferenzmuster in Form von Beugungsringen erzeugen. Es ist wirklich bemerkenswert, dass die Elektronenbeugung völlig analog zur Beugung von Röntgenstrahlen (= Photonen) funktioniert! Hier ein Vergleich:
Röntgenbeugung3
Elektronenbeugung4
Weitere Experimente zeigten, dass nicht nur die Elektronen Welleneigenschaften besitzen, sondern ganz allgemein auch andere Teilchen, wie etwa Neutronen. Mittlerweile hat man sogar geschafft, dass bestimmte Moleküle ein Interferenzmuster hinter einem Doppelspalt hervorrufen - also Gebilde, die aus einer Vielzahl von Atomen bestehen.


Die gewagten Vermutungen von Louis de Broglie haben sich also als vollkommen richtig herausgestellt!
Sie rücken die Natur in ein völlig neues Licht und haben enorm weitreichende Konsequenzen!



Im nächsten Teil werden wir uns der Antwort der oben aufgeworfenen Fragen nach dem Mechanismus hinter dem Young'schen Doppelspaltversuch nähern. Wieder werden grundlegend neue Konzepte vorgestellt.
Wir schreiten in der Entwicklung der Quantenphysik mit großen Schritten voran!



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1 Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Broglie_Big.jpg
2 Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Double-slit_experiment_results_Tanamura_2.jpg
3,4 Quelle: http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ph/14/ep/einfuehrung/atombau/debroglie_heisenberg.vlu/Page/vsc/de/ch/11/aac/vorlesung/kap_2/kap2_6/kap26_1/kap261_2.vscml.html


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