Donnerstag, 21. Februar 2013

Ein Loch als Intensitätsverstärker von Licht - die Fresnel-Beugung


Anmerkung: Dieser Artikel wurde aus meinem alten Blog übernommen.


Angenommen, ich stehe ein Stück entfernt von einer Lichtquelle, z.B. einer kleinen Glühbirne, und schaue direkt hinein (für diejenigen, denen es jetzt schon zu hell wird: von mir aus mit Sonnenbrille). Das Licht verteilt sich in alle Richtungen gleichermaßen, ein Teil davon trifft in mein Auge. So weit, so gut.
Ich platziere nun verschiedene Gegenstände zwischen Auge und Glühbirne und beobachte dabei, dass weniger Licht bei mir ankommt. Das erscheint natürlich erstmal völlig logisch - und ist es auch.
In diesem Artikel möchte ich allerdings erklären, was man zwischen Lichtquelle und Auge halten muss, damit beispielsweise mehr Licht ankommt als ohne Hindernis dazwischen. Und eines kann ich euch gleich sagen: Es wird sich dabei nicht um eine gewöhnliche Lupe handeln!


Bevor es so richtig losgehen kann, gehören hier noch folgende Aspekte festgehalten:
  • Das Licht wird in diesem Artikel ausschließlich als Welle behandelt:
    • Oftmals wird vom Welle-Teilchen-Dualismus des Lichts gesprochen. Da ist zwar schon was dran, dennoch ist hier die Teilchen-Natur des Lichts nicht notwendig. Ich will das Licht hier keinenfalls irgendwie diskriminieren, aber für die folgenden Überlegungen ist halt mal nur wichtig, dass das Licht wellt. ;-)
    • (Licht-)Wellen können interferieren, was so viel bedeutet, dass verschiedene Lichtstrahlen, die aufeinander treffen, sich einfach überlagern. Kommt beispielsweise ein Wellenberg mit einem Wellental zusammen, dass genau so tief ist wie der Berg hoch, so löschen die beiden Wellen einander im beobachteten Punkt aus (destruktive Interferenz). Treffen sich Wellenberg und Wellenberg, so verstärken sie einander (konstruktive Interferenz). "1-1=0", "1+1=2" und "(-1)+(-1)= -2". Es gibt unzählige Websites, die dieses Phänomen anhand des berühmten Doppelspaltexperiments erklären.
  • Das Huygens'sche Prinzip besagt, dass jeder Punkt einer Wellenfront/eines "Wellenkamms" Ausgangspunkt einer Elementarwelle ist. Jeder Punkt einer Welle erzeugt also wiederum eine "eigene" Welle, die im Zweidimensionalen halbkreisförmig und im Dreidimensionalen halbkugelförmig ist. Warum das im Alltag nicht auffällt, liegt daran, dass die Überlagerungen aller Elementarwellen die schöne, "große" Welle ergeben, die wir beobachten.
    Huygens-Prinzip nochmal zum Vorstellen: Wenn man einen Wasserwellenberg überall bis auf einen kleinen Punkt ganz plötzlich glatt macht (also wo vorher die große Welle war, ist jetzt keine Welle mehr - bis eben auf den einen Punkt), beobachtet man, dass von diesem Punkt anschließend eine (Elementar-)Welle ausgeht. Realisieren kann man dies, indem man eine Wellenfront auf eine Wand mit dünnem Spalt schickt und danach die halbkreisförmige Ausbreitung einer Welle beobachtet, die von nur einem kleinen Gebiet der vorherigen Welle ausgeht.
    (Am Anfang dieses Aufzählungspunktes habe ich das Huygens'sche Prinzip verlinkt. Am anderen Ende des Verweises finden sich Animationen, die helfen, sich das ganze gut vorstellen zu können.) 

Gut. Dann kann es losgehen.

Wir stellen uns jetzt folgende Situation vor: Von einer als punktförmig angenommenen Lichtquelle Q breitet sich Licht in Form einer Kugelwelle aus. Beim Beobachtungspunkt B befindet sich ein Messgerät für Licht - z. B. unser Auge.
Uns interessiert nun, welche Lichtintensität beim Auge ankommt und wie stark sie von Hindernissen zwischen Q und B beeinflusst wird.
(Lasst euch nicht abschrecken von den folgenden Skizzen und Überlegungen, denn 1. ist das ganze schnell wieder vorbei und 2. sind die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen können, meiner Meinung nach sehr verblüffend.)



Auf der Kugelfläche um das Zentrum Q und mit dem Radius R (in der Skizze rot) herrscht überall die gleiche Intensität, weil sich das Licht in alle Richtungen gleichermaßen ausbreitet.

Wenn wir allerdings jetzt die einzelnen Punkte der Kugelfläche als Ausgangspunkte neuer Kugelwellen ansehen (Huygens'schen Prinzip), so gelangen plötzlich Wellen von allen möglichen Punkten zum Beobachtungspunkt B - nicht nur mehr direkt von der Lichtquelle. Die Amplituden (quasi "Wellenhöhen" im Zweidimensionalen) und Phasen ("Wellenberg, Wellental oder etwas dazwischen") der neu entstandenen Wellen hängen im Punkt B von ihrem Entstehungsort ab. Wenn eine Welle weiter entfernt von B auf der (roten) Kugeloberfläche entstanden ist, kommen z.B. die Wellenberge später in B an als diejenigen von näher entstandenen Wellen. Genauer: Amplitude und Phase einer Sekundärwelle hängen in B vom Abstand zwischen Entstehungsort E und Punkt B und vom Winkel θ (Theta) ab.
Ein Entstehungsort einer neuen elementaren Kugelwelle heißt also ab jetzt E.



Wir stellen uns jetzt alle Punkte E vor, die den gleichen Abstand vom Beobachtungspunkt B haben. Diese liegen auf einem Kreis um die Verbindungslinie zwischen Q und B. Dazu muss man sich bewusst machen, dass die Figur in der Skizze rotationssymmetrisch um die Gerade zwischen Q und B ist. Vorstellen kann man sich es dann in etwa so wie im nächsten Bild, wobei ich danach wieder den Querschnitt skizzieren werde - also den "Blick von der Seite".


Alle Punkte E, die den gleichen Abstand von B haben, liegen also auf einem Kreis auf der roten Kugeloberfläche. In den folgenden zweidimensionalen Skizzen betrachten wir diese Kreise "von der Seite" - sie sind also einfach Linien, und zwar grüne.
Wir haben zwar einen beliebigen (grünen) Kreis, der durch E bestimmt ist, betrachtet, doch ab nun wählen wir ganz bestimmte Kreise (relativ gesehen zu unserem Erstgewählten).
Der nächste Kreis entsteht folgendermaßen: Den Abstand zwischen allen Punkten des ersten Kreises und dem Punkt B nennen wir "r". Der zweite Kreis soll überall r+(λ/2) von B entfernt sein. Das Symbol λ (Lambda) steht für die Wellenlänge des ausgestrahlten Lichts. (Wir gehen davon aus, dass in unserem Gedankenexperiment nur immer eine einzige Wellenlänge im Spiel ist.) Der nächste Kreis soll wiederum eine halbe Wellenlänge weiter von B entfernt sein als der vorherige. Und so weiter...
Die Flächen, die jeweils von zwei Kreisen begrenzt werden, heißen übrigens Fresnel-Zonen. (Achtung: Augustin Jean Fresnel war einfranzösischer Physiker und Ingenieur, deshalb lässt sich schon vermuten, dass man seinen Namen anders ausspricht als man ihn schreibt. Geschrieben: Fresnel - gesprochen:
fʀɛˈnɛl)


Wozu das ganze??
Zunächst mal eine gute Frage. Denn durch das Hinzufügen einer fiktiven Kugel um Q und die Anwendung des Huygens'schen Prinzips ändert sich natürlich nichts. Darf es auch gar nicht - wo kämen wir da hin, wenn sich die physikalische Realität ändert, nur weil wir uns irgendwelche Hirngespinste ausdenken!
Aber warum ändert es nichts, wenn wir Fresnel-Zonen einführen, an denen beliebig viele Elementarwellen entstehen? Die Antwort ist, dass es zu jeder Welle, die in einer Fresnel-Zone entsteht, es eine andere Welle aus der benachbarten Zone gibt, die genau eine halbe Wellenlänge (also λ/2) entfernt ist. (Zur Erinnerung: Die grünen Kreise stellen die Punkte dar, die sich im Bezug auf den Weg zu B um jeweils λ/2 unterscheiden.) Werden zwei Wellen gleicher Frequenz überlagert und beträgt der Wegunterschied zwischen den beiden genau λ/2, so treffen beispielsweise Wellenberg und -tal aufeinander und es gibt destruktive Interferenz. Die Wellen löschen sich also gegenseitig aus. Wir haben die Fresnel-Zonen so erschaffen, dass sich die neu entstehenden Elementarwellen wieder gegenseitig auslöschen.
Zur genaueren Untersuchung müsste man natürlich ein bisschen rechnen, dabei kommt man drauf, dass meine Erklärungen teilweise etwas oberflächlich sind, doch zum Verständnis sind sie hoffentlich ausreichend. Fest steht, dass die Beiträge der unterschiedlichen Fresnel-Zonen zur Gesamtintensität im Punkt B relativ gering sind, weil sich benachbarte Zonen quasi gegenseitig auslöschen.

So viel zur Konstruktion der Fresnel-Zonen.
Ich hoffe, ihr seid mir bis hierher gefolgt und habt euch nicht vergraulen lassen von den handgezeichneten Skizzen oder dergleichen. (Apropos handgezeichnet: Das habe ich deshalb gemacht, weil ich insgesamt so doch schneller bin als mit Computer-Zeichenprogrammen und ich im Internet sonst kaum brauchbare Bilder gefunden habe. Aussagen wie "Geometrisches Zeichnen hast du wohl nie gehabt" o. ä. will ich jetzt aber nicht hören. Ich weiß eh selber, dass ich das wirklich nie hatte. ;-) )


ENDLICH: Jetzt können wir die Frage stellen "Welche Auswirkungen hat dieses Kreise- und Kugeln-Denken?"
Ich werd's euch sagen.

Angenommen wir stellen zwischen Q und B im Abstand r (Abstand des ersten grünen Kreises) einen Schirm mit einer Blende, die genau den Durchmesser der ersten Fresnel-Zone hat.
Wir lassen also ein Loch der Größe der ersten Fresnel-Zone frei:


Wenn wir somit alles abdecken und nur die erste Fresnel-Zone durchlassen, beobachten wir, dass die durchgelassene Intensitätviermal so groß (!) ist wie ohne Schirm. Das ist ein äußerst überraschendes Ergebnis, oder? Man würde nicht erwarten, dass der absorbierende Schirm die Intensität im Punkt B verglichen mit der Anordnung ohne Schirm erhöht.

Die Erklärung macht (dann im Nachhinein betrachtet) schon Sinn:
Dadurch, dass alle anderen Fresnel-Zonen abgeschirm werden, kommt es zu keiner destruktiven Interferenz zwischen der ersten Zone und den anderen. Die erste Fresnel-Zone wirkt somit wie eine Linse, die das von Q ausgehende, sich in alle Richtungen verbreitende Licht teilweise wieder fokussiert.


Für den zweiten Versuch vertauschen wir Schirm und Blende. Anstatt die erste Fresnel-Zone durchzulassen werden wir sie nun abschirmen. D.h. wir stellen einen Schirm der Größe dieser ersten Zone zwischen Q und B:


Dabei beobachtet man, dass die bei B gemessene Intensität genauso groß ist wie ohne Hindernis. Wir blockieren also den direkten Weg des Lichts und trotzdem kommt genau so viel dahinter an wie ohne Blockade. Verblüffend, oder?
Um den zweiten Versuch zu erklären, müsste man auf die Mathematik zurückgreifen, die wir von Anfang an nicht mitgenommen haben. Deshalb stelle ich nur das experimentelle Resultat in den Raum, ohne zu erklären, was genau dahinter steckt. Verzeihung!


Anhand dieser überraschenden Erkenntnisse sieht man, dass das Huygens'sche Prinzip zur Beschreibung der Ausbreitung von Wellen sehr nützlich ist. Denn alleine mithilfe der geometrischen Optik (welche das Huygens-Prinzip nicht enthält) könnte man die beiden oben beschriebenen Versuche nicht erklären.



"Toll", werdet ihr jetzt sagen (wenn ihr bis hier her durchgehalten habt), "da haben die Physiker ja wieder eine nette Spielerei gefunden". --> Stimmt. ;-)
Aber man kann dieses Wissen auch praktisch anwenden. Wozu, werde ich in einem späteren Artikel schreiben. Das Anwendungsbeispiel, an das ich denke, wäre zwar schnell beschrieben und würde auch nicht mehr viel Platz brauchen (sein Prinzip ist simpel aber genial), aber ich will es nicht gleich übertreiben. Ich heb's mir auf. ;-)



Noch was: Ich habe mich übrigens sehr stark an das Buch Experimentalphysik 2 - Elektrizität und Optik von Wolfgang Demtröder gehalten. Vielleicht kommt mein Geschreibsel dem einen oder anderen Studienkollegen ja bekannt vor. ;-)


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